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Mehr als 10'000 europäische Hotels klagen gegen Booking.com

Dhaka, Bangladesh- 05 March 2025: Booking.com logo is displayed on a smartphone screen, with the booking.com website visible on a computer screen in the background. Dhaka, Bangladesh- 05 March 2025: B ...
Im Visier: Booking.com soll den Hotels Schadenersatz für die letzten 20 Jahre leisten.Bild: www.imago-images.de

Mehr als 10'000 europäische Hotels klagen gegen Booking.com

Mehr als 10'000 Hotels fordern Schadenersatz von Booking.com. Die Betriebe werfen dem weltgrössten Hotelbuchungsportal vor, sie über Jahre daran gehindert zu haben, günstigere Direktpreise anzubieten.
04.08.2025, 05:1004.08.2025, 16:08
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Die Initiative wird von der europäischen Hotelallianz Hotrec und über 30 nationalen Verbänden unterstützt. Koordiniert wird sie von der Stiftung Hotel Claims Alliance, wie Hotrec mitteilte. Die Organisatoren sprechen von einer der grössten juristischen Auseinandersetzungen der Branche.

Was Hotels vorwerfen

Im Zentrum stehen sogenannte Bestpreisklauseln. Diese verpflichteten Hotels lange Zeit, ihre Zimmer auf Booking.com nicht günstiger anzubieten als auf anderen Kanälen - auch nicht auf der eigenen Website. Aus Sicht der Hotelverbände haben solche Klauseln die Preishoheit der Betriebe beschnitten, den Wettbewerb eingeschränkt und Direktbuchungen verdrängt. «Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und Wiedergutmachung zu fordern», sagte der Generaldirektor des italienischen Verbands Federalberghi, Alessandro Nucara.

Booking.com hingegen widerspricht - inhaltlich wie formal. Zum einen bestreitet das Unternehmen, bislang eine offizielle Klage erhalten zu haben. «Es handelt sich um eine Ankündigung von Hotrec, nicht um eine eingereichte Sammelklage», teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. Zum anderen weist Booking.com zentrale rechtliche Argumente der Hotelverbände zurück - insbesondere die Auslegung eines EuGH-Urteils vom September 2024.

Die Schadenersatzforderungen der Sammelklage beziehen sich laut Hotrec auf den Zeitraum von 2004 bis 2024. Die Teilnahme sei für Hotels kostenfrei und risikolos. «Die Sammelklage erfährt einen überwältigenden Zuspruch», sagte IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe. Wegen der grossen Resonanz sei die Anmeldefrist bis zum 29. August verlängert worden.

Was der EuGH entschied

Die Hotelverbände stützen ihre Forderungen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2024. Darin stellte der EuGH klar, dass Preisbindungsklauseln grundsätzlich gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstossen können, abschliessend klären muss den Fall aber ein Amsterdamer Gericht. Eine generelle Zulässigkeit solcher Klauseln lehnten die Richter am EuGH ab - und stärkten damit vielen Hotels den Rücken.

Booking.com teilt weiter mit, die Plattform sei für Hotels ein freiwilliger Vertriebskanal. «Jeder unserer Unterkunftspartner kann seine Vertriebs- und Preisstrategie frei gestalten und seine Zimmer überall anbieten, wo er möchte.» Man unterstütze Hotels mit Marketing, Technologie und globaler Sichtbarkeit, darin liege der Mehrwert.

Deutschland ging voran

Die Debatte um Bestpreisklauseln ist nicht neu. In Deutschland untersagte das Bundeskartellamt bereits 2013 dem Anbieter HRS die Praxis. 2015 folgten Verfahren gegen Booking.com und Expedia. Und 2021 entschied auch der Bundesgerichtshof, dass Bestpreisklauseln von Booking.com nicht mit dem Kartellrecht vereinbar seien.

Eine Anekdote veranschaulicht, wie die Diskussion damals ins Rollen kam: Als Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in einem Hotel am Chiemsee eine zusätzliche Nacht buchen wollte, verlangte die Rezeption mehr Geld als für die Onlinebuchung. Begründung: Der günstigste Preis darf laut Vertrag nur über das Portal angeboten werden. Wieder zurück in Bonn nahm sich die Behörde die Klauseln vor - mit weitreichenden Folgen.

Seitdem gilt in Deutschland ein anderes Wettbewerbsumfeld. «Wettbewerb auf dem Markt der Ferienunterkünfte ist für Reisende gut, weil er die Vielfalt des Deutschlandtourismus abbildet und im Ergebnis zu günstigeren Preisen führt», sagte Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV). Plattformen brächten für Anbieter und Gäste viele Vorteile: «Wichtig ist, dass der Wettbewerb funktioniert und die Regeln für alle gelten.»

Marktmacht bleibt ein Streitpunkt

Ein weiterer Kritikpunkt der Hotellerie ist die Marktmacht grosser Plattformen. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis wurden 2023 europaweit 29,1?Prozent aller Übernachtungen über Online-Buchungsportale (OTAs) abgewickelt. Innerhalb dieses Segments hält die Booking Holdings laut Studie einen Marktanteil von 71?Prozent - in Deutschland 72,3?Prozent. Booking.com verweist dagegen darauf, dass Direktbuchungen mit 50,9?Prozent weiterhin den grössten Anteil am Gesamtmarkt ausmachen. (awp/sda/dpa)

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Raki
04.08.2025 06:17registriert Januar 2024
Mit den Hotels konnte man eigentlich nahezu immer direkt verhandeln, bzw es gab oft Rabatt, wenn man sie direkt angeschrieben oder auf der eigenen Page gebucht hat. Also so hilflos wie sich die Hoteliers hier geben und in den Opfer-Modus verfallen, waren sie nie wirklich. Wenn man bei Booking was kritisieren sollte, dann ist es das versteckte regional pricing, wo je nach IP und Spracheinstellungen plötzlich andere Zimmerpreise für das exakt gleiche Zimmer aufpoppen.
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Mira Bond
04.08.2025 07:30registriert Oktober 2016
Ich verstehe die Kritik, doch die Hotels haben auch massiv von Booking.com profitiert: noch nie war das Buchen eines Hotels so einfach und die Bewertungen haben schlussendlich auch auf Misstände in vielen Hotels aufmerksam gemacht. Seit ich dort buche war ich sehr selten enttäuscht von meiner Auswahl…davor war das oft der Fall…
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Oliver01
04.08.2025 07:18registriert Februar 2023
Und doch waren alle froh, erhielten sie eine Plattform, um sich weltweit sichtbar zu machen.

Gut, die Kommissionen sind hoch, es ist jedoch freiwillig, dort mitzumachen. aber auf andere Anbieter ausweichen will man trotzdem nicht.

Und noch etwas: rufe ich bei einem Hotel direkt an erhalte ich meistens keinen Rabatt für die Direktbuchung. Und der ganze Ablauf ist aufwändiger. Darum bucht man bei Booking.com. Da ist alles im selben Tool gespeichert, abrufbar, man wird erinnert, das Bezahlen klappt. Das ist der riesige Vorteil für den Reisenden. Und gratis ist das für das Hotel nicht.
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