Eben habe ich die dritte Folge der achten Staffel «Game of Thrones» gesehen und muss meine Emotionen noch etwas sortieren. «The Long Night» war auf jeden Fall ein visuelles Spektakel, keine Frage. Aber erzählerisch? Da störten mich doch ein paar Dinge, auch wenn mir scheint, ich stünde damit alleine da. Nun gut, ich geh dann mal das Risiko ein und äussere meine Bedenken.
Gleich die ersten Sekunden erinnern in ihrem Aufbau an Steven Spielbergs «Der Soldat James Ryan». Samwells zitternde Hand, der starre Blick, rundherum werden die letzten Anweisungen gebrüllt, nur untermalt vom Ächzen und Klimpern der Kriegsmaschinerie und der Rüstungen der Verteidiger von Winterfell.
Sam als Einstieg für die bevorstehende Schlacht zu nutzen, ist eine interessante Wahl, denn er ist einer der unerfahrensten Kämpfer, kennt aber gleichzeitig die Schrecken der Weissen Wanderer. Doch schnell wird klar, dass es nicht nur Samwell ist, dem die böse Vorahnung in den Knochen steckt. Selbst Arya vermag ob der bevorstehenden Ereignisse, die sich bereits ankündigen, ihre sonst so unerschrockene Mine nicht komplett aufrechtzuerhalten.
Die ersten 15 Minuten, welche genau diesen kommenden Schrecken vermitteln sollen, sind wirklich grossartig inszeniert. Die Atmosphäre ist so dicht, man könnte sie beinahe mit Jons Schwert in Scheiben schneiden. Diese Zuspitzung der Spannung kommt dabei fast ohne Dialog aus. Das gelingt vor allem durch die für eine Serie doch ungewohnte Dunkelheit der Bilder, bei denen man nur schemenhaft erkennt, was sich eigentlich genau abspielt.
Während sich «GoT»-Fans mit spiegelnden Bildschirmen daran stören dürften, ist es doch genau das, was den Episodenauftakt so packend macht. Genau wie die Figuren der Serie starren wir in das Schwarz der Nacht und versuchen verzweifelt irgendetwas zu erkennen, das uns hilft, uns mental auf das kommende Ereignis vorzubereiten.
Was wir stattdessen kriegen, ist eine Dunkelheit, die so still ist, dass es einen schaudern lässt. Das wird auch vom Soundtrack dezent untermalt, der sich in einen immer schneller werdenden Herzschlag steigert.
Was dann kommt, überrascht nicht nur die armen Unbefleckten, die dummerweise in den ersten Schlachtreihen stehen. Wie ein Tsunami fegt die Armee der Untoten über die ersten Formationen der Menschen hinweg. Und auch wenn Dany und Jon mit ihren Drachen ordentlich Untote brutzeln, wird schnell klar, dass hier und heute wohl einige Leute ins schneebedeckte Gras beissen werden. (Wer hatte eigentlich die Idee, den Untoten auf offenem Gelände entgegenzutreten?)
Doof nur, dass sich die Macher dann doch nicht getraut haben, jemanden zu töten, dessen Ableben man wirklich bedauern würde. Selbst der ziemlich planlos umherstolpernde Sam hat es irgendwie bis zum Schluss geschafft, am Leben zu bleiben. Das kann man natürlich machen, aber bei der wortwörtlichen Flut an Untoten, die mal eben die unerschrockenen Dothraki und fast alle Unbefleckten hinweggefegt hat, ist das doch schwer nachvollziehbar.
Aber Sam hatte ja auch jemanden, der ihn beschützte und dafür selber mit dem Leben bezahlte. Und genau das ist ein weiterer Punkt, der mich störte. Es gab einfach den einen oder anderen «Rettung-in-letzter-Sekunde-Moment» zu viel:
Nicht falsch verstehen: Für eine gute Handlung ist es nicht nötig, möglichst viele wichtige Figuren umzubringen. Allerdings hat es einfach einen fahlen Beigeschmack, wenn in so einer Schlacht im Wesentlichen nur zwei Leute sterben: Ser Jorah Mormont und Theon Graufreud.
Sie beide sind Charaktere, die entbehrlich sind, die die Handlung keine neue Richtung einschlagen lassen. Theon ist in der vergangenen Staffel sowieso immer unwichtiger geworden und hat nun einfach noch sein Heldenmoment bekommen. Um Mormont dürften sicher auch einige trauern, aber sind wir mal ehrlich: Der Tod seiner tapferen Cousine Lyanna Mormont hat fast mehr wehgetan.
Die rote Priesterin? Irgendwie unbefriedigend. Ja, sie hat zu guter Letzt sowas wie Reue gezeigt, aber hätten wir es nicht viel lieber gesehen, wenn Davos kurzen Prozess mit ihr gemacht hätte? Ah Moment, dann hätte sie ja nicht den Graben anzünden können, weil Daenerys das Zeichen nicht sah und Jon mit seinem Drachen auf der Mauer hockte und Bran anguckte.
Und der Typ mit dem Flammenschwert, dessen Namen man einfach immer vergisst, ist nun also auch tot. Schon wieder. Wenigstens bleibt er es jetzt auch.
Nun gut, ich verzettle mich wohl langsam in Haarspaltereien. Machen wir weiter mit der grossen, finalen Szene.
