Um 7.25 Uhr am Dienstagmorgen betritt Florian Teichtmeister das Wiener Landesgericht durch einen Hintereingang, über zwei Stunden, bevor um 9.45 Uhr der Prozess gegen ihn wegen «Besitzes und Herstellung von Kindsmissbrauchs-Darstellungen» endlich beginnt. Angesetzt war er auf den 8. Februar, er wurde wegen einer angeblichen Krankheit von Teichtmeister verschoben und wieder verschoben.
Doch je länger er sich hinauszögerte, desto düsterer wurde es für den ehemaligen Burgtheater-Schauspieler. Denn desto mehr der gut 76'000 Bilder und Videos mit missbräuchlichen Darstellungen von Kindern, die Teichtmeister über 13 Jahre hinweg gesammelt hatte, konnten noch einmal gründlich ausgewertet werden: Der zuständige Richter Stefan Apostol beauftragte einen Daten-Forensiker mit einer erneuten Aufarbeitung der Dateien. Inzwischen ist klar, dass Teichtmeister nicht nur wenige davon manipuliert und zu Collagen mit oft gewalttätigen Inhalten verarbeitet hatte, sondern 34'696. Drei Jahre Haft sind jetzt möglich, im Februar waren es noch zwei.
Staatsanwältin Julia Kalmar spricht in der Anklageschrift von «pädosadistischen Texten» und schwer gestörten Gewaltfantasien, minutenlang liest sie vor Gericht daraus vor. Es ist immer wieder die Rede von gewaltsamem Sex mit kleinen Mädchen, der zu deren Tod führt. Es sind wüste, trostlose, perverse, bizarre Fantasien. Die Anwesenden sind schockiert. Der Gerichtspsychiater hat bereits im Voraus eine «hochdramatische Eskalation der Perversion» beobachtet. Die Gefahr eines verschärften Rückfalls sei gross.
Vor Gericht bekennt sich der 43-jährige Teichtmeister schuldig, Zeugen sind keine nötig, der Prozess daher auf straffe drei Stunden angesetzt. Alle Vorwürfe gegen ihn seien richtig, sagt der Angeklagte. «Ich bin Anfang der 2000er Jahre in eine ausgeprägte Pornografiesucht gekommen, die sich in einem langen Konsumverhalten geäussert hat», zitiert ihn der ORF, sein Kokainkonsum (3 Gramm pro Tag, wie sein Anwalt Rudolf Mayer am Vortag bekanntgab) habe alles verschlimmert, die Beschaffung «ist seit 2008 virulent geworden und vollkommen eskaliert», auch wenn ihm in hellen Momenten klar gewesen sei, dass er seine Karriere gefährde.
Von seinem Schweigerecht macht Teichtmeister an diesem Dienstag keinen Gebrauch, er setzt auf den Läuterungseffekt. Würde er sich als pädophil bezeichnen? Ja, sagt er. Der ORF warnt: «Florian Teichtmeister ist Schauspieler», seine Inszenierung des Reumütigen sei auffallend perfekt.
«Heute weiss ich, dass es ohne Konsumenten keine Nachfrage gibt. Heute weiss ich, welches Leid diese Kinder erfahren haben, die auf diesen Abbildungen drauf sind», sagt Teichtmeister. «Ich wollte erwischt werden. Es war eine Erleichterung, ich wusste, dass es damit vorbei ist», bekennt er. Seit zwei Jahren befinde er sich in psychiatrischer und psychologischer Behandlung, er trinke nicht mehr, kokse nicht mehr und konsumiere kein pornografisches Material, sagt er.
Verteidiger Rudolf Mayer redet ebenfalls gerne, er ist ein Mann der harten Fälle und der grossen Bühnen, er hat die Eislady Estibaliz Carranza verteidigt, die zwei ihrer Männer ermordete, zerstückelte und in der Tiefkühltruhe gefror, bevor sie sie einbetonierte. Und er hat Josef Fritzl verteidigt, der seine Tochter über zwanzig Jahre in einem Keller gefangen hielt, immer wieder vergewaltigte und sieben Kinder mit ihr zeugte. Mayers Trick: Er bringt seine Mandanten dazu, sich schuldig zu bekennen, in der Hoffnung, so ihre Strafe zu mindern.
Mayer war früher selbst beim Theater, als Knabe beim Ballett, später Schauspieler, so habe sich vor wenigen Tagen die Zusammenarbeit mit Teichtmeister ergeben, man kenne sich halt. Wie es denn sei, will der Moderator der Sendung «ZIB 3» Dienstagnacht, wenige Stunden vor dem Prozess, wissen, wenn man jemanden verteidige, der öffentlich und medial bereits aufs schärfste geächtet werde.
