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Ohne Jenna Ortega wäre der Netflix-Hit «Wednesday» ein müder Montag

Jenna Ortega, Emma Myers, Wednesday 2022. Photo credit: Vlad Cioplea/Netflix PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xx 34439-007THA
Gleich beginnt ein Bootsrennen mit Unfällen und anderen Hindernissen: Wednesday (Jenna Ortega) und die kleine Werwölfin Enid (Emma Myers).Bild: IMAGO/ Netflix/ Picturelux

Ohne sie wäre «Wednesday» ein müder Montag: Jenna Ortega ist das Wunder von Netflix

Passenderweise begann ihre Karriere mit den Schreien von Mordopfern im Ohr.
22.12.2022, 20:03
Simone Meier
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«Das mach’ ich für dich, Grossvater», sagt die 14-Jährige und blickt nach oben, in Richtung Himmel, dorthin, wo ihr Grossvater schon vor ihrer Geburt hin verschwand. Er starb an Aids. Die 14-Jährige ist Schauspielerin, heisst Jenna Ortega und engagiert sich im Kampf gegen Aids. Und für bessere Chancen von lateinamerikanischen Schauspielerinnen und Schauspielern. Ihr Vater ist mexikanischer, ihre Mutter mexikanisch-puerto-ricanischer Abstammung.

Jenna will schon mit 14 interessantere Rollen. Auch wenn sie von klein auf viel zu tun hat, ist die Bandbreite der Angebote für sie beschränkt. Sie ist das süsse Latina-Mädchen in der McDonald's-Werbung, wo sie zu ihrem Leidwesen immer Apfeltaschen bewerben muss, obwohl sie diese hasst. Nach dem Dreh vertilgt sie immer eine Portion Chicken Nuggets, um die blöden Äpfel zu bewältigen. «Ich hatte keine Beziehungen zu Hollywood, deshalb hiess es, ich könne nur Werbung machen», sagt sie.

Sie ist das süsse Latina-Mädchen von Disney. «Wenn meine Familie eine Woche wäre, dann wäre ich Mittwoch», sagt sie im Trailer der Sitcom «Stuck in the Middle». Wednesday also. Doch Jenna ist ungeduldig. Und in ihren kämpferischen Argumentationen wahnsinnig erwachsen.

STUCK IN THE MIDDLE, from left: Joe Nieves, Isaak Presley, Ariana Greenblatt, Jenna Ortega, Cerina Vincent, Kayla Maisonet, Nicholas Bechtel, Malachi Barton, Ronni Hawk, Season 1, 2016. ph: Craig Sjod ...
Die 14-jährige Jenna Ortega als Schirmherrin in «Stuck in the Middle». Bild: imago images/ Disney Channel/Everett Collection

«Schon als ich acht war, nannten mich die Leute eine alte Frau», sagt sie heute, mit knapp 20. Als Kind im TV-Business war sie von lauter Erwachsenen umgeben, mit denen sie auf eine professionelle Art umgehen musste, «von der andere Kinder überfordert wären». Und vielleicht ist ja genau das die Paradoxie der Kinderstars: Sie können kein Kind unter vielen sein, doch sie spielen ein Kind für viele. Von einer normalen Kindheit sind sie ausgeschlossen.

Wird «Wednesday» «Squid Game» überholen?

So wie auch die Kinder mit sonderbaren Fähigkeiten, die «Outcasts», im Netflix-Überhit «Wednesday» von Tim Burton von der Normalität ausgeschlossen sind. Zusammengepfercht in einem Internat für paranormal Begabte. Und mitten unter ihnen Wednesday Addams. Das altkluge, darke, zynische, sadistische Latina-Mädchen. Die Monstertochter von Gomez und Morticia, der alles Kindliche fremd ist. Die weder Farben noch Gefühle mag. «Wednesday» ist Jennas Durchbruch, sie ist jetzt eine Netflix-Ikone. Nur «Squid Game» und «Stranger Things» liegen in den Tagen vor Weihnachten auf Netflix noch vor «Wednesday», und beide laufen schon viel, viel länger.

Jenna Ortega, Wednesday 2022. Photo credit: Netflix PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xx 34439-023THA
Diese Piranhas fallen gleich mit böser Absicht ins Schwimmbad.Bild: IMAGO/ Netflix/ Picturelux

Das Düstere ist eins von Jennas Lieblingselementen. Es begann früh, als ihre Mutter sie aus dem Coachella Valley nach Los Angeles zum Vorsprechen fuhr, drei Stunden hin, drei zurück, vier, fünf Male die Woche, dabei hatte die Mutter noch fünf weitere Kinder und einen Fulltime-Job als Krankenschwester auf einer Notfallstation. Während der Fahrt hörten die beiden Podcasts über Mordfälle. Die Schreie der Opfer und die Schilderungen der Verbrechen waren Jennas Soundtrack auf dem Weg zum Casting.

