Noch ist vieles unklar, was sich in der texanischen Kleinstadt Waco am Sonntagmittag abgespielt hat. Nach ersten Erkenntnissen brach in einer Filiale der Restaurantkette Twin Peaks ein Streit zwischen verfeindeten Motorradgangs aus, der schliesslich in einem Schusswechsel endete, bei dem neun Menschen ums Leben kamen und 18 verletzt wurden. Zuvor sind offenbar auch Ketten, Baseballschläger und Messer eingesetzt worden.
Ein Sprecher der örtlichen Polizei sagte gegenüber dem Nachrichtensender CNN, dass mindestens drei Motorradgangs in die Auseinandersetzung verwickelt waren, darunter die Rockerbanden Bandidos und Cossacks. Der Auslöser der Streitigkeiten ist unklar, möglicherweise hätten sich die Rocker in der Gegend Konkurrenz beim Anwerben neuer Mitglieder gemacht, so die Vermutung der lokalen Polizei. Eventuell sei es auch um Territorialsdispute gegangen.
Die texanische Justizbehörde führt die Bandidos im jährlichen Gang-Report für 2014 in der Klasse Zwei. Sie betreiben illegale Aktivitäten sowohl auf Staats-, als auch auf Gemeindeebene, vermeiden aber aufsehenerregende kriminelle Akte, wie etwa Drive-by-Shootings. Bei den Cossacks handelt es sich um eine eher kleine Motorradgang mit Ursprung in Texas. Die beiden MCs liegen seit 2013 miteinander in Fehde.
Die Problematik der Motorradgangs widerspiegelt sich einem Bericht des Inlandgeheimdienst FBI. Darin wird auf die Gefahr hingewiesen, die die sogenannten Motorcycle Club (MCs) für die öffentliche Sicherheit in den USA darstellen. Obwohl sie nur 2,5 Prozent aller Gangmitglieder ausmachen, sind sie für 14 Prozent der befragten Behörden die «grösste Gefahr innerhalb ihres Zuständigkeitsgebiets.»
Die Rockerbanden selber bestreiten regelmässig, in die organisierte Kriminalität verwickelt zu sein und verweisen auf einzelne schwarze Schafe innerhalb ihrer Organisation. Die Unterteilung in verschiedene Chapters und die lockeren Strukturen machten es den Motorrad-Clubs unmöglich, illegale Zellen in ihren Reihen völlig auszuschliessen, so die Erklärung der Rockerbanden.
Medienberichte und Monitoring von Polizei- und Justizstellen machen aber deutlich, dass die Motorradbanden in den USA nie die Nähe zum kriminellen Millieu gescheut haben. Überdies deutet nicht zuletzt die Eigenbezeichnung als Outlaws und One-Percenter (im Gegensatz zu den 99 Prozent der Motorradclubs, die sich an die Regeln der American Motorcyclist Association, des Dachverbands der Motorradclubs, halten) auf die Sehnsucht der MCs, sich ausserhalb des rechtlichen Rahmens zu bewegen.
Traditionell sind die Outlaw Motorcycle Gangs (OMG) im Waffen- und Drogenhandel tätig, daneben fallen sie oft auch durch Gewaltverbrechen und Erpressung auf.
Insgesamt existieren in den USA mehr als 300 OMGs mit Hunderten verschiedenen Chapters und Tausenden Mitgliedern. Das amerikanische Justizministerium listet in einem Bericht die acht gefährlichsten auf:
Mitgliederzahl USA: 900
Territorium: Süden, v.a. Texas
Die Bandidos wurden 1966 in Texas gegründet. Sie sind eine der zwei grössten MCs in den USA, mit ungefähr 900 Mitglieder und 93 Chapters. Die Bandidos sind im Handel und Vertrieb von Kokain und Marihuana involviert und produzieren, handeln und vertreiben Crystal Meth. Ihre Hochburgen liegen an der Pazifikküste, im Südwesten, im Südosten sowie im Mittleren Westen. Sie sind weltweit in 13 Staaten aktiv und zählen 2000 bis 2500 Mitglieder.
Mitgliederzahl: 800
Territorium: Landesweit, v.a. Kalifornien
Die Hells Angels gelten als die bekannteste und berüchtigtste Motorrad-Gang weltweit. Bis zu 2500 Mitglieder in 26 Ländern tragen die Jacke mit dem ikonischen Abzeichen. Der Besitz einer Harley-Davidson ist bei den Hells Angels Pflicht. In den USA zählt der Motorradclub bis zu 800 Vollmitglieder. Das Geschäftsfeld der Hells Angels in den USA umfasst in erster Linie Produktion, Transport und Vertrieb von Marihuana und Crystal Meth. Zudem kümmern sich die Hells Angels um den Transport und den Vertrieb von Kokain, Haschisch, Heroin, LSD, Ecstasy, In der Schweiz existiert seit 1970 ein Hells-Angels-Chapter.
