Er hat jeden Winkel Deutschlands ausgeleuchtet. Mit seinen Tischleuchten, Pendelleuchten, Spiegel-, Wand- und Möbelleuchten. Nüchterne, charmebefreite, zweckdienliche Leuchten. Es gab keinen Ort, für den er nicht eine Lampe designte, alles sollte taghell und zugänglich sein. Und angstfrei? Denkt man sich jedenfalls, wenn man die erste und die zweite Karriere von Horst Lettenmayer miteinander in Zusammenhang bringt. Die erste als Schauspieler und die zweite als Lampendesigner. Denn das Deutschland (Österreich und die Schweiz kamen etwas später hinzu), dem er 1970 als Schauspieler seine Augen schenkte, war enorm düster. Geradezu tödlich. Sonntagabend für Sonntagabend.
Horst Lettenmayer war und ist noch immer das erste, was das Publikum von einem «Tatort» zu sehen kriegt: Die Augen, die Beine, die Hände aus dem Vorspann. Das Auge, das von einem Scharfschützen ins Visier genommen wird. Das Auge eines möglichen Täters, der sich auf der Flucht befindet. Aber nicht für lange. Allerhöchstens für die nachfolgenden 89 Minuten. Ein ebenso simpler wie wirkungsvoller Einstieg: Wir verfolgen den Täter, aber gleichzeitig verfolgt er uns. Fixiert uns, blickt zurück, hält uns in seinem Bann, bedroht uns. Es ist die Matrix jedes Krimis.
«Der heimliche ‹Tatort›-Star» («Spiegel») kam 1941 in der baden-württenbergischen Kreisstadt Biberach an der Riss zur Welt. Nach der Bundeswehr begann er ein Studium als Elektroingenieur, doch ein Praktikum bei der Tontechnik eines Theaters brachte ihn zum Entsetzen seines Vaters auf die fixe Idee, Schauspieler zu werden. Er wurde kein grosser, drehte Werbespots, sprang für erkrankte Kollegen ein, synchronisierte und gab einem Ameisenoffizier in der «Biene Maja» seine Stimme.
Eines Tages rief ihn seine Agentin an und sagte, die ARD suche für einen Krimi-Vorspann «prägnante Augen», er solle sich mal melden. «Das habe ich gemacht, dann gab es ein Casting und irgendwie hat mich dann das Glück getroffen und ich habe einen Vertrag für 400 Deutsche Mark gemacht, einen Tag vormittags Stand-Aufnahmen, die Augen und Blickänderungen, und nachmittags wurden dann am alten Münchner Flughafen die bewegten Aufnahmen gedreht, also dieses Davonrennen», sagte er in einem Interview mit dem NDR. Mehr Geld als die 400 DM sah er für seinen nachhaltigen Einsatz nie, obwohl er deswegen bis vor Gericht ging.
Er selbst war nie ein «Tatort»-Fan, bis auf das Wiener Team: «Die sind bescheiden.» «Man hat oft keine Chance, dem auszuweichen», beklagte er sich, so viele Wiederholungen würden rund um die Uhr auf irgendeinem Sender laufen, er selbst bevorzuge Wissenschaftssendungen, «mir gibt es zu viele Schiesserei im Fernsehen, das macht einen teilweise aggressiv. Ich weiss wirklich nicht, warum der ‹Tatort› so erfolgreich ist.»
Kurz nach seinem «Tatort»-Vorspann-Dreh beendete er sein Studium und widmete sich fortan sehr erfolgreich dem Lampendesign. Trotzdem war er mit seiner kleinen Schauspielkarriere mehr als zufrieden: «Man kriegt doch irgendwo eine Prominenz zusammen», war sein Fazit. Er genoss es, zu «Tatort»-Veranstaltungen eingeladen zu werden, er nannte Thomas Gottschalk gern «meinen Kollegen» und seine Lieblingsanekdote blieb diese: «Ich habe nur in einem ‹Tatort› selbst richtig mitgespielt, 1989 im Schimanski-‹Tatort› ‹Der Pott›, da war ich ein Gewerkschaftsboss. Gelandet bin ich dann als Leiche im Münchner Klinikum und Schimanski hat mich seziert. Das war sehr aufregend.»
Wie jetzt bekannt wurde, starb Horst Lettenmayer bereits am 20. Juli in Dachau, wo auch der Sitz seiner Leuchtenfirma Betec ist. Wie seine Tochter, die seit einigen Jahren Geschäftsführerin der Betec ist, sagte, habe ihr Vater auch noch am letzten Tag seines Lebens gearbeitet und sich bemüht, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Beerdigt wurde er am 31. Juli. Es wäre sein 83. Geburtstag gewesen. Das Logo seiner Firma hat er über die Jahrzehnte genau so wenig geändert wie die ARD den «Tatort»-Vorspann.
«Tatort» befindet sich noch in der Sommerpause. Am 15. September geht es mit einer Folge des Wiener Teams wieder weiter.