International
Wetter

«Gott steh uns bei» – mehrere Tote bei gewaltigen Sturzfluten in Italien

«Gott steh uns bei» – mehrere Tote bei gewaltigen Sturzfluten in Italien

Viele Ortschaften in Italien wurden von den Wassermassen schwer getroffen: Vielerorts fällt immer wieder der Strom aus und dutzende Menschen werden vermisst.
16.09.2022, 16:5417.09.2022, 12:23
Mehr «International»

Gewaltige Sturzfluten wälzen sich zwischen Häusern durch die Gassen, Menschen fliehen in Panik auf Dächer und Bäume – aber nicht jeder kann sich retten. Bei verheerenden Überschwemmungen sind in der italienischen Region Marken mindestens neun Menschen ums Leben gekommen.

epa10188143 Aftermath of flash floods caused by an overnight rain bomb, in Senigallia, Ancona province, central Italy, 16 September 2022. At least 10 people died following flash floods and heavy winds ...
Senigallia am 16. September 2022: Die Flutschäden sind enorm, mindestens 10 Menschen sind ums Leben gekommen.Bild: keystone

Vier Menschen wurden zunächst vermisst, wie Feuerwehrsprecher Luca Cari der Deutschen Presse-Agentur am Freitagnachmittag unter Berufung auf die Präfektur der Regionalhauptstadt Ancona sagte. Darunter waren den ersten Erkenntnissen zufolge auch ein achtjähriger Junge und eine 17 Jahre alte Jugendliche.

epa10187652 Aftermath of flash floods caused by the Sanguerone River due to an overnight rain bomb in Sassoferrato, Ancona province, central Italy, 16 September 2022. At least eight people died follow ...
Der Fluss Sanguerone ist nach starken Niederschlägen über die Ufer getreten.Bild: keystone

Regionalpräsident Francesco Acquaroli ersuchte die Regierung in Rom, den Notstand auszurufen. Ministerpräsident Mario Draghi kündigte einen Besuch in den betroffenen Gebieten am Freitagabend an. Nach den Dürre- und Hitzephasen des Frühjahrs und Sommers wurde Italien zuletzt von heftigen Unwettern heimgesucht – so schlimm wie in den Marken an der Adriaküste war es bislang in diesem Jahr aber noch nicht.

«Wir haben hier apokalyptische Zustände», sagte Alessandro Piccini, Bürgermeister des Ortes Cantiano, in einem Radiointerview. Auf Handyvideos liess sich die ganze Naturgewalt erahnen. Autos und Lastwagen wurden mitgerissen, ganze Plätze und Geschäfte verschwanden unter den teils meterhohen Wassermassen. «Es ist alles zerstört», erzählte ein Mann im italienischen Fernsehen und schüttelte den Kopf.

Mud covers clothes in an apartment in Senigallia, Marche region, Italy, Friday Sept. 16, 2022. Floodwaters triggered by heavy rainfall swept through several towns in a hilly region of Marche, central- ...
Eine Wohnung in Senigallia: Die Überschwemmung hat an Infrastruktur und Eigentum viel Schäden hinterlassen. Dutzende Menschen werden noch vermisst. Bild: keystone

Riccardo Pasqualini, der Bürgermeister des Örtchens Barbara, sprach von einer Mutter und deren Tochter im Teenageralter sowie einem Jungen, die vermisst würden. Der Junge sei seiner Mutter von den Wassermassen aus den Armen gerissen worden, als die beiden gerade ihr Auto verlassen wollten, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Die ganze Nacht über versuchten Einsatzkräfte, darunter 180 Feuerwehrleute und Helfer des Zivilschutzes, in den betroffenen Gebieten Leute in Sicherheit zu bringen. Viele, vor allem ältere Personen wurden mit Schlauchbooten gerettet. Die Einwohner der Gemeinden am Fluss Misa wurden aufgefordert, entweder ihre Häuser zu verlassen oder in höher gelegene Stockwerke zu gehen. Mindestens 50 Menschen wurden verletzt, wie Medien am Freitag berichteten.

