Die US-Onlinebranche steht vor einem beispiellosen Skandal: Frühere Manager des Online-Auktionshauses Ebay stehen unter Verdacht, Kritiker in Mafiamanier über Wochen terrorisiert zu haben. Der frühere Konzernchef für Sicherheit und ein ihm direkt unterstellter Manager wurden festgenommen, sind aber nicht alleine in den Vorfall verstrickt.
Auf dem US-Blog ecommercebytes.com fanden sich am Montagabend deutscher Zeit zwei Pressemitteilungen – und die hatten es in sich. Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft dokumentiert, dass Mitarbeiter des Onlinehändlers den Blogbetreibern Ina und David Steiner systematisch das Leben zur Hölle gemacht haben sollen. Ebay räumt das in einer Erklärung ein.
Das Motiv: Die Steiners betreiben seit fast 20 Jahren mit ecommercebytes einen der wichtigsten Blogs in den USA über das Thema Onlinehandel. Dort berichteten sie offenbar nicht so, wie die Ebay-Cheftage das wollte. Und die Blogger gaben nicht die Daten zu Nutzern heraus, die unter Artikeln und auf Twitter Ebay und seine Händler attackierten. Jetzt sind die Mitarbeiter des Ebay-Teams wegen Cyberstalkings angeklagt worden. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Am 1. August 2019 war die Chefetage von Ebay offenbar am Ende der Geduld mit den Berichten im Blog. Nur eine halbe Stunde nach dem Erscheinen eines neuen Textes wurde ein Vorstandsmitglied aktiv. Im Ermittlungsbericht, der t-online.de vorliegt, findet sich ein Chatverlauf, in dem es um die Autorin geht. Er endet mit den Worten: «Sie ist ein voreingenommener Troll, der völlig verbrannt werden muss!»
Ein sechsköpfiges Team um den damaligen Leiter der Abteilung «Safety & Security» soll danach einen Plan mit drei Stufen beschlossen haben: Das Paar mit unerwünschten Lieferungen zu terrorisieren, es in sozialen Netzwerken zu beleidigen und zu drohen private Daten zu veröffentlichen. In der letzten Phase, die vorsah, das Paar zu bespitzeln und bei ihm einzubrechen, flog das Team auf.
Zuvor hatten die Journalistin und ihr Mann einiges durchmachen müssen. Die Post brachte ihnen ekelhafte und verstörende Sendungen. Laut Ermittlern wurden die Steiners unter anderen mit lebenden Kakerlaken und Spinnen beliefert, mit einem Trauerkranz, einem Buch über den Tod des Ehepartners und einem konservierten Schweinefötus.
Pornografisches Material für die Steiners, das sie nicht bestellt hatten, wurde zudem bei den Nachbarn abgegeben. Die Ebay-Mitarbeiter besorgten sich für diese Lieferungen neue Handys und Computer, bestellten über verschlüsselte Kanäle und zahlten mit Prepaid-Karten.
Den Vorwürfen zufolge bedrohten sie mit falschen Twitter-Profilen die Steiners und kündigten die Veröffentlichung privater Daten wie auch ihrer Adresse an. Tatsächlich tauchten auch Kleinanzeigen auf, in denen eine Party und eine Wohnungsauflösung unter der entsprechenden Adresse angekündigt wurden. In den Direktnachrichten, die Teil des Ermittlungsberichts sind, wurde auch hämisch Bezug auf die Lieferungen genommen und gefordert, mit den Berichten aufzuhören, denn: sie zerstörten Existenzen.
Der damalige Senior Director für Safety & Security soll auch geplant haben, in die Garage des Paars einzubrechen und einen Sender am Auto anzubringen. Die Steiners waren aber aufmerksam. Tatsächlich drehten sie fast durch, vermuteten hinter jedem zweiten Auto die unbekannten Stalker und riefen ständig die Polizei, wie das Ebay-Team festhielt. Es machte unbeeindruckt weiter. Die Polizei kam den Stalkern aber durch Buchungen und Käufe im Wohnort des Paares auf die Spur, Chats auf Firmenhandys belasteten die mutmasslichen Täter zudem schwer.
Zuvor hatte Ebay den Ermittlern die volle Kooperation zugesagt, Mitarbeiter löschten aber Daten und legten falsche Spuren. In einem WhatsApp-Chat schrieb einer der Verschwörer: «Ich werde darauf setzen, dass Ebay ein riesiges Unternehmen ist und kein Interesse an den Steiners hat. Die Idee, wir würden ihnen Scheisse ins Haus schicken, ist lächerlich.»
War sie nicht. Im September 2019 mussten die sechs Mitarbeiter von Ebay gehen. Die Aktion kostete auch Ebays Pressechef und den damaligen CEO Devin Wenig ihre Jobs. Wenig trat überraschend zurück. Ebay erklärt nun, der Unternehmensboss habe von dem Vorgehen nichts gewusst, seine Nachrichten in der Sache seien aber unangemessen gewesen. In der Erklärung heisst es: «eBay entschuldigt sich bei den Betroffenen und bedauert, dass sie davon betroffen waren.»
Ich hoffe mal das Paar kann auf eine dicke Entschädigung hoffen.