Die US-Regierung hat Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu aufgefordert, mehr für den Schutz der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen zu tun und einem Abkommen über einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zuzustimmen. Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch dessen Vize Kamala Harris fanden nach separaten Gesprächen mit Netanjahu im Weissen Haus am Donnerstag deutliche Worte. Dies stiess in Israel auf Kritik.
Am Freitag traf Netanjahu sich noch mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in dessen Anwesen in Florida. Die «New York Times» berichtete, dass Netanjahu gegen Mittag (Ortszeit) in Mar-a-Lago eintraf.
Für Harris war das Treffen mit Netanjahu die erste wichtige Bewährungsprobe in ihrer Rolle als voraussichtliche Ersatzkandidatin der Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf. Sie will bei der US-Wahl am 5. November den Republikaner Trump schlagen, nachdem sich Amtsinhaber Biden aus dem Rennen zurückgezogen hatte.
«Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, und es ist wichtig, wie es das tut», sagte die 59-Jährige nach dem Treffen. Sie habe in dem Gespräch mit Netanjahu ihre «ernste Besorgnis über das Ausmass des menschlichen Leids im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht». Dazu gehöre der Tod von «zu vielen unschuldigen Zivilisten», sagte Harris. «Wir können angesichts dieser Tragödien nicht wegschauen. Wir können es uns nicht erlauben, angesichts des Leids gefühllos zu werden, und ich werde nicht schweigen».
Dass Harris von einer schlimmen humanitären Krise im Gazastreifen und der Notwendigkeit gesprochen habe, den Krieg zu beenden, habe den Geiselverhandlungen geschadet, zitierten israelische Medien einen nicht genannten ranghohen israelischen Beamten.
Das Weisse Haus teilte mit, Biden habe bei seinem Treffen mit Netanjahu auf die Notwendigkeit hingewiesen, «die verbleibenden Lücken zu schliessen, das Abkommen so schnell wie möglich abzuschliessen, die Geiseln nach Hause zu bringen und ein dauerhaftes Ende des Krieges in Gaza zu erreichen». Angehörige amerikanisch-israelischer Geiseln schöpften nach einem separaten Treffen mit Biden und Netanjahu laut einem Bericht neue Hoffnung, dass ein Deal mit der islamistischen Hamas in Kürze gelingen könnte.
Sie seien nun «optimistischer als zuvor», zitierte das US-Nachrichtenportal «Axios» drei Quellen, die bei dem Treffen dabei waren. Netanjahu habe den Angehörigen im Beisein von Biden zugesagt, Israel werde innerhalb weniger Tage einen aktualisierten Vorschlag für ein Abkommen vorlegen, hiess es. In der kommenden Woche sollen die indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten als Vermittler fungieren, in Doha fortgesetzt werden.
Netanjahu hatte bei einer Rede am Mittwoch vor beiden Kammern des US-Kongresses entgegen den Hoffnungen von Angehörigen der 115 in Gaza verbliebenen Geiseln keine Vereinbarung angekündigt und stattdessen jegliche Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen zurückgewiesen. Dank der Führung von Biden liege ein Abkommen auf dem Tisch, sagte Harris. Es gebe «hoffnungsvolle Fortschritte bei den Gesprächen».
Vor dem Treffen Trumps mit Netanjahu meldete sich der Republikaner in einer Sendung von Fox News zu Wort. Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen und den Besuch Netanjahus in Florida in seinem Anwesen Mar-a-Lago sagte er: «Ich möchte, dass er es schnell zu Ende bringt.»
Mit ihm als US-Präsidenten wäre das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober nicht passiert, behauptete Trump. «Wissen Sie, der 7. Oktober wäre nie passiert. Wenn ich Präsident gewesen wäre, hätte es dazu keine Möglichkeit gegeben. Der Iran wäre pleite gewesen, es hätte kein Geld für die Hamas oder Hisbollah gegeben. Es wäre einfach nicht passiert – keine Chance», sagte der 78-Jährige. Das Massaker war Auslöser des Krieges im Gazastreifen.
Netanjahu hatte Trump in seiner Rede vor dem US-Kongress am Mittwoch lobend erwähnt. Er war ausführlich auf die Verdienste Trumps während dessen Amtszeit als Präsident von 2017 bis 2021 eingegangen. Dabei hob er explizit das sogenannte Abraham-Abkommen hervor. Die Emirate und Bahrain hatten 2020 unter Trumps Vermittlung als erste Golfstaaten ein Abkommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel unterzeichnet.
«Ich möchte Präsident Trump auch für all die Dinge danken, die er für Israel getan hat», sagte Netanjahu in seiner Rede weiter, «von der Anerkennung der Souveränität Israels über die Golanhöhen, dem Entgegentreten der iranischen Aggression bis zur Anerkennung Jerusalems als unsere Hauptstadt und der Verlegung der amerikanischen Botschaft».
Netanjahu hatte das Treffen Berichten zufolge erbeten. Trump, der sich in der heissen Phase des Wahlkampfs befindet, sorgt mit dem Empfang hochrangiger Staatsgäste immer wieder für Schlagzeilen. Erst vor Kurzem hatte der Republikaner Ungarns Regierungschef Viktor Orban in seinem Anwesen Mar-a-Lago empfangen.
(sda/dpa)