«Killers of the Flower Moon» erzählt die Geschichte eines weissen amerikanischen Mannes (von Leonardo DiCaprio gespielt), der in den 1920er-Jahren die reiche Indigene Mollie Burkhart (Lily Gladstone) heiratet.
Doch das Erdöl, das ihren Stamm reich gemacht hat, bringt auch Unheil. Über 20 Stammesmitglieder werden aus Gier ermordet, mittendrin Mollie und ihre Familie. Ihr Schicksal wird nun von Regisseur Martin Scorsese ins Kino gebracht.
Das ist die wahre Geschichte hinter «Killers of the Flower Moon».
Die Mitglieder des Osage-Stamms lebten um 700 n. Chr. in den Tälern von Ohio und Mississippi. Im 18. Jahrhundert migrierten sie Richtung Westen und liessen sich in Missouri nieder. Diese Stämme nannten sich selbst Wah-Zha-Zhe, was «Volk des Wassers» bedeutet. Später wurden sie von den Europäern als «Osage-Indianer» bezeichnet.
Die Lebensweise der Osage war eine Mischung aus verschiedenen Kulturen der Indigenen Amerikas. Die Männer jagten Wild und führten Kriege gegen andere Stämme. Der Haushalt wurde von den Frauen geführt – sie sammelten Feuerholz, bearbeiteten Felle, kochten Mahlzeiten und kümmerten sich um die Kinder.
Die Europäer brachten drastische Änderungen. Die Osage wurden vertrieben oder starben an den eingeschleppten Krankheiten. Im 18. Jahrhundert passten sie sich der neuen Weltordnung an: Sie führten Handel mit den Franzosen und erwarben Metallgegenstände wie Besteck und Töpfe. Selbst verkauften sie Felle, Öle und Lebensmittel. Oft waren auch Sklaven und Gefangene Teil des Handels.
1870 verkauften die Osage ihr Land in Kansas der Regierung (welche sie betrog, wodurch eine grosse Hungersnot ausbrach) und kauften einem Cherokee-Stamm in Oklahoma Land ab. Einige Stammesmitglieder erkannten bereits damals, dass sich unter der kargen Landschaft ein Ölreservoir befand. Es sollte aber noch über 30 Jahre dauern, bis die Osage vom schwarzen Gold profitierten.
1906 verabschiedete der Kongress den Burke Act, der besagte, dass ein Indigener nur 0,6 Quadratkilometer Land besitzen darf. Der Häuptling der Osage, James Bigheart, und Senator John Palmer handelten jedoch Zuteilungen von 2,6 Quadratkilometern als Anrecht für Vollblutmitglieder der Osage aus.
Sie besassen also viel Land. Ausserdem wurde bei den Verhandlungen festgehalten, dass die Mineralien, die auf diesen Ländern gefunden werden, «gemeinschaftlich dem Osage-Stamm» gehören. Oberflächeneigentum konnte verkauft oder verpachtet werden, aber die Mineralienrechte gehörten für immer den Landesbesitzern oder ihren gesetzlichen Erben. Diese Klausel verschaffte den Osage unfassbaren Reichtum.
Denn nur ein Jahr später begann der Öl-Boom in Oklahoma und wohlhabende Investoren pachteten die grossen Ländereien der Osage. Da ein Grossteil der Gewinne aus den Bohrungen rechtmässig dem Stamm gehörte, waren die Mitglieder in den frühen 1920er-Jahren das reichste Volk pro Kopf der Welt. Sie konnten sich Luxushäuser, Autos und Bedienstete leisten.
Der neugewonnene Reichtum zog aber auch zahlreiche Betrüger und korrupte Geschäftsleute an, die sich alle erhofften, einen Teil des Geldes abzubekommen. Dies entweder auf legalem Weg durch das «Vormundschaftssystem», das Weissen die Verantwortung für das Vermögen der Osage übertrug, oder auf illegalem Wege durch Mord und Diebstahl.
Im Mai 1921 wurden innerhalb von wenigen Tagen die Leichen von zwei Osage-Mitgliedern entdeckt: Anna Brown und Charles Whitehorn. Beide wurden unter ähnlichen Umständen ermordet. Sie wurden erschossen und in abgelegenen, ländlichen Gegenden «entsorgt». Kurz darauf wurde ein weiterer Osage-Mann, Henry Roan (Annas Cousin), tot hinter dem Steuer seines Autos gefunden. Ihm war in den Hinterkopf geschossen worden.
Insgesamt wurden 24 Menschen ermordet. Einige Opfer, wie der Osage-Rodeo-Star William Stepson, wurden vergiftet. Andere verschwanden spurlos oder wurden im Stil einer Hinrichtung getötet. Alle Opfer waren wohlhabende Indigene, mit zwei Ausnahmen: ein weisser Ölmann namens Barney McBride, der ein Verbündeter der Osage war, und ein Rechtsanwalt namens W. W. Vaughan.
Kurz vor seinem Tod rief Vaughan das Büro des Sheriffs von Osage County an und sagte, dass er wichtige Informationen habe, die zur Aufklärung der Morde beitragen könnten, und dass er mit dem nächsten Zug aus Oklahoma City kommen werde. Er kam nie an.
Selbst die Hunde, die die Osage zum Schutz ihrer Häuser gekauft hatten, starben auf mysteriöse Art und Weise.
Mollie Burkhart wurde in den 1880er-Jahren geboren und innert 30 Jahren zu einer der reichsten Personen im Land. Sie war mit einem weissen Mann namens Ernest Burkhart verheiratet, gemeinsam hatten sie Kinder.
