In der Musikbranche herrscht Goldgräberstimmung. Die Liste der Superstars, die ihr Lebenswerk verkaufen, wird immer länger. Phil Collins, Bob Dylan, Bruce Springsteen und Tina Turner haben es bereits getan - zu ihnen sollen sich bald auch Pink Floyd, Justin Bieber und Dr. Dre gesellen. Es sind astronomische Summen, welche die Superstars für die Rechte an ihren weltbekannten Hymnen kassieren: von hundert Millionen bis zu einer halben Milliarde Dollar.
Dass Musikrechte gehandelt werden, ist nicht neu. Doch jüngst mischen nicht nur Musiklabels mit, sondern auch Investmentbanken wie Goldman Sachs – oder Firmen wie die britische Hypgnosis, die nichts anderes tun, als Musikrechte zu handeln. Sie wollen vom Boom der Musikindustrie profitieren, die 2021 weltweit einen Rekordumsatz von rund 26 Milliarden Dollar machte.
Grund ist das Streaming, das die Branche auf den Kopf gestellt hat. Auch in finanzieller Hinsicht: Früher verdienten Bands und Künstlerinnen ihr Geld vor allem mit neuen Songs in Form von CDs oder Downloads. Zu Beginn gab es intensive Promotion, dann ging man mit der neuen Musik auf Tournee. Mit alter Musik war kaum Geld zu verdienen.
Heute kassieren Künstler einen Fixbetrag pro Stream. Dieser ist mit rund einem halben Rappen zwar tief, doch für globale Stars kommen schnell Millionenbeträge zusammen - und zwar über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg. Mittlerweile entfallen zwei Drittel des weltweiten Branchenumsatzes auf Streaming. Auch der Boom von sozialen Medien wie Tiktok, wo viele Videos mit Musik hinterlegt sind, lässt die Kassen klingeln.
Bei einem erfolgreichen Song bleiben die Einnahmen über lange Zeit hoch. «Diese Kontinuität ist für Investoren attraktiv», erklärt Lorenz Haas, Geschäftsführer des Branchenverbandes der Schweizer Musiklabels (Ifpi Schweiz). Wer etwa die aktuellen Streamingdaten von Justin Bieber analysiere, könne ausrechnen, wie viel Umsatz seine Songs in den nächsten Jahren machten. Haas ist überzeugt: «Eine solche Investition birgt weniger Risiko als so manche andere Kapitalanlage.»
In der Schweizer Branche ist der Trend noch nicht angekommen. Zu klein ist die Reichweite selbst der bekanntesten Schweizer Künstlerinnen, als dass sie für finanzkräftige Investoren interessant wären. Doch was nicht ist, kann noch werden. So erklärt Lorenz Haas: «Wenn sich der Handel mit Musikrechten als Erfolgsmodell entpuppt, wird er auch die kleineren Umsätze erreichen.»
Ob der Trend in diese Richtung geht, werde sich in den kommenden Jahren zeigen. Denn ganz ohne Arbeit würden auch die lukrativen Musikrechte keine Gewinne abwerfen, mahnt Haas: «Es braucht immer noch die klassische Labelarbeit: Marketing und Promotion der Künstler, um die Streaming-Einnahmen anzukurbeln.»
Doch warum verkaufen die Superstars ihr musikalisches Schaffen? Laut Lorenz Haas gibt es mehrere Gründe dafür. Bei älteren Musikern wie Bob Dylan oder Bruce Springsteen gehe es oft um den Nachlass: «Sie verkaufen, damit sie selbst und ihre Erben sich nicht mehr mit dem Rechtemanagement herumschlagen müssen.» Während der Pandemie sei der Rechteverkauf auch eine Möglichkeit gewesen, um die wegfallenden Einnahmen von Live-Auftritten zu kompensieren.
Mitunter treibt der Handel mit Musikrechten auch kuriose Blüten. So berichteten verschiedene britische Medien über ein schwedisches Paar, das die Rechte am Wham!-Song «Last Christmas» kaufen will. Die beiden sind so genervt vom Lied, das in der Weihnachtszeit an den Radios rauf und runter gespielt wird, dass sie es aus dem Verkehr ziehen möchten.
Via Crowdfunding suchen sie nach finanzieller Unterstützung. Obwohl schon Spenden von über 62'000 Dollar zusammengekommen sind, ist das Unterfangen fast aussichtslos: Die Rechte am Wham!-Hit sollen rund 20 Millionen Franken wert sein - und der aktuelle Inhaber, Warner Chappel Music, müsste einem Verkauf auch noch zustimmen. (aargauerzeitung.ch)