In den kommenden Tagen dürfte ein prominenter Name im Betreibungsregister des Kantons Zug auftauchen: jener des UBS-Chefs Sergio Ermotti. Die Forderung: 75 Millionen Franken. Die Gläubigerin: die Jungpartei Juso Schweiz.
In der Betreibungsforderung, die am Mittwoch an das Zuger Betreibungsamt verschickt wurde und die watson vorliegt, steht als Grund: «Offene Rechnung vom 19. März 2023, anfallende Kosten für Klimaverschmutzung».
«Man betreibt eine Person, wenn sie einem etwas schuldet. Wir finden: Superreiche wie Ermotti schulden der Gesellschaft Geld, weil sie unsere Lebensgrundlagen zerstören», sagt Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann gegenüber watson.
Der Betrag von 75 Millionen Franken kommt nicht von ungefähr: So viel müssten Ermottis Erben berappen, sollte die von der Juso lancierte Erbschaftssteuer-Initiative angenommen werden. Ermotti verfügt über ein geschätztes Vermögen von 150 bis 200 Millionen Franken.
Hintergrund der Aktion ist die Juso-Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer, die am 30. November zur Abstimmung kommt. Die «Initiative für eine Zukunft» fordert: Wer ein Vermögen von über 50 Millionen Franken erbt, soll 50 Prozent Erbschaftssteuer zahlen. Die damit erzielten Steuereinnahmen sollen in Massnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise fliessen.
Das Datum der offenen Rechnung hat eine Bedeutung: Am 19. März 2023 übernahm die UBS die Credit Suisse, Ermotti wurde in der Folge zum CEO der neuen Riesenbank.
Warum betreibt die Juso gerade UBS-Chef Ermotti? «Herr Ermotti ist CEO einer Bank, die massgeblich an der Klimaverschmutzung beteiligt ist», begründet Hostetmann den Entscheid. Die Juso-Chefin findet mit Blick auf das zukünftige Erbe: «Seine Kinder haben nichts für dieses Geld gemacht. Ein Teil dieses Geldes muss spätestens dann für die Bekämpfung der Klimakrise zur Verfügung stehen.»
Würde Ermotti auf die Forderung eingehen, wüsste Juso-Präsidentin Hostetmann auch, was mit dem Geld anzufangen wäre: «Wir würden es dem Bund für den Klimaschutz zur Verfügung stellen.»
Für Urs Saxer, Professor für Medienrecht an der Universität Zürich, ist klar: «Die Betreibung ist für jedermann erkennbar eine politische Aktion. Niemand glaubt ernsthaft, dass der UBS-Chef der Juso 75 Millionen Franken schuldet.»
Als CEO der UBS sei Ermotti eine öffentliche Person und müsse sich mehr gefallen lassen als Privatpersonen. Auch eine öffentliche Diskussion über Ermottis Vermögen und Gehalt sei legitim, da diese zum einen nicht komplett geheim und zum anderen von öffentlichem Interesse seien. Eine Persönlichkeitsverletzung oder Rufschädigung liege deshalb nicht vor, sagt Saxer.
Anders könnte der Fall bewertet werden, wenn jemand permanent mit Betreibungen zugedeckt werde. Dann könnte die betriebene Person Belästigung zur Anzeige bringen.
Warum die Juso Ermotti einfach so und ohne Nachweis betreiben kann, erklärt Samuel Baumgartner, Professor für Schuldbetreibungs- und Konkursrecht an der Universität Zürich, gegenüber watson so: «Grundsätzlich kann jede Person eine Betreibung gegen eine andere einleiten.»
Für eine Betreibung muss man am Wohnort des Schuldners ein Betreibungsbegehren stellen und ungefähr angeben, worum es geht. «Den Grund kann man auch frei erfinden», sagt Baumgartner. Lediglich eine Gebühr falle dabei an, die sich nach der Höhe der Betreibungsforderung richte. Danach erhalte die betroffene Person einen Zahlungsbefehl, der persönlich zugestellt werde – entweder durch die Post oder durch das Betreibungsamt.
Das Verfahren lasse sich jedoch sofort stoppen, indem die betroffene Person Rechtsvorschlag erhebe, also die Schulden nicht anerkenne. Wolle der Gläubiger das Verfahren dennoch weiterziehen, müsse dieser vor Gericht. Das könne aufwendig werden, wenn klare Belege für die Schuld fehlen, so Baumgartner.
Unangenehm ist eine Betreibung jedoch allemal: Eine eingeleitete Betreibung erscheint im Betreibungsregister, das für Dritte mit wirtschaftlichem Interesse einsehbar ist.
Deshalb gebe es in der Rechtsprechung zusätzliche Rechtsbehelfe, um eine Betreibung nachträglich entfernen oder für nichtig erklären zu lassen – insbesondere bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch. In solchen Fällen müsse man sich an die Aufsichtsbehörde wenden.
Das Beispiel Ermotti sei bemerkenswert, weil es nicht um eine bestehende Forderung, sondern um einen symbolischen Betrag gehe, so Baumgartner. «Sie nutzen das Betreibungsverfahren, nicht um einen Geldbetrag zu erhalten, sondern um politisch etwas zu erreichen. Das ist ein typischer Fall von Rechtsmissbrauch.»
Ermotti muss nun innerhalb einer Frist von 10 Tagen Rechtsvorschlag einreichen, um der Betreibung zu entgehen. watson hat Sergio Ermotti über die UBS um eine Stellungnahme angefragt. Diese steht noch aus.
Müssen sich nun auch andere Vermögende Sorgen um ein Betreibungsschreiben vonseiten der Juso machen? «Wir werden vorerst keine weiteren Superreiche betreiben», beschwichtigt Hostetmann.