Hillarys Sieg wäre schön gewesen. Auf eine abstrakte Art schön. Er hätte wenig mit Charisma zu tun gehabt, aber viel mit einem kompetent durchgeführten Struktur- und Kulturwandel, der vor acht Jahren durch Barack Obama eröffnet wurde. Der Weg weg vom weissen Mann.
Doch genau dies hat sie nun den Sieg gekostet. Sie verlor nicht, weil sie eine Frau ist. Sondern weil Obama ein Schwarzer ist. Weil vielen weissen Männern acht Jahre unter einem «symbolisch» bedeutsamen Präsidenten genügten, wie es der Vorsitzende der National Rifle Association einmal zusammenfasste. Es war an der Zeit, die alte Ordnung wieder herzustellen.
Immerhin hat eine überragende Mehrheit der Millennials Hillary Clinton gewählt. Das ist grossartig, das zeigt eine Unvoreingenommenheit und Furchtlosigkeit des jungen Amerikas. Aber nur des jungen.
Here are the election results if only millennials voted... Wow 😳 pic.twitter.com/6oVdIlxi4n
— WORLDSTARHIPHOP (@WORLDSTAR) 9. November 2016
Menschen über 45 haben Trump gewählt. Verheiratete haben Trump gewählt. 63 Prozent der weissen Männer, aber auch 53 Prozent der weissen Frauen waren für Trump. Die Einkommensschwächsten wählten Clinton. Die frustrierte, verschuldete, sich von der Wall Street verarscht fühlende Mittelklasse und die Reichen wählten Trump. Weisse Frauen mit Hochschul-Abschluss wählten Clinton. Weisse Männer wählten durch alle Bildungsschichten hindurch eher Trump.
this is the map if only people of color voted.
— Wilfred Chan (@wilfredchan) 9. November 2016
white folks. sincerely. you have work to do. pic.twitter.com/xBj5onkReh
Die weisse Mittelklasse, die je nach Definition bis zu 66 Prozent der Hauhalte in den USA umfasst, auf jeden Fall also die Mehrheit, die wählte Trump. Denn die Mehrheit fühlte sich minderwertig. Samt ihren Frauen. Diese betrachteten Trumps Pussygrabschertum als vernachlässigbares Übel angesichts seiner Versprechen von wirtschaftlichem Aufschwung und einer Rückeroberung des amerikanischen Traums.
Ist das erstaunlich? Nein. Klasse gewinnt über Geschlecht und Rasse. Die Klasse ist der gemeinsame Nenner, auf den sich eine Bevölkerung einigen kann. Und die Klasse der Verlierer hat diese Wahl gewonnen. Das ist, auf eine abstrakte Art, sogar fair.
Und jetzt? Sollen wir Frauen, die wir auf Hillary setzten, uns stundenlang weinend auf dem Boden wälzen und unser Facebookprofil einschwärzen? Sollen Amerikas Frauen, Homosexuelle, Schwarze, Muslime, Kranke und Behinderte «sich aneinander festhalten», wie der «Guardian» vorschlägt, und sich in einer tränenseligen Nestwärme vor der Apokalypse in Schutz bringen? Okay, vielleicht für eine Viertelstunde.
world will never be the same. I feel Sad for the young.🚽will never be more than the toilet, I’ve used as a symbol 4 Him.
— Cher (@cher) 9. November 2016
U Can’t Polish 💩
Dann muss die Sprachlosigkeit ein Ende haben. Dann gilt es zu arbeiten. Gilt, die eigene, privilegierte Blase zum Platzen zu bringen. Dialoge zu suchen. Grenzen zu sprengen. Seine Wohlfühlzone zu verlassen. To face the facts. Gut möglich, dass dies noch mehr schmerzt als Hillary Clintons Niederlage. Und ja, Rebellion macht müde. Todmüde. Alles scheisse.
Trotzdem wird
die Welt jetzt nicht untergehen . Der Feminismus ist nicht tot und wird auch nicht abgeschafft, auch wenn er sich aktuell in einer Schockstarre befindet. Von Donald Trump kann er nur lernen: die Dreistigkeit, die Rhetorik der Schlichtheit, die irgendwann eine Realität schafft, die Schamlosigkeit, die Arroganz, die Strassentauglichkeit.Erschwerend ist allerdings, dass der amerikanische Traum, den Trump so polternd vor sich herträgt, ein Traum aus lauter Männermythen ist. Aus Eroberern und Siedlern. Cowboys, Easy Riders, Rangers, Base- und Basketball-Stars. Aus Soldaten, Astronauten, Ölmagnaten und Präsidenten. Für die Frauen gibt es was? Den übersexten Cheerleader und seine turbokapitalistische Schwester Ivanka Trump?
Vielleicht lässt sich Ivanka ja irgendwann noch irgendwas abgewinnen. Bis jetzt ist sie bloss das neue Lieblingsgesicht, das sich die Amerikanerinnen – auch Demokratinnen – beim Schönheitschirurgen bestellen.
Wieder typisch und vereinfachend uns für alles Schlechte auf diesem Planeten die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Frauen haben sich ebenso für Trump entschieden. Vielleicht hätten die priviligierten Feministinnen mal ihren Lehnstuhl in San Francisco oder New York verlaßen sollen und sich die Probleme im Rust Belt anschauen können? Aber nein, dort sind ja die bösen weißen Männer. Die Generation, die heute gewählt hat, war einmal die Hippie-Generation. Ich würde nicht zu sehr darauf hoffen, daß die Millenials gleich wählen in 30 Jahren.