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Klimawandel und Gazakrieg: So stark sind die Auswirkungen

People walk amidst the destruction caused by the Israeli air and ground offensive in Rafah, southern Gaza Strip, Monday, Feb. 24, 2025. (AP Photo/Jehad Alshrafi)
Die Zerstörungen im Gazastreifen wirken sich auch negativ auf das Klima aus, wie eine neue Studie zeigt.Bild: keystone

So stark sind die Auswirkungen des Gaza-Krieges auf das Klima

Eine neue Studie zeigt: Die Klimakosten des Gazakrieges sind höher als die CO₂-Emissionen von Costa Rica und Estland zusammen.
30.05.2025, 16:54
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Die Zerstörung, Räumung und der Wiederaufbau im Gazastreifen können langfristig bis zu 31 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verursachen. Zum Vergleich: Das ist mehr, als Costa Rica und Estland 2023 zusammen an Treibhausgasemissionen verursacht haben. Dies zeigt eine neue Studie, die dem «Guardian» vorliegt.

Aufladen von 2,6 Milliarden Smartphones

Die Studie, die derzeit von der Fachzeitschrift «One Earth» noch begutachtet wird, kommt zum Schluss: Mehr als 99 Prozent der fast 1,89 Mio. Tonnen CO₂, die schätzungsweise zwischen dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 und dem vorübergehenden Waffenstillstand im Januar 2025 erzeugt wurden, sind auf Israels Luftangriffe und die Bodeninvasion in Gaza zurückzuführen.

Bunkertreibstoff und Raketen der Hamas verursachen etwa 3000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente, was 0,2 Prozent der gesamten direkten Konfliktemissionen entspricht. 50 Prozent werden durch die Lieferung und den Einsatz von Waffen, Panzern und anderen Kampfmitteln durch das israelische Militär (IDF) verursacht, so die Studie.

Insgesamt schätzen die Forschenden, dass die langfristigen Klimakosten der militärischen Zerstörung Israels im Gazastreifen – und der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen mit dem Jemen, dem Iran und dem Libanon – dem Aufladen von 2,6 Milliarden Smartphones oder dem Betrieb von 84 Gaskraftwerken über ein Jahr entsprechen. In dieser Zahl sind auch die geschätzten 557'359 Tonnen CO₂-Äquivalente enthalten, die durch den Bau des Hamas-Tunnelnetzes und der israelischen «Iron Dome» entstanden sind.

Grösster Kostenpunkt: Wiederaufbau des Gazastreifens

Die grössten Klimakosten werden laut der Studie jedoch durch den Wiederaufbau des Gazastreifens entstehen.

Schätzungsweise 60 Millionen Tonnen giftige Trümmer müssen abtransportiert werden. Die CO₂-Kosten für jenen Transport und den anschliessenden Wiederaufbau von 436'000 Wohnungen, 700 Schulen, Moscheen, Kliniken, Regierungs- und anderen Gebäuden sowie von 5 Kilometer Strassen in Gaza werden laut der Studie schätzungsweise 29,4 Millionen Tonnen CO₂ erzeugen. Als Vergleich: Dies entspricht den gesamten Emissionen Afghanistans im Jahr 2023.

«Dieser Krieg in Gaza zeigt, dass die Zahlen erheblich sind, grösser als die gesamten Treibhausgasemissionen vieler ganzer Länder, und dass sie für genaue Klimaschutzziele berücksichtigt werden müssen», sagte Frederick Otu-Larbi, Mitautor der Studie und Dozent an der Universität für Energie und natürliche Ressourcen in Ghana.

An aerial photograph taken by a drone shows the destruction caused by the Israeli air and ground offensive in Jabaliya, Gaza Strip, on Sunday, Feb. 16, 2025. (AP Photo/Mohammad Abu Samra)
Ein von einer Drohne aufgenommenes Luftbild zeigt die durch die israelische Luft- und Bodenoffensive verursachten Zerstörungen in Jabaliya, Gazastreifen.Bild: keystone

Das Budget des israelischen Militärs stieg 2024 auf 46,5 Milliarden US-Dollar – laut dem Stockholm International Peace Research Institute sei das der grösste Anstieg weltweit. Nach der Methode der Beobachtungsstelle für Konflikte und Umwelt (CEOBS) stiegen Israels militärische Basisemissionen somit im vergangenen Jahr – ohne die direkten Klimakosten des Konflikts und des Wiederaufbaus – auf 6,5 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Das ist mehr als der gesamte CO₂-Fussabdruck von Eritrea, einem Land mit 3,5 Millionen Einwohnern, wie der «Guardian» berechnet.

Reaktionen

Astrid Puentes, UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt, sieht in der Studie eine weitere Dringlichkeit, den Krieg in Gaza zu stoppen. Weiter sagt sie:

«Unabhängig davon, ob die Staaten darin übereinstimmen, es [den Gaza-Krieg] als Völkermord zu bezeichnen, hat das, was wir erleben, schwerwiegende Auswirkungen auf das gesamte Leben im Gazastreifen und bedroht auch die Menschenrechte in der Region und sogar die weltweite Verschärfung des Klimawandels.»

Hadeel Ikhmais, Leiter des Büros für Klimawandel bei der palästinensischen Behörde für Umweltqualität, sagt gegenüber dem «Guardian»:

«Kriege töten nicht nur Menschen, sondern setzen auch giftige Chemikalien frei, verschmutzen Boden, Luft und Wasserressourcen und beschleunigen Umweltkatastrophen.»

Nach den geltenden UN-Regeln ist die Meldung militärischer Emissionsdaten freiwillig und auf den Treibstoffverbrauch beschränkt, obwohl die Klimakosten der Zerstörung des Gazastreifens weltweit zu spüren sein werden. Weder die IDF noch die Hamas haben Emissionsdaten an die UN gemeldet.

Diese Nichterfassung von CO₂-Emissionen würde ein «schwarzes Loch» in der Rechenschaftspflicht bilden. Es würde den Regierungen ermöglichen, ihren «Umweltverbrechen» zu entkommen, so Ikhmais.

(les)

Zur Studie
Die vom Social Science Research Network veröffentlichte Studie ist die dritte und umfassendste Analyse eines Teams von Forschenden aus dem Vereinigten Königreich und den USA zu den Klimakosten der ersten 15 Monate des Gaza-Krieges. Die Studie basiert auf einer sich entwickelnden Methodik, die als Scope-3+-Rahmen bekannt ist und darauf abzielt, direkte und indirekte Kriegsemissionen zu erfassen. Dazu können Bodendegradation, Brände, Infrastrukturschäden, Vertreibung von Menschen, Hilfsgüter, Umleitung von Frachtschiffen und zivile Luftfahrt gehören. Die Forschenden stützten sich auf frei zugängliche Informationen, Medienberichte und Daten von unabhängigen Hilfsorganisationen wie den UN. Hier geht's zur Studie.
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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Statler
30.05.2025 17:27registriert März 2014
So interessant das sein mag - das ist wirklich das kleinste Problem mit diesem Krieg.
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Esther R.
30.05.2025 18:21registriert November 2018
Studie: Wie schlecht ist Krieg für die Umwelt?
Antwort: sehr schlecht.
Duh 🙄
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NathanBiel
30.05.2025 18:26registriert September 2015
Wenn ich das Bild so anschaue , dann beschleicht mich eine Gefühl das ich sowas schon mal auf Bildern gesehen habe. 1939-1945 vielleicht?
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