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USA: Der Fall von New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo

«Wen kümmert's? Sie sind gestorben» – NY-Gouverneur Cuomos tiefer Fall in 4 Punkten

22.02.2021, 12:1623.02.2021, 12:44
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Held in der Corona-Krise

Als das Coronavirus Anfang 2020 durch New York fegte und die Fallzahlen in die Höhe schiessen liess, schritt der Gouverneur des Bundesstaates - Andrew Cuomo - tatkräftig voran, erliess neue Gesetze, versprühte Hoffnung und präsentierte sich als Retter in der Not. Und tatsächlich, der 63-Jährige machte einen guten Eindruck. Je mehr er das Coronavirus in den Griff zu bekommen schien, desto besser wurde sein Ruf – und dieser war nicht immer gut.

In this Wednesday, Nov. 18, 2020 photo provided by the Office of Governor Andrew M. Cuomo, Gov. Cuomo holds a press briefing on the coronavirus in the Red Room at the State Capitol in Albany, N.Y. Dur ...
Wurde in der Corona-Krise zum Fels in der Brandung: Andrew Cuomo.Bild: keystone

Im März 2020 kündet er neue Regeln an und führt ein Gesetz ein, das er nach seiner Mutter benennt: Matildas Gesetz. Emotional und leidenschaftlich redet er den Bürgerinnen und Bürgern New Yorks in das Gewissen, hält täglich öffentliche Pressekonferenzen ab, zeigt sich bemüht und besorgt. Neben der Inkompetenz Trumps, der sich scheinbar wenig um das Virus kümmerte, konnte Cuomo punkten. Von allen Seiten werden ihm Lobeshymnen gesungen, auf Twitter macht der Hashtag #CuomoForPresident die Runde:

«Andrew Cuomo ist der Kontrollfreak, den wir jetzt brauchen», schreibt «The New York Times» am 16. März 2020. «Andrew Cuomo zeigt, wie man in der Coronavirus-Krise führt», doppelt «The Washington Post» eine Woche später nach. Auch Watson berichtet in guten Tönen über seinen Kampf gegen das Coronavirus:

Alles läuft gut – sogar so gut, dass er im Oktober 2020 ein Buch mit dem Titel «Führungslektionen aus der Covid-19-Pandemie» veröffentlicht und es damit auf die Bestseller-Listen schafft.

Ende Januar gerät sein Image schliesslich in Gefahr.

Es beginnt zu brodeln

Die Anzahl Todesopfer in Pflegeheimen, die an Covid19 verstorben sind, dürfte etwa 50% höher sein, als offizielle Zahlen dies behaupten. Diese Bombe lässt Generalstaatsanwältin Letitia James am 28. Januar platzen. Gouverneur Cuomos Administration habe nie angegeben, wie viele Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen in den Spitälern gestorben sind, schreibt sie in einem 76-seitigen vernichtenden Bericht.

FILE - In this Aug. 6, 2020, file photo, New York State Attorney General Letitia James adjusts her glasses during a press conference in New York. New York may have undercounted COVID-19 deaths of nurs ...
Die Generalstaatsanwältin Letitia James brachte die wahren Zahlen ans Licht.Bild: keystone
«Auch wenn wir die Menschen, die wir in dieser Krise verloren haben, nicht zurückholen können, soll dieser Bericht die Transparenz bieten, die die Öffentlichkeit verdient. Er soll zu verstärkten Maßnahmen anspornen, um unsere verletzlichsten Bewohner zu schützen.»
Letitia James

Zudem hätten einige Pflegeheime zu wenig Todesfälle gemeldet und Corona-Massnahmen ungenügend eingehalten. Gegen 20 Pflegeheime wurden Ermittlungen eingeleitet.

Nach Publikation dieses Berichts veröffentlichte Howard Zucker, Mitglied der Corona-Taskforce, schliesslich eine revidierte Zahl, die sich am 19. Januar auf 12'743 belief. Einen Tag zuvor lag diese noch bei 8'711, schreibt The New York Post.

Das Drama spitzte sich weiter zu, nachdem am 11. Februar bekannt wurde, dass die Cuomo Administration die Zahlen bewusst zurückgehalten hatte. Es sollte verhindert werden, dass der damalige Präsident Trump die wahren Statistiken politisch gegen sie einsetzen würde, begründete Cuomos Topberaterin Melissa DeRosa das Vorgehen in einem internen Videochat:

«Er wird tweeten, dass wir alle in den Pflegeheimen getötet haben.»

Der Abgeordnete Ron Kim, welcher ebenfalls an der Videokonferenz teilgenommen hatte, sagte gegenüber der «New York Post», dass DeRosas Begründungen so tönten, als hätten sie etwas zu verbergen.

