Rund 50-mal hat Donald Trump grossmäulig Zölle verkündet und dann wieder aufs Eis gelegt. Ein ganzer Strauss von Begründungen hat diese Ankündigungen jeweils begleitet: Schutz vor der Droge Fentanyl, Schutz von Arbeitsplätzen, unfaire Handelspraktiken der anderen und Zolleinnahmen in so grosser Höhe, dass damit die horrenden Staatsschulden der USA getilgt werden können.
Das Hin und Her der Trump’schen Zollpolitik war begleitet von einem Auf und Ab an den Finanzmärkten. Die Ankündigung neuer Zölle löst jeweils Abstürze an den Aktienmärkten aus, die bei Widerruf postwendend wieder kompensiert werden.
Robert Armstrong, einem Kolumnisten der «Financial Times», wurde dieses Treiben schliesslich zu bunt. Er forderte die Investoren auf, dieses Affentheater nicht länger mitzumachen und kreierte die Abkürzung TACO. Sie steht für «Trump Always Chickens Out», gut deutsch: Trump zieht immer den Schwanz ein.
Das Kürzel TACO ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Inzwischen ist das Internet überschwemmt mit Memes, die Trump in den verschiedensten Hühner-Varianten zeigen. Der Präsident hat sich einmal mehr zur Lachnummer gemacht. Er selbst findet es jedoch überhaupt nicht lustig. Als ihn ein Journalist auf TACO ansprach, flippte er aus. «Ich ziehe nicht den Schwanz ein, ich verhandle», donnerte er.
Wie auch immer, ob Trump den Schwanz einzieht oder die Kunst des Deals zelebriert, Tatsache bleibt, dass derzeit in der Zoll-Frage ein heilloses Chaos herrscht. Weil in den USA letztlich alles von einem Gericht entschieden wird, haben sich inzwischen auch die Richter eingeschaltet.
Zuerst hat das Handelsgericht die Zölle des Präsidenten für verfassungswidrig erklärt und die Regierung aufgefordert, sie umgehend wieder ausser Kraft zu setzen. Das Weisse Haus reagierte umgehend mit wütenden Protesten und Verunglimpfungen von marxistischen Richtern, die ausser Kontrolle geraten seien. Dumm bloss, dass einer der drei betreffenden Richter von Trump selbst ernannt worden war, ein zweiter von Ronald Reagan und nur einer von Barack Obama.
Das Weisse Haus hat nicht nur getobt, es hat auch sofort Berufung eingelegt und damit teilweise Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat nämlich entschieden, dass die Zölle bis auf Weiteres in Kraft bleiben dürfen, dass die Regierung jedoch weitere Begründungen einreichen müsse.
Gemäss Verfassung ist der Kongress grundsätzlich zuständig für die Festlegung der Zölle. Ein Gesetz aus den Siebzigerjahren, der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA), verleiht dem Präsidenten jedoch die Autorität, in Notfällen eigenmächtig Zölle zu erlassen. Trump hat die Fentanyl-Epidemie als Anlass und Begründung für seine Zölle genommen. Zu Unrecht, wie nun das Handelsgericht entschieden hat.
Wie das Berufungsgericht entscheiden wird, steht in den Sternen. Allgemein wird erwartet, dass das letzte Wort vom Supreme Court gesprochen werden muss. Dort besitzen die Konservativen eine Mehrheit von sechs zu drei Richtern. Trotzdem kann die Regierung sich nicht darauf verlassen, dass diese zu ihren Gunsten entschieden werden.
Deshalb prüft das Weisse Haus bereits, wie die Zölle auf andere Art und Weise aufrechterhalten werden können. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten; selbst der ominöse Smoot-Hawley Tariff Act, ein Gesetz, das 1930 erlassen wurde und massgebend Schuld an der Grossen Depression war, könnte wieder aktiviert werden.
«Mr. Trump wäre gut beraten, sich dem Entscheid des Handelsgerichtes zu beugen und es als politisches Geschenk zu betrachten, das ihm erlaubt, die unselige Obsession mit Zöllen endlich abzulegen», rät das «Wall Street Journal». Der Präsident wird diesem Rat nicht folgen. Einer seiner Wirtschaftsberater, Peter Navarro, bestätigt, dass Alternativen erwogen werden, wie die Zollpolitik aufrechterhalten werden kann.
Kevin Hassett, ein weiterer Wirtschaftsberater, erklärt derweil, dass die 90 Verhandlungen bezüglich «reziproker Zölle» weitergehen. «Eigentlich hat sich nichts verändert», so Hassett weiter. Eine sehr rosige Sicht der Dinge. «Nach mehr als vier Monaten hat Trump seine Zoll-Strategie in eine Sackgasse manövriert», stellt David Lynch in der «Washington Post» fest. «Sollte die Berufung fehlschlagen, hat die Regierung zwar andere Möglichkeiten, Zölle zu erlassen, doch diese sind weit zeitraubender. Zudem hat die anhaltende Unsicherheit sowohl diplomatische als auch kommerzielle Folgen.»
Unter diesen Folgen leiden die Unternehmen. Gemäss Angaben des Bureau of Economic Analysis sind die Unternehmensgewinne wegen Trumps erratischer Zollpolitik im ersten Quartal bereits um 118 Milliarden Dollar geschrumpft. Die Aussichten bleiben düster. «Die Gerichtsurteile garantieren, dass die Unsicherheit bis auf Weiteres bestehen bleibt», erklärt Jake Colvin, Präsident des National Foreign Trade Council.
Das Mass an Unsicherheit nimmt laufend zu. So haben findige Analysten soeben entdeckt, dass in Trumps «grossem und schönem Gesetz», welches das Abgeordnetenhaus verabschiedet hat, eine Zeitbombe tickt. Sektion 899 der rund 1000 Seiten umfassenden Vorlage erlaubt der Regierung, ausländischen Investoren zusätzliche Zölle aufzubürden, falls sie es für nötig befindet. «Section 899 ist toxisch und ein möglicher Game-Changer für ausländische Investoren», erklärt daher Larson Gross, ein Steuerexperte, in der «Financial Times».
So lustig die Hühner-Memes auch sein mögen: Die Kombination einer chaotischen Zollpolitik mit der «big beautiful bill», einer Gesetzesvorlage, die voraussichtlich das jährliche Staatsdefizit um rund drei Billionen (mit einem B) Dollar erhöhen wird, schreckt die Fachleute auf. So schreibt Edward Luce in der «Financial Times»:
«Während die roten Zahlen aus Washington eintrudeln, entfesselt Trump auch einen Wilden Westen in der Krypto-Welt, der künstlichen Intelligenz und teilweise auch im Banksystem. Die Anzeichen für eine globale Finanzkrise müssen deshalb ernst genommen werden.»
Er zieht den Schwanz ein. Denn die Kunst des "Deals" beherrscht er nicht. Sein Ghostwriter von seinem Buch "The Art of the Deal" hat selbst bestätigt, dass Trump seine eigene Tipps im Buch nicht befolgt.
Hinzu kommt noch eine Menge Inkompetenz und Egoismus dazu.
Ob Trump der Auslöser dafür sein wird oder nicht - er wird so oder so als inkompetentester und destruktivster Präsident aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen.
Was Navarro betrifft, der sollte sich schon lange in Therapie befinden mit seinen Hirngespinsten.