Trump sucht immer wieder die Nähe zu Putin – warum ist das so?
In Washington kursiert ein schönes Bonmot über Donald Trump. Es lautet: «Wenn Ihnen die Position des Präsidenten nicht gefällt, warten Sie einfach ein paar Stunden.» Der Spruch stammt von einem Demokraten, natürlich. Die Sprunghaftigkeit des Republikaners im Weissen Haus bereitet der Oppositionspartei schon lange Kopfzerbrechen.
Aber auch Parteifreunde Trumps staunen immer wieder, wie schnell der 79 Jahre alte Präsident Positionsbezüge wechseln kann, ohne mit der Wimper zu zucken. Er sagt dann einfach: «Ich hatte das Gefühl, es sei Zeit.» So geschehen am Mittwoch, als Trump plötzlich die beiden grössten russischen Öl-Unternehmen sanktionierte – nachdem er sich wochenlang gegen diesen Schritt gewehrt hatte.
Trump ist ein Kind des Kalten Krieges
Gibt es ein besseres Beispiel für die Unberechenbarkeit des amerikanischen Präsidenten als seine Russland-Politik? In den ersten neun Monaten seiner zweiten Amtszeit hat Trump buchstäblich jeden Standpunkt vertreten, den man als westlicher Politiker vertreten kann. Mal verlangt er vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, dass sein Land auf den gesamten Donbass verzichtet. Und mal sagt er, die Ukraine könnte sämtliche Territorien zurückerobern, die von der russischen Armee besetzt werden.
Diese Sprunghaftigkeit ist atemberaubend. Und sie erweckt den Eindruck, als habe Trump gar kein Interesse an einem Ende des Krieges in der Ukraine.
Dieser Eindruck aber täuscht. Wahr ist vielmehr, dass der amerikanische Präsident den Konflikt im fernen Europa so schnell als möglich beenden möchte. Er hat es langsam satt, sich mit der Ukraine und dem menschlichen Leid, das der Krieg jeden Tag verursacht, herumschlagen zu müssen.
Wahr ist aber auch, dass Trump eine Friedenslösung anstrebt, bei der der russische Präsident – der Verursacher dieses Krieges – das Gesicht nicht verliert. Eine der wenigen Konstanten im politischen Leben von Donald Trump ist nämlich, dass er von Wladimir Putin fasziniert ist und von ihm als gleich gesinnter Partner akzeptiert werden möchte.
Und zwar schon seit Jahren. Auf dem Internetdienst X ist immer noch ein Tweet nachzulesen, in dem Trump 2013 schrieb: Er hoffe, dass Putin einen Schönheitswettbewerb besuchen werde, den er in Moskau ausrichte. Und falls der russische Präsident komme, «wird er dann mein neuer bester Freund?»
Über die Gründe für diese Obsession lässt sich trefflich spekulieren. Vielleicht hat dies damit zu tun, dass Trump ein Kind des Kalten Krieges ist, und er von den TV-Bildern der Gipfeltreffen zwischen amerikanischen Präsidenten und sowjetischen Generalsekretären geprägt wurde. Für ihn ist Russland immer noch eine Supermacht. Und er will die Balance zwischen Washington und Moskau nicht zerstören.
Trump möchte auch gerne durchregieren
Naheliegend ist auch die These, dass Trump in Putin ein politisches Vorbild sieht – ein führungsstarker Präsident, der durchregieren kann. Auch Trump präsentiert sich gerne als ein Mann, der über dem politischen Betrieb steht und der im Zweifelsfall demokratische Spielregeln ignorieren darf. Ein Mann der Tat eben, der sich von Impulsen leiten lässt, weil er zu wissen glaubt, dass sein Bauchgefühl immer das richtige sagt.
Für den Krieg in der Ukraine bedeutet dies: Die neuen Sanktionen gegen die grössten russischen Öl-Firmen sind als Zwischenschritt zu verstehen. Sie sollen dazu führen, dass Putin endlich am Verhandlungstisch Platz nimmt. Dort hätte der russische Präsident eigentlich von Trump nicht allzu viel zu befürchten.
Denn auf dem Weg zum schnellen Frieden will der Amerikaner seine Freundschaft mit Putin nicht gefährden. (aargauerzeitung.ch)
