Ratet mal, was noch schlimmer ist als Polterabend?
Machen wir es kurz. Meine Freundin Nicole hat nun ihre Jugendliebe Roger geheiratet. Ich kenne Nicole schon sehr lange und habe Nicole auch schon sehr lange gerne.
So gerne, dass ich sogar Teil ihres unsäglichen Polterabends war.
Nun ist es so, dass Nicole und Roger nach dem Ja-Wort noch eine frohe Kunde hatten. Sie sind schwanger, liessen die frisch Vermählten verlauten und alle heulten.
Nur ich regte mich ein bisschen auf. Ein Paar ist doch nicht schwanger. Eine Frau ist schwanger. Aber darum geht es hier nicht.
Hier geht es um Nicoles Babyshower. Die mal wieder von Claudia, ihrer doofen Schwester, organisiert wurde. Wieder lande ich in einer WhatsApp-Gruppe, in der ich aufgefordert werde, einen Betrag für ein Geschenk zu twinten, das ich scheisse finde. Ich werde Nicole garantiert keine Windeltorte schenken. Genauso wenig wie selbst bemalte Bodys oder «Mama is the Best»-Nuggis.
Also enthalte ich mich meiner Stimme und mute die Gruppe. Was zu 12 Anrufen in Abwesenheit führt. Von Claudia. Ich schreibe, ich sei an einer mehrtägigen Tagung (Haha!) und kann nur schlecht telefonieren. Sie antwortet, dass sie von mir noch kein Geld bekommen hat!?!!?!?!?
Ich sage, ich schenke ihr selber etwas Selbstgemachtes. Was, will Claudia wissen. Das ghoste ich. Geht die nix an. 4 Anrufe in Abwesenheit. Hau ab, Claudia!
In Rosa sehe ich aus wie 1 Fleischkäse
Letzten Sonntag treffen wir uns zum Brunch in einem Restaurant, von dem ich nicht viel sehe. Der Grund: 10'000 Ballons in Hellblau und Rosa drohen mich fast zu erschlagen. Dazu zwei Tische voller Cupcakes in Blau und Rosa. Ein Tisch mit Bodys zum Bemalen. Dann noch Torten mit Meerjungfrauen und Superhelden drauf.
Die Tische sind weiss gedeckt. Die Tischdeko? Pinke Servietten, blaue Servietten, tausend kleine Plastik-Nuggis, sehr viel Fasnachtsschlangen (why?) und genau so viel Konfetti in, logo, Blau und Pink.
Für die Gäste hat Claudia auch ein Regime aufgestellt. Wer denkt, dass das Baby ein Mädchen ist, trägt Rosa. Wer auf einen Buben tippt, setzt auf Blau.
Mir ist total egal, was das Baby wird. Hauptsache gesund. Da ich in Rosa wie Fleischkäse aussehe, setze ich auf Blau. Ich kann es mir aber nicht verkneifen, rosa Ohrringe zu tragen. Kartoffel könnte schliesslich fluid sein. Oder non-binär.
Das findet Claudia nicht lustig. Nicole und Roger schon. Ehren-Eltern to be.
Nun erklärt Claudia die Tischordnung. Dann gibt es Zopf und Ei und Fleisch und Käse und dann eine sehr lange Rede von Claudia. Sie liest einen Brief an die ungeborene Kartoffel vor. Würde mich normalerweise rühren. Nicht von Claudia. Wo Claudia draufsteht, ist Fremdscham Programm.
Arme Kartoffel mit dieser Tante.
Ich sitze da und schaue unter dem Tisch Reels und Insta-Stories. Irgendwann müssen Nicole und Roger unter einen Bogen aus Ballonen. Claudia überreicht ihnen ein riesiges Paket. Natürlich sind im riesigen Paket 20 Pakete drin, die sie eines nach dem anderen aufmachen müssen, bevor dann im letzten das Babygeschlecht verraten wird.
Oder auch nicht.
Haha. Tatsächlich nicht. Ich mach mir Sorgen um Claudias Schenkel, so fest wie sie sich vor Lachen da drauf haut.
Die Kellner fahren nun auf einem Gefährt ein riesiges Tic-Tac-Toe-Spiel rein. Rosa Kreise, blaue Kreuze. Nicole und Roger müssen das Babygeschlecht erspielen.
WTF, hey.
Das dauert wieder sehr lange. Zwischen jedem Spielzug hat Claudia sehr viel zu sagen.
Irgendwann ist es dann endlich vollbracht.
Ein Bub.
Nicole jubelt. Roger tut so als ob.
Ich kann seine Enttäuschung sehen. Ich weiss, dass sich Roger ein Mädchen wünschte. Roger und Nicole werden nun mit Glückwünschen und Küssen und Umarmungen überhäuft. Man gratuliert zu einem Geschlecht?
Bon. Ich stelle mich brav in die Reihe und gratuliere auch. Roger will rauchen. Ich gehe mit. Nicole folgt drei Minuten später. Sie lacht und weint und er ist enttäuscht. In der kleinen Runde hier haben seine Gefühle Platz.
Nicole und Roger sind ein cooles Gespann. Das werden tolle Eltern. Genau das sage ich ihnen auch. Dann frage ich, wer Gotti und Götti wird.
Gut möglich, dass man das nicht fragen sollte. Baby-Knigge ist nicht mein Knigge.
Nicole und Roger staggelen so ein bisschen rum. Dann kommt etwas, womit ich nie im Leben rechnete.
Nicole und Roger fragen, ob ich Gotti werden will.
Ich frage, ob das ein Joke ist. Es ist keiner.
Und Claudia? Die wird ja schon Tante und hat bereits drei (!!!) Gottikinder.
Logisch hat sie das.
Nicole und Roger schauen mich erwartungsvoll an.
JA, sage ich. ICH WILL.
Ob ich das gut machen werde, weiss ich nicht. Ich habe jetzt schon kein Geschenk für die Kartoffel. Mein Geschenk ist ein Wochenbett-Kalender für Nicole und Roger. Da hat's unter anderem so Zeugs drin wie Zigis für ihn, Gesichtsmasken für sie, Essenslieferdienstgutscheine für beide, Entspannungsbäder, Dosenravioli aus dem sauteuren Laden und ein bisschen Gras.
«Genau drum», sagen die beiden unsisono, «genau drum wollen wir dich als Gotti, Emma.»
Und irgendwie ist das der schönste Satz, den ich dieses Jahr gehört habe.
*Ein bisschen Spass, ihr wisst schon …!
