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Kriegsheld und Parteirebell – die konservative Legende John McCain in 5 Akten

epa06973000 (FILE) - US Republican Senator from Arizona John McCain holds a press conference on immigration reform, on Capitol Hill in Washington, DC, USA, 19 April 2010. According to news reports, Re ...
John McCain starb am Samstag im Alter von 81 Jahren.Bild: EPA/EPA

Kriegsheld und Parteirebell – die konservative Legende John McCain in 5 Akten

Aufrechter Parteirebell, Kriegsheld, hochgeschätzter Experte: Am verstorbenen US-Senator John McCain hafteten viele Etiketten. Aber er hatte auch seine Widersprüche.
26.08.2018, 11:2526.08.2018, 14:11
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Es ist eine Szene aus dem US-Senat, die immer wieder im Fernsehen gezeigt wird, auch im Ausland. Es geht um die Abschaffung von Obamacare, und diesmal scheinen die Republikaner nahe am Ziel. Alles hängt nun an einem Mann. Langsam geht John McCain ins Zentrum des Rampenlichts, dann dreht er den Daumen nach unten. Es ist das Ende für das Gesetzesvorhaben seiner Parteifreunde.

So sah das aus: 19 Sekunden Drama mit John McCain

Er hatte es wieder getan: Courage gezeigt, sich widersetzt, ganz der «Maverick», der Querdenker, die Idealfigur des Unangepassten – ein Image, das sich John McCain in den Jahren seiner politischen Karriere aufgebaut und sorgsam gepflegt hat. Er machte Trump einen Strich durch die Rechnung bei dessen Herzensanliegen, die verhasste Krankenversicherung seines Vorgängers abzuschaffen. Erst vor wenigen Tagen hatten Ärzte da bei McCain einen Gehirntumor entdeckt, ein Glioblastom.

Das war im Sommer 2017. Nun, ein Jahr später, hat dieser Mann seinen letzten Kampf verloren – und Amerika mit ihm einen der wichtigsten Politiker der Gegenwart.

Geachtet, auch unter den Demokraten

McCain war einer aus der schwindenden Zahl jener, die sich im Laufe der Jahre grosse Achtung über Parteigrenzen hinweg erworben haben. McCain starb am Samstag um 16.28 Uhr im Kreise seiner Familie, wie sein Büro mitteilte. «Bis zu seinem Tod hatte er den Vereinigten Staaten von Amerika sechzig Jahre treu gedient», hiess es in der Erklärung.

Mehr als einmal hat McCain seinen eigenen konservativen Kollegen in die Suppe gespuckt, sich auf die andere Seite geschlagen.

Er war milder in Immigrationsfragen als seine Parteifreunde, strikt gegen Folter, für Transgender im Militär.

Und: Seit dem Amtsantritt von Donald Trump entwickelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten unter den Republikanern, oft mit knüppelharten Attacken.

McCains letzte Abstimmung im Senat war am 7. Dezember 2017. Als einer von wenigen Republikanern stimmte er gegen eine temporäre Übergangsfinanzierung der Regierung. Er sagte damals, er tue das, weil das dem Militär schade. Wenige Tage später teilte sein Büro mit, McCain lasse sich zuhause in Arizona behandeln, er wolle im Januar nach Washington zurückkehren. Es sollte anders kommen. Die vergangenen Monate verbrachte der schwer kranke Senator in der Heimat.

Für eine harte Haltung gegenüber Gegnern

McCain war im Kern immer ein Konservativer, ein Abtreibungsgegner etwa, ein stolzer «Reagan-Republikaner». Nach Berechnungen der Nachrichtenwebseite FivethirtyEight stimmte er in gut 90 Prozent aller Fälle im Sinne von Trump.

Sicherheitspolitisch war McCain stets ein ausgesprochener Hardliner. Einer mit tiefem Misstrauen gegen die traditionellen Feinde der USA wie Russland und China. Trumps seltsame Hinwendung zu Russland war ihm stets ein Dorn im Auge. Dessen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Juli bezeichnete er als den «schändlichsten Auftritt eines amerikanischen Präsidenten in der Erinnerung».

Video: watson

Kritiker sahen in McCain einen «Überhawk» – einen ausgeprägten Falken und Verfechter militärischer Stärke. Im Irakkrieg unter George W. Bush etwa rief er nach mehr US-Truppen, in Syrien drang er früh auf Bombardierungen durch die Luftwaffe und Unterstützung der Rebellen. In der Ukraine forderte McCain laut Waffenhilfe für Kiew. Fast immer lautete sein Credo: Härte ist besser als Vertrauen.

Im Vietnamkrieg in Kriegsgefangenschaft

Der Schlüssel für vieles, was den Politiker und Menschen McCain ausmachte, lag in seiner Familiengeschichte und seiner späteren Kriegsgefangenschaft. John Sidney McCain III. kam am 29. August 1936 auf einer Marinebasis in Panama zur Welt. Sowohl sein Vater als auch sein Grossvater waren Admiräle – keine Frage für John, dass er versuchen würde, in ihre Fussstapfen zu treten. Nach der High School besuchte er die Marineakademie in Annapolis, nach einem nicht gerade fulminanten Abschluss diente er von 1958 bis 1981 in der Navy.

