Der am Freitag publizierte Report der UN Refugee Agency ist alarmierend: Nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg waren so viele Menschen auf der Flucht. Ausserordentlich viele Kinder sind betroffen. In diesen acht Ländern müssen mehr als eine Million Menschen fliehen:
In Syrien herrscht seit mehr als drei Jahren Bürgerkrieg. Ausgangspunkt waren im März 2011 zunächst friedliche Proteste gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die in einen blutigen Konflikt mündeten. Seither wurden Schätzungen zufolge mehr als 160'000 Menschen getötet. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.
Syrer, die es aus ihrem Land schaffen, werden in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern, vor allem im Libanon, in der Türkei und in Jordanien aufgenommen. Die Türkei hat für die Bürgerkriegsflüchtlinge die Grenzen geöffnet. Die Regierung in Ankara unterstützt die Rebellen, die gegen Assad kämpfen.
Fast sechs Millionen Menschen sind in Kolumbien auf der Flucht, die meisten von ihnen sind Binnenflüchtlinge. Tausende Familien mussten hier vor der Gewalt von Drogenbanden, Paramilitärs und Rebellentrupps flüchten. Ihr Schicksal erinnert an die Zeit, in der Kolumbien ein von brutalen Drogenkriegen zerrissener Dschungelstaat war.
Die meisten von ihnen konnten nie zurückkehren. Sie haben sich in den Städten niedergelassen. In Altos de la Florida beispielsweise, im Südwesten der Metropole Bogotá, wächst ein Elendsviertel die Berghänge hoch.
Der seit Jahren von Kriegen heimgesuchte Osten der Demokratischen Republik Kongo wurde lange nicht von der Regierung in Kinshasa, sondern weitgehend von verfeindeten Milizen und den Nachbarstaaten kontrolliert. Die Konflikte dort führten 1998 zu einem Krieg, dem bis 2003 mindestens drei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Auch nach dem offiziellen Ende des Krieges setzten Regierungstruppen und Milizen den Konflikt im Ostkongo fort.
Misswirtschaft, Korruption und Bürgerkriege machten das rohstoffreiche Land zu einem der ärmsten Staaten der Welt. Die meisten der 4,2 Millionen Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge. Sie kommen in oft hoffnungslos überfüllten Lagern unter.
Trotz dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 haben die radikalislamischen Kämpfer heute wieder in grossen Teilen des Landes weitreichenden Einfluss. Dem Westen ist es nicht gelungen, Afghanistan Sicherheit und Stabilität zu bringen. Das Land bleibt eines der gefährlichsten der Welt.
Laut dem Internetdienst icasualties.org starben seit Ende 2001 mehr als 2750 ausländische Soldaten bei Anschlägen und Angriffen. Nach Angaben aus Kabul wurden zudem mehr als 13'700 einheimische Sicherheitskräfte und zwischen 2007 und 2012 fast 15'000 Zivilisten getötet. Von einem funktionierenden Rechtsstaat ist Afghanistan weit entfernt. 3,6 Millionen Afghanen befinden sich im In- und Ausland auf der Flucht vor den blutigen Auseinandersetzungen.
1989 putschte sich Omar al-Baschir an die Spitze des von ethnischen Spannungen und einem Bürgerkrieg zerrissenen Staates. 2003 wurde in der Region Darfur ein Aufstand blutig niedergeschlagen, jahrelang griffen Regierungstruppen und Reitermilizen die nichtarabische Bevölkerung an. Viele der 6 bis 7 Millionen Einwohner verhungerten oder starben wegen katastrophaler hygienischer Bedingungen an Krankheiten. 2009 erliess der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Al-Baschir wegen Kriegsverbrechen.
Der an Bodenschätzen reiche Südsudan wurde 2011 nach langem Bürgerkrieg von (Nord-)Sudan unabhängig. Seit Ende 2013 bekämpfen sich Regierungstruppen des Präsidenten Salva Kiir vom Volk der Dinka und Rebellen um den Ex-Vizepräsidenten Riek Machar, ein Nuer. Bei Zusammenstössen der Volksgruppen wurden Tausende Menschen getötet. Tausende leben als Flüchtlinge im eigenen Land oder in Nachbarstaaten. Auch nach Friedensgesprächen und Waffenruhen wird weiter gekämpft. Krankheit und Hunger breiten sich immer mehr aus.
Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 gibt es keine funktionierende Zentralregierung in Somalia. Der Norden und Nordosten sind faktisch autonom. Die Menschen leiden unter einem langjährigen Bürgerkrieg rivalisierender Clans.
Die Miliz Al-Shabaab kämpft in Somalia für einen islamistischen Gottesstaat. 2011 konnten somalische Regierungstruppen mit Soldaten der Afrikanischen Union die Extremisten aus der Hauptstadt Mogadischu vertreiben. Die Al-Shabaab beherrscht aber noch Teile Mittel- und Südsomalias und verübt weiter Anschläge – auch in Nachbarländern. Immer wieder müssen ganze Familien vor Streitigkeiten in Familienclans fliehen.
Im März 2003 marschierte eine US-geführte Streitmacht in den Irak ein und stürzte das Regime von Saddam Hussein. Die Lage blieb jedoch instabil, und nach dem Abzug der US-Truppen versinkt das Land zusehends im Chaos.
Die Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIS) gewann erheblichen Einfluss, als 2013 der Streit der von Schiiten dominierten Regierung unter Nuri al-Maliki mit sunnitischen Parteien eskalierte. Immer wieder überziehen Extremisten das Land mit Terror. Mehrmals wurden von ISIS Städte vorübergehend besetzt oder ganze Provinzen faktisch von der Zentralregierung getrennt. Allein seit vergangener Woche, als Kämpfer der ISIS die Stadt Mossul eroberten, flüchteten eine halbe Million Menschen.
Seit Jahrzehnten ist die Zentralafrikanische Republik politisch instabil. Immer wieder putschten sich Rebellen an die Macht. Im März 2013 kam das muslimische Rebellenbündnis Séléka an die Regierung. Das Land stürzte ins Chaos, mehr als tausend Menschen starben bei Kämpfen zwischen Muslim-Rebellen und Christen-Milizen.
Auch nach der Wahl einer Übergangsregierung blieb die Lage unsicher. Bei den gewalttätigen Konflikten zwischen der Séléka und prochristlichen Anti-Balaka-Milizen wird immer wieder massivste Gewalt an der Zivilbevölkerung ausgeübt.