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Psychische Störungen wegen Social Media nehmen zu – Experten fordern Regeln

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Soziale Meiden können vor allem die psychische Gesundheit von Mädchen beeinträchtigen.Bild: Shutterstock

Psychische Störungen wegen Social Media nehmen zu – Experten fordern neue Regeln

Depressionen, Essstörungen, mangelnder Schlaf: Florida geht gegen die sozialen Medien vor, weil sie den Jungen schadeten. Auch in der Schweiz fordern Experten neue Regeln für die Betreiber von Online-Netzwerken.
30.03.2024, 21:47
Francesco Benini / ch media
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Geht da ein US-Bundesstaat wieder einmal zu weit mit einer gesetzlichen Regelung? Oder ergreift jemand endlich Massnahmen gegen ein akutes Problem?

Das Parlament in Florida hat beschlossen: Jugendliche unter 14 Jahren dürfen auf Social Media kein Konto mehr eröffnen. Und wer 15 oder 16 ist, braucht dazu die Einwilligung der Eltern.

Die Politiker im Südstaat sind überzeugt: Die sozialen Medien schaden den Jungen. Der übermässige Konsum der Online-Plattformen sei vor allem für Pubertierende ein Risiko, deren Hirne sich stark veränderten. Tiktok, Instagram und Snapchat könnten psychische Schwierigkeiten verstärken und ein Suchtverhalten auslösen. Die Jungen schüfen es nicht mehr, sich von ihren Handys loszureissen.

Ist das übertrieben? Regula Bernhard Hug leitet die Geschäftsstelle des Kinderschutzes Schweiz. Sie sagt: «Wir merken, dass Jugendliche mehr Probleme haben wegen des Gebrauchs der sozialen Medien. Die sozialen Medien beeinträchtigen die psychische Gesundheit, vor allem von Mädchen.»

«Übermässiger Medienkonsum kann psychische Leiden hervorrufen»

Studien zeigen, dass Jugendliche in der Schweiz mehr Zeit am Handy verbringen als vor zwei Jahren. Das hängt wahrscheinlich mit der Pandemie zusammen: Die Gewohnheiten von damals werden weitergeführt. Susanne Walitza erklärt, dass gleichzeitig «psychische Störungen wie Angst, Depressionen, Essstörungen weltweit wie auch in der Schweiz zunehmen». Walitza ist Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

«Übermässiger Medienkonsum kann psychische Leiden hervorrufen oder verstärken.»
Susanne Walitza, Uniklinik Zürich.

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema liegen zwar noch nicht viele vor. Aber die Klinikdirektorin weist darauf hin, dass Wissenschafterinnen und Wissenschafter Zusammenhänge sähen «zwischen der zunehmenden Nutzung der Medien und der Zunahme von Problemen der psychischen Gesundheit». Das Smartphone sei zwar während der Coronakrise für viele Teenager ein unverzichtbares Kommunikationsmittel gewesen, doch: «Übermässiger Medienkonsum kann psychische Leiden hervorrufen oder verstärken.»

Cybermobbing und Cybergrooming

Es gibt Übergriffe wie Cybermobbing und Cybergrooming. Ersteres bedeutet, dass eine Nutzerin oder ein Nutzer wiederholt beleidigt, lächerlich gemacht oder gar bedroht wird. Es werden Fotos von ihr oder ihm publiziert und mit höhnischen Kommentaren versehen. Beim Cybergrooming sprechen Erwachsene auf Online-Netzwerken Minderjährige an. Ziel ist es, einen sexuellen Kontakt anzubahnen.

Von diesen Auswüchsen abgesehen, haben sich die sozialen Medien verändert: Als sie aufkamen, ging es vor allem darum, Nachrichten, Bilder und Videos in einer Gruppe auszutauschen. Heute erkennt ein Algorithmus, welche Inhalte einem gefallen - und man kann ein Filmchen nach dem anderen anschauen, ohne mit jemandem in Kontakt zu treten, stundenlang. Mögliche Folgen: mangelnde Bewegung, zu wenig Schlaf, schlechte Ernährung, sozialer Rückzug.

