Überraschende Wende im Verfahren gegen Ghislaine Maxwell: Der Prozess gegen die langjährige Weggefährtin des verstorbenen Sexualverbrechers Jeffrey Epstein, der vergangene Woche eigentlich mit einem Schuldspruch in fünf von sechs Anklagepunkten endete, könnte neu aufgerollt werden - weil sich unter den 12 Geschworenen ein Mann befand, der selbst sexuell missbraucht worden ist, diese biografische Wegmarke aber vielleicht bei der Auswahl der Jury-Auswahl nicht deklariert hatte.
Der Geschworene, der die beiden Vornamen Scotty David trägt und vor Gericht als «Geschworener Nummer 50» auftrat, sprach in den vergangenen Tagen mit mehreren amerikanischen und britischen Medienpublikationen. In diesen Interviews erklärte der 35-Jährige, wie er den übrigen Jury-Mitgliedern hinter verschlossenen Türen erzählt habe, dass er als Kind sexuell missbraucht worden sei - und dass es auch ihm schwer falle, sich an einige Details des Vorfalls zu erinnern, während er andere «wie ein Videofilm» wiedergeben könne.
Mit dieser Aussage entkräftete Scotty David nach eigenen Angaben die Zweifel einiger Geschworenen an den bisweilen schwammigen Aussagen der vier Opfer, die vor Gericht gegen Epstein und Maxwell schwere Beschuldigungen erhoben hatten. Er sei stolz auf die Rolle, die er bei Urteilsfindung gespielt habe, sagte der Mann.
Ghislaine Maxwell lawyers are claiming grounds for a mistrial after juror disclosed his history of sexual abuse https://t.co/xGFZbgW56i
— Daily Mail US (@DailyMail) January 6, 2022
Selbstverständlich ist es nicht verboten, dass ein Missbrauchsopfer über eine Person zu Gericht sitzt, die des sexuellen Missbrauchs angeklagt worden ist. Scotty David hätte seine Vorgeschichte aber auf einem Fragebogen festhalten müssen, den alle potenziellen Geschworenen im Herbst ausfüllten. Dies wiederum hätte der Verteidigung von Maxwell die Gelegenheit gegeben, den Geschworenen abzulehnen.
Scotty Davis behauptet, er erinnere sich nicht an die entsprechende Frage, habe den Fragebogen aber sicherlich wahrheitsgemäss ausgefüllt. Die Anwälte von Maxwell scheinen ihm nicht Glauben zu schenken. (Die entsprechenden Passagen in den Gerichtsakten sind geschwärzt.) Sie haben Bundesrichterin Alison Nathan bereits aufgefordert, das Urteil zu kassieren und den Prozess gegen die 60-Jährige Britin neu aufzurollen. Die Anklagebehörde wiederum bat die Richterin, die Aussagen des Geschworenen zu untersuchen.
Richterin Nathan allerdings will sich nicht drängeln lassen. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass sie frühestens im kommenden Monat eine Entscheidung fällen wird. (bzbasel.ch)