Der Zivilschutz zählte 700 Einsatzkräfte, die bei der Suche nach den Vermissten oder bei den Aufräumarbeiten halfen. Einige Brücken wurden zerstört und Strassen weggerissen. «Das historische Zentrum unserer Stadt existiert nicht mehr», sagte die Vize-Bürgermeisterin von Cantiano, Natalia Grilli, der Zeitung «La Repubblica». Seit Donnerstag sei der Ort ohne Gas, Strom und Leitungswasser.

Die Gegend wurde vom Unwetter völlig überrascht. «Die Wassermengen waren überwältigend, es war viel schlimmer als vorhergesagt», sagte Italiens Zivilschutzchef Fabio Curcio, der in die Unglücksgegend geeilt war. Nach Monaten der Dürre und Trockenheit waren in rund drei Stunden mehr als 420 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, wie die mittelitalienische Region mitteilte. Das sei so viel Regen, wie in der Gegend normalerweise in einem halben Jahr falle.

epa10187773 Aftermath of flash floods caused by an overnight rain bomb in Pianello di Ostra, Ancona province, central Italy, 16 September 2022. At least 10 people died following flash floods due to ra ...
Pianello di Ostra am 16. September 2022, nachdem die Wassermassen in vielen Ortschaften massive Schäden verursacht haben.Bild: keystone

«Gott steh uns bei», schrieb Barbaras Bürgermeister Pasqualini bei Facebook. Wegen der Schäden fiel vielerorts immer wieder der Strom aus, auch das Telefon- und Mobilfunknetz brach häufig zusammen.

In dem Küstenort Senigallia, der ebenfalls schwer getroffen wurde, bleiben Schulen, Kindergärten, Sportanlagen und andere öffentliche Einrichtungen bis mindestens Samstag geschlossen. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Hochwasser in Venedig (13. November 2019)
1 / 21
Hochwasser in Venedig (13. November 2019)
In der Nacht auf Mittwoch, 13. November 2019, kam es in Venedig zu einem Hochwasser historischen Ausmasses.
quelle: ap / luca bruno
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Der Brüller: Italiener gehen in den USA «italienisch» essen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
17 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
stormcloud
16.09.2022 18:12registriert Juni 2021
Ich fürchte, an solche schrecklichen Bilder werden wir uns gewöhnen müssen. Letztlich kann so ein Starkregenereignis jeden von uns treffen. Auch wenn man in höheren Lagen wohnt, ist das kein Schutz vor Überflutungsschaden. Denn mehrere hundert Liter auf den Quadratmeter in kurzer Zeit verkraftet keine Kanalisation oder Abflussrinne...
Keine schönen Aussichten sind das.
6811
Melden
Zum Kommentar
avatar
Steibocktschingg
16.09.2022 18:28registriert Januar 2018
Schlimm zu lesen, hoffentlich sind die (meisten) Vermissten "nur" nicht erreichbar gewesen...

Was die Heftigkeit des Regens angeht: Nach endloser Trockenheit und mit einem überdurchschnittlich warmen Mittelmeer nicht allzu überraschend, leider. Möglicherweise wird es auch uns treffen diesen Herbst und Winter.
467
Melden
Zum Kommentar
17
Barbecue – wie der haitianische Ex-Polizist zum Anführer wurde, Teil 1
Jimmy «Barbecue» Chérizier ist in Haiti eine berüchtigte Figur, die auch über die Landesgrenzen hinweg immer mehr Schlagzeilen macht. In dieser zweiteiligen Serie werden im ersten Teil sein Aufstieg zur Macht und im zweiten Teil die Motive hinter seinem Kampf genauer beleuchtet.

Liest man dieser Tage etwas über die Lage in Haiti, begegnet man unweigerlich seinem Namen: Barbecue, mit bürgerlichem Namen Jimmy Chérizier. Er soll derzeit einen Grossteil der gesetzlosen haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren. Ein zweifellos mächtiger Mann, dem immer wieder dieselben Dinge nachgesagt werden: verantwortlich für diverse Massaker, isst das Fleisch seiner Feinde, ein brutaler Gangleader.

Zur Story