Cuomos Image bröckelt

Nach der Veröffentlichung von James' Bericht am 28. Januar trat Cuomo am folgenden Tag vor die Medien. Sein Auftritt vermochte allerdings sein fast makelloses Pandemie-Image nicht wiederherzustellen – im Gegenteil. Statt sich zu einer Entschuldigung durchzuringen, versucht er, den Fokus auf seine vermeintlichen Errungenschaften zu lenken:

«Wenn man sich New York anschaut, haben wir verglichen mit anderen Staaten einen tieferen Prozentsatz an Todesfällen.»

Für breite Empörung sorgte allerdings vor allem diese Aussage:

«Wen kümmert's – 33 [Prozent], 28 [Prozent] – sind im Spital gestorben, sind im Pflegeheim gestorben? Sie sind gestorben.»

Nun haben das FBI und die US-Staatsanwaltschaft des Eastern District of New York eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht sein Umgang mit Pflegeheimen in der Coronavirus-Pandemie. Angesichts dieser Entwicklung werden sogar aus seinen eigenen Reihen Rücktrittsforderungen laut. Einige Demokraten wollen Cuomo auch seine Notstandsbefugnisse nehmen, welche ihm während der Pandemie übertragen wurden – darunter auch Ron Kim.

Cuomo zeigt seine zornige Seite

Wer es sich erlaubt, Andrew Cuomo zu kritisieren, muss sich allerdings auf etwas gefasst machen. Am 11. Februar habe er einen Telefonanruf von Cuomo erhalten, erzählte der demokratische Abgeordnete Kim gegenüber der «New York Post». Er verlangte von Kim Unterstützung, um den Schaden der Zahlen-Vertuschung in Grenzen halten, und schreckte nicht davor zurück, ihm zu drohen:

«Ich kann der ganzen Welt erzählen, was für ein schlechter Mensch du bist, und du wirst erledigt sein. [...] Du wirst zerstört sein.»

Cuomos Sprecher, Rich Azzopardi, dementierte die Aussagen Kims umgehend. Doch sein heldenhaftes Image hat Cuomo verloren. Nun zeige er endlich sein wahres Gesicht, twittert New Yorker Anwalt Jumaane Williams:

Dass schon länger nicht alles rosig gelaufen ist, verrät Cuomo am 29. Januar vor den Medien gleich selbst:

«Wenn ich Experten in Anführungs- und Schlusszeichen sage, dann klingt es so, als würde ich den Experten nicht wirklich vertrauen. Weil ich das auch nicht tue. Weil ich das auch nicht tue.»

Zwischen ihm und den Gesundheitsexperten bestand schon länger eine Kluft, was den Umgang mit der Pandemie betraf. Gemäss der «New York Times» hätten mittlerweile neun Corona-Experten das Handtuch geschmissen, weil Cuomo nie auf sie gehört habe. Mit den in den vergangenen Wochen öffentlich gewordenen Kontroversen hat sich diese Kluft nun auch zwischen ihm und den Anwohnerinnen und Anwohnern New Yorks aufgetan. Damit dürfte er seine Chancen zur Wiederwahl zum Gouverneur New Yorks im kommenden Jahr deutlich verschlechtert haben.

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57 Kommentare
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LeChef
22.02.2021 12:55registriert Januar 2016
Das ‚Who cares‘ Zitat ist offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen. Er meinte dass es egal sei, *wo* die Leute gestorben sind. Ich frage mich manchmal ob es bei solchen Stories wirklich nur Unfähigkeit seitens der Journalisten ist, oder ob Böswilligkeit dahinter steckt.

Aber Cuomo hat tatsächlich in dieser Krise keine gute Figur gemacht, zB. als er Leuten, die wegen des Lockdowns nicht arbeiten konnten, geraten hat, doch einfach einen Job als Essential Worker anzunehmen. Als ob das so einfach wäre.
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Alnothur
22.02.2021 13:51registriert April 2014
Aus dem Kontext reissen könnt ihr auch gut. Seine Aussage war: es spielt keine Rolle ob sie im Spital oder im Pflegeheim gestorben sind, denn sie sind jetzt tot.
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Locutus70
22.02.2021 12:35registriert September 2018
Er war nie ein Held, diesen Stempel haben ihm die Medien in ihrem blanken Trump-Hass aufgedrückt.
Jahre vor der Pandemie hat er Spitäler geschlossen und in der Pandemie hätte er bereits im März 2020 weitreichende Lockdown-Maßnahmen ergreifen können - hat er nicht, vielleicht weil er Trump auflaufen lassen wollen.
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