Mädchen sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, weil auf sozialen Medien übertriebene Schönheitsideale propagiert werden. Bei den Nutzerinnen kann das zu einem gestörten Selbstwertgefühl führen. Und der Wunsch nach einer starken Reduktion des eigenen Gewichts kann Essstörungen auslösen.

Bei der Vielzahl von möglichen negativen Folgen: Sollte die Schweiz durchgreifen wie Florida? Und veranlassen, dass Junge unter 14 zu ihrem eigenen Schutz kein Konto mehr auf den sozialen Netzwerken führen dürfen?

Die Experten sagen: Ein Verbot gehe weit. Und man müsse zuerst prüfen, ob es auch umgesetzt werde. Die Pro Juventute erklärt: Die Debatte darüber, wie Kinder und Jugendliche im digitalen Raum besser geschützt werden könnten, sei zu begrüssen. Es greife aber zu kurz, die sozialen Medien auf negative Auswirkungen zu reduzieren. Sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, gehöre zur Entwicklung der Jugendlichen.

Die Eltern und die Schulen stehen in der Pflicht

Jugendpsychiaterin Susanne Walitza hat angeregt: Die Betreiber der Plattformen sollten dazu verpflichtet werden, Algorithmen auszuschalten. Wer zum Beispiel einmal das Thema Gewichtsabnahme recherchiert hat, soll nicht immer wieder damit konfrontiert werden.

Es kommt also auch in der Schweiz der Wunsch nach mehr Reglementierung auf. Zugleich betonen die Fachleute: Es sei entscheidend, dass die Eltern und die Schulen mit den Kindern über den Gebrauch sozialer Medien sprächen und zeitliche Limiten setzten.

«Es ist sinnvoll, wenn Jugendliche so spät wie möglich einen eigenen Account auf den sozialen Medien eröffnen»
Regula Bernhard Hug, Kinderschutz.

Regula Bernhard Hug vom Kinderschutz sagt: «Es ist sinnvoll, wenn Jugendliche so spät wie möglich einen eigenen Account auf den sozialen Medien eröffnen. Vorher sollten sie von den Eltern oder von der Schule instruiert werden, wie man zum Beispiel Kontakte blockiert.»

Ob das Verbot in Florida umgesetzt wird, steht noch nicht fest. Es ist mit Klagen wegen eines Eingriffs in die elterliche Erziehungshoheit zu rechnen. Und die Big-Tech-Konzerne werden versuchen, das Gesetz mit einem Hinweis auf die Redefreiheit zu verhindern. Die Gefahren, die das Parlament in Tallahassee eindämmen will, sind aber real. (aargauerzeitung.ch)

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27 Kommentare
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Rumpelstilz aka Motzbrocken
31.03.2024 07:46registriert November 2023
Passt doch zur heutigen Zeit! Dazu noch die KI.....

Es gibt so Momente in meinem Leben, an denen ich so für mich selbst denke, früher war es Besser. So einen Moment habe ich beim lesen dieses Artikels.

Die Menschheit ist schlicht nicht fähig, mit dieser Technik umzugehen. Defacto ist der Schaden der angerichtet wird um einiges Grösser als der Nutzen.

Die Büchse der Pandora ist weit geöffnet..... und dank KI wird es nur noch hässlicher, übler, verlogener, unüberschaubarer.
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Liebu
30.03.2024 23:11registriert Oktober 2020
Social Media hat sich weit davon entfernt von dem wofür es einmal gedacht war.
Es macht mittlerweile mehr Probleme als es den Menschen hilft. Ich denke sogar, wir stehen erst am Anfang der Probleme wenn jetzt noch KI usw. dazu kommen.
Viele sind überfordert damit.
Ist wie bei Bill Murray in:
Die Geister die ich rief…
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