Sie ist Rechtsanwältin. Spielt Fussball. Redet, wie man eben so redet, und nicht, wie es ein holperiges Skript vorgibt. Sie gleicht Kristen Stewart an ihrem bestgelaunten Tag. Sie ist hübsch, natürlich, sozial gewandt. Eine Traumfrau. Ihr Makel ist höchstens, dass sie Paulo Coelho liest. Aber vielleicht liest sie den auch gar nicht, sondern hat das Buch bloss in der Bibliothek ihrer Villa gefunden. Sie heisst Irina Schlauch, ist 30, kommt aus Köln und sucht dort nach der grossen Liebe, wo das gerade auch unsere Bachelorette Dina tut – auf Kreta nämlich. Doch im Gegensatz zu Dina sucht Irina keinen Mann, sondern eine Frau.
Wir sind in «Princess Charming», der angeblich ersten lesbischen Datingshow der Welt. Im Schwesternformat der schwulen Datingshow «Prince Charming» auf TVNOW und Vox also, die einen Grimme-Preis gewann. Gestartet hat die Prinzessin ihre Liebessuche in der gleichen Woche, in der die clevere, reflektierte Transfrau Alex «Germany's Next Topmodel» gewann.
Es ist verrückt, wie anders die Menschen unterm Regenbogen vor der Kamera miteinander umgehen. Wie entspannt, freundlich und oft auch interessant das ist. Wie viel hier gelacht und geredet wird. Wie liebevoll die alle miteinander umgehen. Wie begeistert sie über das Gemeinschafts-Experiment sind. Sie könnten sich auch auf einer Gruppenfahrt zum Eurovision Song Contest befinden.
Im Gegensatz zu Dina und allen Ladys um den Bachelor sehen Irina und ihre zwanzig Liebeskandidatinnen auch nicht aus, wie wenn sie vom Rotlichtbedarf der Autobahnraststätte Egerkingen eingekleidet worden wären.
(Und exakt an dieser Stelle, Leute, geht doch tatsächlich Dina durch unser Büro – ehrlich wahr, kein Traum –, macht mit ihrem Hund am Tisch von Anna Rothenfluh halt, ist nett und spricht, wie das eigentlich immer der Fall ist, GANZ ANDERS als im Fernsehen. Sie trägt ein hübsches weisses – Brautkleid? Ich sage ihr, dass ich an ihrer Stelle Benjamin gewählt hätte. Und entnehme ihrer Antwort, dass sie den einfach zu alt findet. So, genug Gossip!)
Aus den Händen der Frauen vom Planeten Irina wachsen keine zugespitzten Krallen, die Absätze ihrer Schuhe machen Sinn, die wenigsten ihrer Kleider sind Glitzerfetzen, keine versteckt ihr Gesicht unter Zementschichten von Make-up. Nur Tattoos tragen sie noch viel, viel mehr.
Die Frauen sind gross, klein, schlank, muskulös, langmähnig, kahlgeschoren, porzellanhäutig, braun, schwarz, blond, ungeschminkt, lesbisch, bisexuell, nonbinär, androgyn, kurvig, elegant, burschikos. Sie gehen im Kleid oder im Holzfällerhemd zum Date. Alle sind so normal. Und natürlich finden sie nicht nur an Irina, sondern durchaus auch aneinander Gefallen. Bine und Saskia dürften sich in Folge drei zueinander bekennen – bedeutet das, dass sie nach Hause müssen?
Bereits in Folge eins hatte die Produktion zwei Frauen nach Hause geschickt, Hyperbutch Ulle und Hysterikerin Sonja waren handgreiflich geworden, das reichte. Oder wie Kandidatin Elsa, die aussieht wie eine Tomboy-Ausgabe von Natalie Portman, sagte: «Ich möchte nicht, dass unsere Community mit solchem Verhalten in Zusammenhang gebracht wird, denn das sind wir nicht.» Ein Satz, den man gerne auch mal in einem Hetero-Format hören würde.
Natürlich gibt es auch hier ein paar hauptberufliche Influencerinnen, aber auch eine angehende Heilpädagogin, eine Hörspiel-Produzentin, eine Schriftstellerin, eine Jura-Studentin, eine ehemalige Bundeswehrsoldatin und eine zukünftige Sozialpädagogin. Die eine ist komisch, eine andere sentimental, die eine will Kinder, die andere trägt gern Umschnalldildos.
Sie trinken, flirten, kochen und spielen Fussball miteinander und freuen sich, wenn eine Konkurrentin glücklich von einem Date mit Irina zurückkehrt. Sie sind einfach nur Frauen. Für die eine oder andere hat es schon mal einen Mann gegeben oder könnte es unter Umständen wieder mal einen geben. Aber jetzt nicht.
«Princess Charming» läuft auf TVNOW, die neuen Folgen gibt's jeweils dienstags. Zu einem späteren Punkt wird die Show auf Vox ausgestrahlt werden.