Mollie ist der Hauptcharakter im Buch «Killers of the Flower Moon» von David Grann, auf dem der gleichnamige Film von Scorsese basiert.
1921 begann für Mollie eine tragische Zeit. Zuerst wurden ihre Schwester Anna und ihr Cousin Henry ermordet aufgefunden, danach starben ihre zweite Schwester Minnie und ihre Mutter Lizzie unter mysteriösen Umständen. Wahrscheinlich wurden sie vergiftet.
Vier Jahre nach dem Tod von Anna starben Mollies dritte Schwester Rita Smith, deren Mann Bill sowie deren Dienerin Nettie Brookshire bei der Explosion ihres Hauses. Mollie hätte in dieser Nacht ebenfalls im Haus ihrer Schwester sein sollen, doch entschied sich kurzfristig um. Dieser Anschlag hat also auch ihr gegolten.
Mollie überlebte aber unversehrt, heiratete 1928 nach ihrer Scheidung von Ernest erneut und verstarb 1937 im Alter von 50 Jahren.
Trotz Untersuchungen von einem Privatdetektiv war der Mord an Anna Brown nach vier Jahren immer noch ungelöst. Also wendete sich Mollie Burkhart nach dem Anschlag auf ihre dritte Schwester 1925 an das FBI – damals noch als BOI (Bureau of Investigation) bekannt. Die Osage-Morde zählen zu den ersten grossen Mordermittlungen des FBI.
Die Ermittler deckten auf, dass ein Mann namens William Hale nicht nur mehrere Kriminelle dafür bezahlen wollte, Anna Brown umzubringen, sondern auch etliche Leute anstellte, um die Bombe zu bauen, die Ritas Haus in die Luft jagte.
Es stellte sich heraus, dass Ernest Burkhart – Mollies Mann – für den Anschlag mitverantwortlich war, er half seinem Onkel William Hale bei den Vorbereitungen. Hale überredete seinen Neffen, Mollie zu heiraten, und schmiedete Pläne, dadurch an den Reichtum ihrer Familie zu kommen.
Im Januar 1926 wurden Ernest Burkhart und sein Onkel William Hale für die Morde an Bill und Rita Smith und Nettie Brookshire verhaftet. Hale führte die Morde nie selbst aus, sondern beauftragte Einheimische mit der Ausführung.
Hale bekannte sich schuldig und wurde zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Auch Burkhart und einer der Auftragsmörder, der ebenfalls verhaftet wurde, erhielten Gefängnisstrafen. Alle drei Männer wurden schliesslich auf Bewährung entlassen und Burkhart wurde 1965 vom Gouverneur von Oklahoma vollständig begnadigt.
Als der Journalist David Grann für sein Buch mit der Enkelin von Mollie und Ernest Burkhart sprach, stellte er fest, dass es noch viele weitere mysteriöse Todesfälle gab, die nie untersucht worden waren.
Granns Nachforschungen führten ihn zu dem Schluss, dass die systematische Ermordung der Osage wegen ihrer Ölrechte «eine riesige kriminelle Operation war, die Millionen und Abermillionen von Dollar einbrachte». Dies geschah durch Versicherungsbetrug, Veruntreuung und durch die Ermordung von Osage-Mitgliedern durch ihre weissen Ehepartner.
William Hale und Ernest Burkhart hatten die Schuld auf sich genommen, aber «praktisch jeder Teil der Gesellschaft war an diesem mörderischen System beteiligt». Und die meisten von ihnen kamen mit Millionen von Osage-Vermögen davon, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die meisten Morde bleiben bis heute ungeklärt.
Martin Scorsese, sein Team sowie die Darsteller von «Killers of the Flower Moon» haben viel Zeit mit Historikern und Stammeshäuptlingen der Osage verbracht. Leonardo DiCaprio bestätigte in einem Interview mit der «British Vogue», dass sie nach all diesen Besuchen das Drehbuch umgeschrieben haben. Eigentlich hätte der Hauptcharakter des Filmes einer der FBI-Agenten sein sollen. «Wir sind nicht in die Osage-Geschichte eingetaucht», sagte DiCaprio.
«Ab einem bestimmten Punkt wurde mir klar, dass ich einen Film über all die weissen Männer drehte», sagte Scorsese gegenüber dem «Time Magazine» zu den Gründen, warum der von Apple produzierte Film umfassend umgeschrieben wurde. «Das bedeutet, dass ich den Film von aussen nach innen betrachtete, was mich beunruhigte.»
Auch Lily Gladstone, die selbst indigene Wurzeln hat, äusserte sich zum Thema: «Es ist keine Geschichte über weisse Retter. Es sind die Osage, die sagen: ‹Kommt uns helfen.›»
An einer Pressekonferenz im Anschluss an die Weltpremiere in Cannes beschrieb das derzeitige Oberhaupt der Osage Nation, Häuptling Standing Bear, die Geschichte von «Killers of the Flower Moon» als eine Geschichte über Vertrauen. Sowohl zwischen Mollie und ihrem Mann als auch zwischen den Osage und der Aussenwelt.
«Mein Volk hat sehr gelitten, und die Auswirkungen sind bis zum heutigen Tag zu spüren», sagte er. «Aber ich kann im Namen der Osage sagen, dass Martin Scorsese und sein Team das Vertrauen wiederhergestellt haben, und wir wissen, dass dieses Vertrauen nicht missbraucht werden wird.»
«Killers of the Flower Moon» läuft ab dem 19. Oktober in den Deutschschweizer Kinos.