«Schauen Sie», antwortet Mayer, «wenn Sie als Strafverteidiger nicht im Stande sind, sich abzukoppeln von den Taten, die Ihr Mandant gemacht hat, dann haben Sie den Beruf verfehlt. Ein Chirurg muss einen Kriegsverbrecher, der vor ihm auf dem Tisch liegt, genauso ruhig operieren können, wie wenn er kein Kriegsverbrecher wäre. Das ist diese Absetzungsmethode, die man haben muss, um diesen Beruf ausüben zu können.»
#Teichtmeister: Verteidiger Rudolf Mayer mit einem Vergleich: "Auch beim Fleischkonsum wissen viele nicht, welches Tierleid sie damit eigentlich verursachen." Teichtmeister als Konsument von Kindesmissbrauchsdarstellungen habe das ebenfalls lange nicht gewusst.
— yvonne widler (@YvonneWidler) September 5, 2023
Für seinen aktuellen Mandanten erhoffte er sich im Voraus «eine Bewährungsstrafe, er ist ein Ersttäter, er ist unbescholten» und gerade für einen Täter mit einer Persönlichkeitsstörung sei Gefängnis die schlimmste Lösung, «niemand wird im Gefängnis besser, er wird infiziert, er kommt schlechter raus, als er reingegangen ist».
Vor dem Haus von Teichtmeisters krebskranker Mutter rotteten sich am vergangenen Wochenende unter der Führung des rechtsextremen Aktivisten und Corona-Leugners Martin Rutter mehrere Menschen zusammen. Sie brachten Transparente und Österreichfahnen mit und einen riesigen, selbstgezimmerten Galgen und forderten die Todesstrafe für Teichtmeister. Am liebsten wäre ihnen Lynchjustiz.
Der Galgen steht am Dienstag auch wieder vor dem Landesgericht. Rudolf Mayer, der früher auch geboxt hat, ist mit vier Personenschützern im Saal.
Vor dem Landesgericht haben Demonstranten einen Galgen für Teichtmeister aufgestellt. Und ich verstehe überhaupt nicht wieso die Polizei hier nicht längst eine Bannmeile macht. pic.twitter.com/eXR9QbNVjC
— Florian Klenk (@florianklenk) September 5, 2023
Die Polizei über den Galgen vor dem Wiener Straflandesgericht. pic.twitter.com/HJ2s0jiXhL
— Florian Klenk (@florianklenk) September 5, 2023
Sind das eigentlich die selben Menschen, die Lindemann vehement verteidigen und die Teichtmeister am Galgen sehen wollen?
— Brigitte Theißl (@denkwerkstatt) September 5, 2023
Und drinnen? Beim Warten auf die Urteilsverkündung bringt ORF 2 einen lebensbejahenden Beitrag über Helene Fischer und ihre fünf Konzerte in Wien. Sie wolle die Leute abtauchen lassen in eine wunderbare Welt, sagt Helene Fischer. Gewiss hat Florian Teichtmeister dies als Schauspieler früher auch schon einmal gesagt.
Kurz nach 13.30 Uhr wird Florian Teichtmeister schuldig gesprochen. In Haft muss er jedoch nicht, es gibt zu viele Milderungsgründe, die mediale Vorverurteilung wird angeführt, sein aufrichtiger Weg zur Besserung seit zwei Jahren und explizit auch die Demonstrierenden mit ihrem Galgen vor dem Landesgericht. Richter Apostol sagt: «Das Gericht ist nicht dem Ruf der Strasse gefolgt», und zu Teichtmeister: «Sie haben ein Damoklesschwert über Ihnen», die Auflagen werden in den kommenden Jahren enorm streng sein, das Netz aus Kontrollen und Therapien wird äusserst engmaschig sein. Das Urteil lautet zwei Jahre bedingte Haft und bedingte Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. Teichtmeister nimmt das Urteil an. Rudolf Mayer dürfte triumphieren.
Das ist kein Trick, sondern schlicht und einfach normal und würde in einem solchen Fall jeder gute Anwalt raten. Wenn die Beweise der Staatsanwaltschaft erdrückend sind, ist es sicher nicht ratsam, auf unschuldig zu plädieren.
Urteil: zwei Jahre bedingte Haft und bedingte Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. In Haft muss er nicht.
Unfassbar dieses Urteil …