Heidi Klum beschäftigt mich sogar im Traum. Ist so. Leider. Ich mag sie nicht, ich finde GNTM eine gemeingefährliche Institution, die allzu vielen jungen Frauen das Selbstbild versaut, trotzdem habe ich auch von der 14. Staffel bisher jede einzelne Folge geschaut. «Guilty Pleasure», sündiges Vergnügen, kann man das schon gar nicht mehr nennen. Wahrscheinlich ist es von all meinen Perversionen die unerklärlichste.
Mir träumte also, ich nähme teil. Nicht ernsthaft natürlich, nur ironisch. Ich fragte Heidi: «Abgesehen vom Aussehen, welche Kernkompetenz muss ich mir wirklich aneignen?» Sie sagte: «Walken. Auf High Heels. Mit Attitude und Personality.»
Nun zwang mich das unberechenbare, gnadenlose Schicksal dazu, die letzten zwei Folgen GNTM direkt hintereinander zu schauen. Ich sah, wie sich die Heidi-Meedchen beim «Nacktshooting» die Brüste mit kleinen Hunden verdecken und mit überdimensionierten Handtaschen von einem Turm ins Wasser springen mussten. Ich sah sie straucheln, kreuchen und keuchen. Kurz: Es war so sinnlos wie immer. Wenn da nicht Jasmin und Melissa gegangen worden wären.
Jasmin war Heidis Sozialexperiment. Jasmin ist 18, kommt aus dem Frankfurter «Ghetto», wo auch immer das liegen mag, soll eine krass harte Kindheit und Jugend verlebt haben und sagt (sinngemäss) Dinge wie: «Wenn du mich asozial nennst, zeig ich dir, was assi wirklich heisst. Dann komm mal runter auf meine Stufe!» Und dann wird geprügelt. «Du darfst dich mit Worten prügeln, aber nie mit den Fäusten!», beschwor Heidi sie entsetzt und entliess sie dann wieder in die roughe Realität, wo die Extensions, die sie anderen ausreissen kann, nicht so teuer sind wie die in GNTM.
Melissa will jetzt tun, was sie eh schon vorhatte: Theologie und Philosophie studieren. Gut so. Melissa kommt aus der 63'000-Seelen-Stadt Rosenheim in Bayern, 63'000, das ist Basel minus 108'000, also sehr, sehr klein. Dort hatte sie als edgy Bisexuelle im Baby-Lady-Gaga-Style verständlicherweise auch kein leichtes Aufwachsen, man mag sich das gar nicht vorstellen.
Melissa rückte nun eigenmächtig GNTM in ein ganz neues Licht: Als Ort der Geborgenheit, wo sich Freaks zuhause fühlen dürfen. Vor GNTM hatte sie kein «Zuhause», da wusste sie bloss: «Du hast Hunger, du hast einen weiten Horizont, aber welchen Weg sollst du einschlagen?» Den Weg zu Heidi und ihrem Handyentzug natürlich. Letzterer ermöglichte den Meedchen nämlich jeden Abend wahnsinnig tiefsinnige Diskussionen, ja «Reflexionen».
Als Melissa gehen musste, heulte sie Bäche, es war echt herzzerreissend. Und sie sagte schöne Dinge wie: «Mit der Liebe seines Lebens rechnet man ja generell nie, umso schlimmer ist es dann, wenn es vorbei ist.» GNTM als Liebe ihres Lebens. So radikal romantisch hat das noch keine gesagt. Ihr Koi-Tattoo hat sie übrigens, weil ihr das Motiv auf irgendeinem Ed-Hardy-T-Shirt so gut gefallen hat. Und «precious» liess sie sich auf den Bauch tätowieren, damit sie jeden Tag daran denkt, wie wertvoll sie sich eigentlich fühlt.
Und dann ist da noch Theresias Tragödie. Sie liess sich nämlich ihre Beine verlängern. Lassen wir der Anschaulichkeit halber ihren Verlobten Thomas zu Worte kommen, damit die Prozedur hier ihre ganze abschreckende Wirkung entfalten möge: «Der Chirurg durchtrennt den Oberschenkelknochen. Und in diese Markhöhle wird dann ein Teleskop eingeführt, das mit Schrauben an den oberen und unteren Teil des Oberschenkels festgesetzt wird. Und dann fährt dieses Teleskop mechanisch immer ein bisschen weiter aus und streckt dabei Sehnen und Muskulatur über einen sehr langen Zeitraum.»
8,5 irre schmerzhafte Zentimeter kamen so hinzu. Theresia war davor zu klein gewesen für eine Modelkarriere. Und wie Jasmin und Melissa ein Mobbing-Opfer (gibt es eigentlich überhaupt jemanden, der in seiner Jugend nicht gemobbt wurde? Das ist eine ernst gemeinte Frage!). Und an dieser Stelle lassen wir etwas beschämt jede lustvoll zynische Beschönigung von GNTM und gehen alle eine Runde kotzen.
Hammer, danke!
Und selbst wenn man kritisch über diesen unterirdischen, menschenverachtenden Mist schreibt, gibt man dem Zeugs immer noch zu viel Aufmerksamkeit. Und somit auch immer Gratiswerbung.
Ergo Frau Meier: Wenn Sie den Jasmins, Melissas und Theresias wirklich einen Gefallen tun wollen, schauen Sie's nicht mehr und vor allem schreiben auch nicht mehr darüber. Sie werden zwar sehr alleine damit sein, aber wenigstens können Sie dann von sich selber sagen, dass sie den Müll nicht befeuert haben.
"Heidi wer? Die läuft nicht in Paris, die kennt man nicht".
Danke Karl!