Ja, diese Schlussszene, in welcher Arya den Nachtkönig umbringt. Es ist nicht so, dass Arya die falsche Person dafür wäre, immerhin hätte Bran den Nachtkönig wohl kaum zu Tode starren können. Und auch sonst wäre wohl kaum jemand so sehr in Frage gekommen wie Arya – auch nicht Jon Schnee. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie Arya den Nachtkönig umbringt, die irgendwie stört.
Zum einen haben wir auch hier wieder diese Rettung in letzter Sekunde. Der Nachtkönig greift bereits in Zeitlupe zu seinem Schwert, um Bran zu töten, während Jon kurz davor ist, vom untoten Drachen verbrannt zu werden. Währenddessen kämpft Mormont mit letzter Kraft gegen die Überzahl an Untoten, während Daenerys mehr oder weniger ratlos daneben steht.
Und da kommt Arya mit einem rettenden Sprung à la bester 80er-Jahre Actionfilm-Manier und tötet den Nachtkönig und alles wird gut. Das war irgendwie zu viel 08/15-Drama für mich. Zumal die Drehbuchautoren kurz zuvor doch wunderschön das Klischee ausmanövriert haben, wo der Held aka Jon Schnee gegen den Bösewicht aka Nachtkönig in einem finalen Kampf antreten muss.
Maisie Williams hatte in einem Interview gegenüber der Entertainment Weekly gesagt:
Mit dieser Aussage hat Williams natürlich nicht unrecht, allerdings hätte ich es genauso cool gefunden, wenn Arya den Nachtkönig etwas unspektakulärer getötet hätte. Wäre es nicht genauso überraschend gewesen, wenn sie plötzlich still und leise hinter ihm im Bild aufgetaucht wäre und ihn dann erstochen hätte? Nun, das ist wohl einfach Geschmacksache.
Und wenn ich jetzt noch pingeliger sein will, stellt sich für mich auch die Frage, von wo aus Arya überhaupt absprang? Als Theon das Zeitliche segnet, sieht man ganz klar, dass der offene Platz rund um Bran von Untoten übersät ist. Zwar hat die Folge uns in einem mehrminütigen Kammerspiel vor Augen geführt, wie gut Arya schleichen kann, aber irgendwie will ich nicht so recht glauben, dass das reicht. Irgendein Untoter hätte sie doch bemerken müssen? Zumal Arya ja keine Bücherregale mehr hatte, hinter denen sie sich verstecken konnte.
Aber nun gut, jetzt ist es eben so. Immerhin war es schön zu sehen, wie diese eine Szene, in welcher Arya den Nachtkönig umbringt, eine Referenz an die früheren Folgen war.
Da ist der Dolch aus valyrischem Stahl, mit dem Bran ursprünglich hätte getötet werden sollen. Nun hat dieser Dolch ihn also gerettet. Wobei es Bran war, der Arya genau diesen Dolch in der siebten Staffel überreichte. Ob er da wohl schon was wusste? Zumindest hätte er sich damit nützlicher gemacht, als nur mit Raben ein bisschen rumzufliegen. Denn wer nur die Serie kennt, dürfte sich noch immer fragen: Warum genau will der Nachtkönig Bran umbringen?
Wenn man so will, ist die grösste Überraschung dieser Episode, dass der Nachtkönig und all sein Gefolge tot erledigt ist, während von den Hauptfiguren fast alle unversehrt sind.
Damit hat wohl kaum jemand gerechnet. Doch vermutlich musste genau das passieren, denn nun kann «Game of Thrones» wieder das werden, was es eigentlich ist: Ein Machtkampf um den Eisernen Thron. Und dieser Kampf ist noch nicht abgeschlossen, denn wie wir wissen, wartet Cersei mit der Goldenen Armee nur darauf, Daenerys, Jon und alle anderen abzuschlachten. Zwar ohne Elefanten, aber immerhin.
Nun haben die Drehbuchautoren drei Episoden lang Zeit, uns noch einmal ein Ränke- und Machtspiel zu präsentieren, das uns daran erinnert, warum wir «Game of Thrones» zu Beginn so toll fanden. Und vermutlich war das genau der Grund, warum so viele wichtige Charaktere überleben mussten. Denn ist es nicht viel grausamer und schmerzhafter, wenn sie die grosse Schlacht überleben, nur um danach durch Verrat und Korruption zu sterben?
Was haltet ihr von der Folge? Was hat euch gestört, was fandet ihr toll? Schreibt es uns in die Kommentarspalte.
Und für die User, die immer mit dem ironischen Kommentar aufwarten, sie hätten noch nie eine Folge «GoT» gesehen, ob sie dadurch speziell seien: Ja, das seid ihr. Darum hier ein Zertifikat zum Ausdrucken, Ausfüllen und an die Wand hängen:
Die Beleuchtung war ok für mich. Auf dem Handy oder dem Laptop ist es vielleicht zu dunkel, aber am TV sah ich bestens.
Der perfekte Rückzug in taktischer Formation der "Unsullied" war ein kleines Highlight für mich und natürlich der Drachenfight. Nicht zu vergessen der Soundtrack, die letzten ca. 10 min. praktisch ohne Dialog sind perfekt.
2. Warum spricht dieser Nachtkönig kein einziges Wort? Und noch störender, warum kommt von den Lebenden niemand auf die Idee den Nachtkönig anzusprechen?! Ich meine klar, er scheint kein netter Typ zu sein, aber vielleicht sollte man da mal ansetzten: Grüezi Herr Nachtkönig, wie kann ich Ihnen weiterhelfen? Sie scheinen aufgebracht zu sein, was liegt ihnen auf dem Herzen?