Am 26. Oktober 1967 geschah, was ihn wohl prägte wie nichts anderes. John McCain wurde über Nordvietnam abgeschossen:

ARCHIV -- ZUM TOD DES AMERIKANISCHEN SENATORS UND VIETNAM VETERANS JOHN MCCAIN AM SAMSTAG, 25. AUGUST 2018, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -- FILE - In this undated file photo ...
Bild: AP CBS

Er brach sich beide Arme und ein Bein. Fünfeinhalb Jahre verbrachte er in Kriegsgefangenschaft in Hanoi, mit Folter und Einzelhaft. Er lehnte eine vorzeitige Freilassung ab, seien doch Kameraden länger in Haft als er. Für den Rest seines Lebens konnte er seine Arme nicht über Schulterhöhe heben.

Gegen Obama keine Chance

Seine politische Karriere startete McCain 1977, zunächst als Verbindungsmann der Marine zum Kongress. 1983 wurde er selbst Abgeordneter, 1987 zog er in den Senat ein. Im Jahr 2000 versuchte er sich erstmals als Präsidentschaftsbewerber, 2008 ein zweites Mal und wurde Kandidat seiner Partei.

Dazu rückte er innerparteilich nach rechts und gab damit Kritikern Wasser auf die Mühlen.

FILE - In this Aug. 29, 2008, file photo, Republican Alaska Gov. Sarah Palin delivers a speech as Republican presidential candidate, Sen. John McCain, R-Ariz., introduces her as his vice presidential  ...
Sein grösster Fehler: Sarah Palin als Vize-Kandidatin nominieren.Bild: AP/AP

Manche haben ihm angelastet, dass er längst nicht so geradlinig gewesen sei, wie er auf viele gewirkt habe. Bei allem, auch seinem Parteirebellentum, sei es immer zuallererst um sich selbst gegangen.

McCain verlor gegen Barack Obama. Dazu beigetragen hat wohl auch der möglicherweise grösste politische Fehler seiner Karriere: seine Entscheidung für die völlig unbefleckt erscheinende Sarah Palin als Vize-Kandidatin. Nach der Niederlage widmete sich McCain wieder voll seiner Arbeit im Kongress.

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John McCain
John McCain wollte US-Präsident werden – diesen Traum zerstörte Barack Obama 2008.
quelle: ap / pablo martinez monsivais
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Stets deutliche Worte, auch gegen Trump

Sein Fussabdruck ist gewaltig, auch im Ausland wurde der hochdekorierte Mann als Sicherheitsexperte hoch geschätzt. Dort kam auch gut an, dass er sich zu einem der wenigen offenen Kritiker Trumps im eigenen Lager entwickelte, oft in beissender Schärfe, manchmal beinahe fassungslos.

Mehr als einmal warf er dem Präsidenten mangelhaftes Wertebewusstsein, Unwissenheit und Impulsivität vor. Aber auch McCain selber war dafür bekannt, schnell auszurasten, oft soll er dabei sogar vulgäre Schimpfworte gebraucht haben. Das soll auch neben seinem frühzeitig weissen Haar zu seinem Spitznamen «weisser Tornado» beigetragen haben.

Für Medien war McCain attraktiv, einer ihrer ausgesprochenen Lieblinge, weil er ein offenes Wort pflegte und in Zeiten oft holzschnittartiger Vereinfachung in der Lage war, politische Komplexität angemessen darzustellen.

Keine Frage: John Sidney McCain III. hinterlässt neben seiner Frau Cindy und sieben Kindern aus zwei Ehen eine grosse Lücke und ein schillerndes politisches Vermächtnis.

(oli/sda/dpa)

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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Angelo C.
26.08.2018 13:50registriert Oktober 2014
Bizarr: gestern schrieb WATSON, dass McCain soeben die Behandlung gegen seine Krebserkrankung eingestellt habe - und bloss ein Tag später ist er verstorben 🤔.

Da ich gerne ehrlich bin, bestätige ich, dass ich den Mann nie, also zu keiner Zeit, je gemocht und ihn für eine alte Kriegsgurgel gehalten habe. Er hat alle Versöhnungs- und Friedensmassnahmen gegenüber China und Russland mehrheitlich abgelehnt, dies schon lange vor der Aera Trump.

Was soll ich also heucheln und seinen Tod mit den üblichen Schablonensprüchen bedauern, sein “Rückgrat rühmen” - er ist gestorben und damit hat es sich...
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mille_plateaux
26.08.2018 15:03registriert Juni 2017
Wer auch immer diesen Rückblick verfasst hat, scheint ein schlechtes Gedächtnis zu haben. Ich empfehle, sich 15 Minuten Zeit zu nehmen und die andere Seite der Medaille zu inspizieren:

https://soundcloud.com/citationsneeded/news-brief-dont-let-the-media-erase-mccains-far-right-legacy
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