Mitgliederzahl: 700
Territorium: Ostküste und Mittlerer Westen
Der Motorradclub Outlaws wurde 1935 in Illinois gegründet und ist nach wie vor stark verankert in der Region der Grossen Seen im Nordosten der USA. Bis zu 700 Mitglieder tragen in den USA den Patch mit dem Totenkopf und den gekreuzten Kolben. Die Outlaws sind in der Produktion, dem Transport und dem Vertrieb von Crystal Meth tätig, zudem transportieren und vertreiben sie Kokain und Marihuana und Ecstasy. Neben dem Drogenhandel umfasst das Geschäftsfeld der Outlaws unter anderem Erpressung, Betrug, Mord, Kidnapping, Geldwäscherei, Prostitution, Brandstiftung und Diebstahl.
Mitgliederzahl: Zwischen 1000 und 1500
Territorium: Pazifikküste, Südwesten
Die Mongols verfolgt der Ruf einer besonders gewalttätigen Gruppierung. Gegründet 1969 in Montebello, Kalifornien, haben sie ihren Einflussbereich auf die Pazifikküste und den Südwesten der USA ausgedehnt. Die Mongols agieren im Drogenhandel (Kokain, Marihuana und Crystal Meth) und schrecken nicht vor Mord zurück, um ihr Territorium zu verteidigen. Ein Grossteil der Mitglieder weist hispanische Wurzeln auf und war zuvor in Strassengangs aktiv. Das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (BATFE), eine Behörde der Bundespolizei, bezeichnet die Mongols als gefährlichste und gewalttätigste Motorradgang in den Vereinigten Staaten. Die Mongols unterhalten traditionell Freundschaften zu den Bandidos, den Outlaws, den Sons of Silence und den Pagans. Die Hells Angels gehören zu den verfeindeten Gruppierungen.
Mitgliederzahl: Ca. 250
Territorium: Mittlerer Westen, Süden
Die Sons of Silence wurden 1966 in Colorado gegründet und haben sich seither im Mittleren Westen und im Süden des Landes etabliert. Ca. 250 Mitglieder sind in 30 Charter aktiv. Die amerikanische Justizbehörde wirft ihnen eine Reihe von kriminellen Tätigkeiten vor, darunter Drogenhandel, Mord, Erpressung, Prostitution, Geldwäscherei und Waffenhandel. Mitunter werden sie – wie die Hells Angesl, die Bandidos, die Mongols und die Outlaws – zu den Gruppierungen gezählt, die eine nationale Bedrohung darstellen. Man spricht dann von den Top Five der Outlaw Motorcycle Gangs.
Mitgliederzahl: 200 bis 250
Territorium: Ostküste, Mittelatlantik-Küste
Das US-Justizdepartement bezeichnet die Pagans in einer Studie als besonders gewalttätige Vereinigung. Als einer der wenigen grossen MCs wurden die Pagans an der Ostküste gegründet: 1959 in Maryland. Die Pagans sind mit bis zu 250 Mitgliedern in 11 Bundesstaaten aktiv. Neben dem Verkauf von Kokain, Crystal Meth, Marihuana und PCP fallen die Pagans mit Brandstiftungen, Bombenanschlägen, Erpressung und Mord auf. Grösster Konkurrent der Pagans in den USA sind die Hells Angels.
Mitgliederzahl: 200
Territorium: Landesweit
Bei den Black Pistons handelt es sich um einen sogenannten Support Club der Bandidos. Support Clubs sind in erster Linie zuständig für die Drecksarbeit der grösseren Clubs und dienen als Sammelbecken für potentielle Mitglieder. 2002 gegründet, expandierten die Black Pistons innerhalb kürzester Zeit nicht nur in den USA, sondern auch in Kanada und Europa. Die Zahl der Mitglieder in den USA wird auf 200 geschätzt.
Mitgliederzahl: Ca. 300
Territorium: Pazifikküste, Südwesten
Der Vagos Motorcycle Club, auch Green Nation genannt, wurde 1965 in Kalifornien gegründet und ging nach einem internen Streit aus den Hells Angels hervor. Der nordische Gott Loki schmückt den Patch der Vagos. Ungefähr 300 Mitglieder verteilen sich auf 24 Charter von Kalifornien bis Hawaii. Die Vagos produzieren, transportieren und verkaufen Crystal Meth. Daneben sind sie im Marihuana-Handel tätig. Weitere Geschäftsfelder sind Versicherungsbetrug, Erpressung, Geldwäscherei, Fahrzeugdiebstahl und Zeugenbedrohung.