Lieblingsgenre Horror

Seit ein paar Jahren spielt sie in Horrorfilmen mit. Obwohl sie allergisch auf Kunstblut ist. Gerade hat sie den neuen «Scream» abgedreht, sie liebt die Arbeit am Horror, es sei «so therapeutisch» sagt sie in der «Tonight Show», ein endloser Spass, niemand könne sich bei der Arbeit ernst nehmen, und die ganzen Tüftler, die sich die entsetzlichen Effekte ausdenken, seien ein Trupp liebenswürdiger Nerds. Auch Tim Burton zählt sie zu diesen, sie beschreibt ihn als «tiny creature» (bei Jimmy Kimmel), als winziges Wesen, was natürlich lustig ist, weil sie mit ihren 1,55 Metern auch keine Riesin ist.

Jenna Ortega, Tim Burton, Wednesday 2022. Photo credit: Tomasz Lazar/Netflix PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xx 34439-021THA
Jenna Ortega und «tiny creature» Tim Burton bei der Arbeit.Bild: www.imago-images.de/ netflix

Sie ist damit auf den Zentimeter gleich gross wie ihre Vorgängerin als Wednesday, Christina Ricci. Und hier setzt nun der Perfektionismus von Jenna Ortega ein. Sie hatte sich noch ganz unbeschwert für «Wednesday» casten lassen, hatte sich gesagt, ach, das ist am Ende auch bloss TV, alles wird viel zu schnell gedreht werden, niemand wird sich grosse Mühe geben, als sie sich plötzlich Tim Burton gegenübersah. Und Christina Ricci. Zwei Menschen, deren Arbeiten sie verehrte und die sie unter keinen Umständen enttäuschen wollte.

Gwendoline Christie, Jenna Ortega, Catherine Zeta-Jones und Christina Ricci bei der Premiere der Netflix TV-Serie Wednesday im Hollywood Legion Theater. Los Angeles, 16.11.2022 *** Gwendoline Christie ...
Die Damen aus «Wednesday»: Gwendoline Christie (191 cm), Jenna Ortega (155 cm), Catherine Zeta-Jones (170 cm) und Christina Ricci (155 cm). Bild: IMAGO/Future Image

Ihre Wednesday musste nun vieles werden: Eine Liebeserklärung an Christina Ricci, eine Neuinterpretation, ein Meisterstück an komischem Timing und präzise gesetztem mimischem Minimalismus. Und natürlich musste sie her dark materials zusammenkratzen. Fror jedes Lachen ein und machte ihre Augen zu magischen schwarzen Magneten. Sie lernte Cellospielen und Fechten, und als es zur berühmten Tanzszene kam (während der sie unter einer bereits getesteten, aber noch nicht bestätigten Covid-Infektion litt), da sagte sie grossspurig: «Die Choreografie mache ich selbst.»

Wednesday tanzt

Tim Burton liess sie damit alleine. Sie schlief zwei Nächte lang nicht mehr und schaute sich Dutzende von Videos an: Goth-Kids in den Clubs der 80er-Jahre, Siouxsie and the Banshees, Nina Hagen und Lisa Loring, die in den 60er-Jahren die erste Wednesday Addams spielte. Dann ging sie zum Dreh und tanzte los. Ohne genaue Idee, aber total inspiriert. Das Resultat ist ein kleines Juwel, Jenna erinnert in ihrer coolen Verdrehtheit an die tanzende Uma Thurman in Pulp Fiction. Lady Gaga imitierte sie schon auf TikTok.

Hollywood? Hat sie nicht mehr nötig

«Wednesday» ist nach «The Umbrella Academy» und «Chiling Adventures of Sabrina» eine weitere Harry-Potter-nahe Serie über ein Internat der übernatürlich begabten Kinder auf Netflix. Zum Glück durfte Tim Burton noch seine skurrile Kantigkeit und morbide Totengräber-Ästhetik einfliessen lassen. Und genüssliche Spielereien wie die laszive Morticia von Catherine Zeta-Jones sind eine Freude.

Doch vor allem ist «Wednesday» das Werk und der Siegeszug von Jenna Ortega. Einer Frau, die ohne Beziehungen in Hollywood angefangen hat und heute erst recht keine mehr braucht. Hollywood muss sich jetzt um beste Beziehungen zu Jenna Ortega bemühen.

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SKYEyes
22.12.2022 21:46registriert November 2022
Mein Lieblingscharakter in "Wednesday" ist ja Thing. Absolut faszinierend, wieviel Ausdruckskraft eine Hand (und sonst nichts!) haben kann!
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M. mit Stil
22.12.2022 20:43registriert September 2022
Tim Burton hat sich wieder mal selbst übertroffen. Herrlich düster!
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Sapperlot!
22.12.2022 20:30registriert Januar 2016
Ach ist das eine super Serie - ich mochte the Addams Family schon in s/w. Sie haben den Groove der alten Serie wunderbar rüber gebracht. Aber nicht nur Wednesday wird toll gespielt, auch Enid, Fester und andere sind toll. Kann's kaum erwarten dass es weiter geht.
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38
So hätten die Logos grosser Firmen im Mittelalter ausgesehen – vermutlich

Wie hätten wohl Logos von grossen Firmen und Unternehmen früher ausgesehen? Eine Frage, auf die wir wohl nie eine Antwort bekommen werden … oder doch?

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