Die Dinger lassen einen an der Vernunft der Menschheit zweifeln. Auch an der Intelligenz seiner eigenen Kinder - wenn man sie dasitzen sieht, wie sie gedankenverloren auf einem wabbeligen Stück Silikon herumdrücken. Das neuste Trend-Spielzeug ist so simpel-doof, dass selbst die Spielzeugverkäuferin die Augen verdreht, als ich sie nach den «Pop-It-Toys» frage. Und sie ist sich einiges an sinnentleerten Kinderbeschäftigung-Gadgets gewohnt.
Ausverkauft seien sie, wie fast jeden Tag, sagt sie und schiebt ein «ich verstehs nicht» nach. Was sie nicht daran hindert, ihr Lager täglich mit neuen Luftpolsterfoliensimulationen in allen möglichen Grössen und Formen (Einhörner! Eiswaffeln! Dinos! In Tarnfarben! Alles made in China, versteht sich) zu füllen. Die Nachfrage will ja befriedigt werden, solang die Welle anhält.
«Pop It» nennt sich das Spielzeug, von dem gerade Kinder weltweit wie besessen sind. Es ist eine Luftpolsterfolie zum Wiederverwerten, die sich als Regenbogen verkleidet. Kostenpunkt zwischen 5 und 15 Franken, je nach Design, Grösse und Hersteller. Wer den Begriff googelt, merkt schnell: Da kommt ein ziemlich hohe Welle. Es gibt schnell zusammengebastelte Web-Shops, die nur solche «Pop It»-Spielzeuge verkaufen. Auf Amazon kann man sie im 4er- oder grad im 20er-Pack bestellen.
Was aber tun die Kinder mit diesen zu klein geratenen Einswürfelformen? Sie poppen und ploppen die kleinen Einbuchtungen von einer Seite auf die andere. In rasendem Tempo, mit allen Fingern, es sieht aus, als würden sie auf einer Tastatur herumhacken. Haben sie eine Seite leergeploppt, drehen sie das Ding, und der Spass beginnt von vorn. Wichtig ist das Geräusch: Es muss ploppen. Das soll beruhigen, Stress abbauen, sei gut für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit und für alle, die sonst Nägel und Bleistifte zerkauen.
Schon wieder!? Kann man da nur rufen. Wurde nicht schon der letzte Kinder-Gadget-Trend mit dem genau gleichen Versprechen beworben? Wir erinnern uns: 2017 waren es die Fidget Spinner (deutsch etwa «Zappelspiele»), die Kinder beschäftigt und Eltern und Lehrer verrückt gemacht haben. Diese Kreisel konnte man aber immerhin noch recht kunstvoll in der Hand kreisen lassen. Manche brachten es zu einer ansehnlichen Meisterschaft. Die «Pop It Toys» verhalten sich dagegen wie Ponyreiten zu Dressurreiten, also komplett anspruchslos.
Wobei die Schreiberin zugeben muss, dass ihre Eltern vor 30 Jahren bestimmt auch nicht nachvollziehen konnten, was an einem Becher voll grün-glibbrigem «Slimy» toll sein soll. Was auch ein Beispiel dafür ist, dass sinnlose Kinderspielzeuge älter als das Internet sind. Es scheint eher so: je doofer, desto superer.
Es gibt aber auch einige seriöse Erklärungen dafür, warum solche Fidget Toys so erfolgreich sind. Der Mensch als solcher sei ein Zappelphilipp, der sich besser konzentrieren könne, wenn Energie, die er nicht zum Denken benötigt, in Nebenbei-Aktivitäten abgeleitet wird, heisst es. Man kennt das vom Kugelschreiberfummeln oder Büroklammerverbiegen. Ausserdem werde das Leben immer untaktiler, immer digitaler. Wer den ganzen Tag in einen Bildschirm schaut, der sehne sich zwischendurch nach etwas zum Fummeln. Apropos Bildschirm: «Es hat kein Display, und mein Sohn kann sich trotzdem länger damit beschäftigen - das ist schon was», bringt es ein Vater auf den Punkt.
Woher der Trend kommt, lässt sich nur schwer rekonstruieren. In Japan jedenfalls existieren Luftpolster-Simulationen schon seit mehr als einem Jahrzehnt, allerdings in elektronischen Versionen. Und es gibt diverse Handy-Games, wo man auch nichts anderes machen muss, als Ballone oder Blasen zum Platzen zu bringen.
Was sich aber verifizieren lässt: Wie etwa auf Youtube und Tiktok nicht volljährige Influencerinnen alles dafür tun, um den Hype noch mehr zu hypen. Da werden ganze Kinderzimmer im «Pop-It»-Look umdekoriert. Da gibt es Anleitungen, wie man seiner Barbiepuppe ein Kleid aus den «Pop-It»-Blasen basteln kann und Kopfhörer und eine Snackbox grad noch dazu. Und noch bevor der Trend via Japan und die USA nach Europa geschwappt ist, gibt es überall schon die passenden Accessoires zu bestellen. Etuis und Handyhüllen, Shirts und Wasserflaschen im Blasen-Look.
Eines ist sicher: Dieser Trend wird so schnell wieder verschwinden, wie er gekommen ist. Übrig bleiben haufenweise Silikonformen in Regenbogenfarben, von denen wir nicht mehr recht wissen, wozu sie zu gebrauchen sind. Findige Eltern liefern auf Youtube bereits eine Idee für den späteren Gebrauch. Sie legen Smarties in die Einbuchtungen, füllen das Ganze mit flüssiger Schokolade auf, lassen es erkalten und servieren «Pop-It»-Schoko-Snacks an der Geburtstagsparty.
Muss haben