Nachdem fast zwei Wochen lang der Verdacht im Raum stand, «Kinder»-Schokolade von Ferrero sei für eine Welle von Salmonellen-Ausbrüchen in ganz Europa verantwortlich, wird es für den italienischen Süsswaren-Giganten immer ungemütlicher.
Mittlerweile ist klar, dass sich mindestens 119 Kinder, die meisten davon sind unter zehn Jahre alt, durch «Kinder»-Schoggi aus belgischer Produktion mit dem Bakterium Salmonella typhimurium angesteckt hatten. Hinzu kommen 31 Verdachtsfälle.
Zwar nennt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in ihrem neuen Bericht die Marke «Kinder» nicht explizit. Doch die Formulierungen der Ermittler sind eindeutig. Die Lebensmittelaufseher haben Interviews durchgeführt und sind zum Schluss gekommen, dass 88 von 101 befragten Infizierten «Schokoladeneier mit Spielzeugüberraschungen» und «kleine oval geformte Schokoladenpralinen» aus einer belgischen Fabrik gegessen hatten. Das betroffene «Kinder»-Werk im belgischen Arlon haben die lokalen Behörden mittlerweile geschlossen.
Die europäische Lebensmittelaufsicht konnte die Spur der Salmonellen-Infektionen zurückverfolgen. Dabei zeigt sich, dass die meisten Ausbrüche bei Kindern in neun europäischen Ländern mit dem Typ eines Erregers übereinstimmten, der am 15. Dezember in der belgischen ««Kinder»-Fabrik in zwei Buttermilchtanks gefunden worden war. Ferrero stoppte damals die Produktion, zerstörte ein betroffenes Halbfabrikat und sonderte möglicherweise betroffene Überraschungseier und Schokobons in einem separaten Lager ab. Danach führte das Unternehmen mikrobiologische Tests durch, die negativ ausfielen. Nach einer internen Untersuchung gab Ferrero diese «Kinder»-Schokoladen für den Markt frei.
Als am 11. Januar erneut Salmonellen in Buttermilchtanks gefunden wurden, stoppte Ferrero die Produktion erneut, liess die gesamte Butterproduktionsanlage durch eine externe Firma abbauen und reinigen. Als in anderen Ländern, zuerst im Vereinigten Königreich, Verdachtsfälle mit Salmonellen-Infektionen aufgetaucht waren und Anfang April Ferrero für Belgien einen Rückruf veranlasste, schritten die belgischen Behörden ein, weil sie dem Krisenmanagement von Ferrero nicht mehr trauten. Da Ferrero nicht für die Sicherheit ihrer Produkte garantieren könne, entziehe man dem Unternehmen die Produktionslizenz. Mittlerweile ermittelt die belgische Staatsanwaltschaft.
Wie genau die kontaminierte «Kinder»-Schoggi trotz zweimaliger Salmonellen-Funde im Dezember und im Januar in die Hände von Eltern und Kindern gelangen konnte, ist weiterhin nicht abschliessend geklärt. Die EU-Aufsicht ermittelt weiter, um die genaue Ursache und allenfalls weiter kontaminierte Rohmaterialien in anderen Fabriken zu finden.
Der EU-Bericht zeigt deutlich, welche weitreichenden Folgen eine Salmonellen-Infektion bei Kindern haben kann. Rund die Hälfte der infizierten Kinder musste ins Spital eingeliefert werden. Am meisten traf es Kinder aus Grossbritannien. Dort meldeten die Behörden 65 Fälle, danach folgt Frankreich und Irland.
Die EU-Lebensmittelaufsicht spricht von einer «hohen Hospitalisationsrate» und stellt fest, dass gerade die betroffenen Überraschungseier oder Schokobons an Ostern oft von Kindern gegessen würden, was die Rückrufaktion rechtfertige. «Es ist wahrscheinlich, dass Fälle in anderen Ländern bisher wegen fehlender Kapazität bei der Sequenzierung unentdeckt geblieben sind.»
Derweil schweigt das italienische Traditionsunternehmen, das im vergangenen Jahr weltweit fast 13 Milliarden Euro umgesetzt hat. Zu den neuen Erkenntnissen der EU-Ermittler hat sich Ferrero bisher nicht geäussert.
Diese Strategie des Aussitzens könnte sich rächen und letztlich der gesamten Branche schaden. Thomas Brunner, Professor für Konsumentenverhalten an der Berner Fachhochschule, sagte gegenüber CH Media: «Es könnte der Verdacht aufkommen, dass das, was bei Ferrero passiert ist, auch bei anderen Branchengrössen möglich sein könnte.» Und er nennt einen weiteren Knackpunkt für das Unternehmen: «Da das Ereignis mit Ostern zusammenfällt und so assoziiert wird, könnten auch nächstes Jahr an Ostern bei Konsumentinnen und Konsumenten eventuell Erinnerungen wachgerufen werden.»
Eine durch Salmonellen ausgelöste Infektion (Salmonellose) zählt laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zu den «klassischen» Lebensmittelinfektionen. Wer sich infiziert, für den hat der Kontakt mit dem Bakterium äusserst unangenehme Folgen: Sechs bis 72 Stunden nach dem Konsum setzen abrupter Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit und Fieber ein. Meist klingen die Symptome aber dann wieder ab. In einigen Fällen sind Antibiotika nötig.
Gerade für Kleinkinder kann ein grosser Wasserverlust durch eine Infektion «schnell gefährlich werden», hält das Bundesamt fest, weil es zu einem Schock kommen könne. «Es ist deshalb wichtig, für eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Mineralsalzen zu sorgen.» (aargauerzeitung.ch)
Kranke Kinder, dass geht gar nicht...
Ich denke, die Produkte liegen jetzt wie Blei in den Regalen. Zu Recht, wie sich gezeigt hat.
Der Name Ferrero wird (!) Schaden nehmen, wieviel hängt von der Vergesslichkeit der Konsumenten ab.