Musig im Pflegidach

Magdalini & Cuareim Quartet @ musig im pflegidach, Muri

Magdalini & Cuareim Quartet @ musig im pflegidach, Muri

Ein Blumenstrauss aus Tönen, Mimik und Gefühlen

Gemeinsam entführen Magdalini Giannikou (voc) und das Cuareim Quartet (Streichquartett) das Publikum auf eine musikalische Reise durch die Jahreszeiten. Die mitreissenden Melodien zaubern berührende Klänge in das Pflegidach und im Laufe des Abends erfährt das Publikum so manchen Gänsehaut-Moment. Der emotionale und authentische Auftritt der Musiker aus ganz Europa wird noch vielen in guter Erinnerung bleiben.
09.03.2024, 20:3211.03.2024, 20:32
silja beyeler
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Bevor das Konzert losging, gab es wie gewohnt ein paar Gespräche an der Musig-im-Pflegidach-Bar. Die Konzertbesucher waren sehr unterschiedlich, wie eine kurze Umfrage bewies. Die Schüler und Schülerinnen des Streicherorchesters der Alten Kanti Aarau sind gekommen, weil sie vom Lehrer die Möglichkeit bekommen haben. Andere sind da, weil sie immer dabei sind bei Musig im Pflegidach. Einige wissen gar nicht, wer heute spielt, aber sie lassen sich gerne überraschen, während sich am Stehtisch ein Paar auf das Konzert freut, das Giannikou schon mal für ein Gartenkonzert zu einem Geburtstagsfest engagiert hatte. Die Reihen werden gut gefüllt, einige Mitarbeiter müssen sich mit einem Platz auf dem Bartresen begnügen.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kantonsschule Wohlen. Im Rahmen ihres Deutschunterrichts verfassen die Schülerinnen und Schüler auch Konzertberichte, die in die Note einfliessen.

Ticket und Takeoff

Dann ist es so weit: Der Saal wird abgedunkelt und die fünf Musiker betreten die Bühne. Während das Cuareim Quartet zu spielen beginnt, steht Giannikou noch mit einem Weinglas in der Hand auf der Seite. Gebannt lauscht das Publikum den Klängen des Streichquartetts. Bereits nach wenigen Takten reisst die Musik das gesamte Publikum mit und es scheint, als würde der ganze Saal aus dem Alltag abheben und jeder einzelne realisiert, dass die Eintrittskarte an dieses Konzert ein Ticket für eine bezaubernde Reise durch die Jahreszeiten ist. Das Streichquartett spielt schon beim ersten Lied mit den scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten ihrer Instrumente. Das Pflegidach hebt ab. Selbst Magdalini Giannikou scheint von den Klängen so verzaubert zu sein, dass sie wie eine Schwalbe, die in der Abenddämmerung durch den Himmel gleitet, zu tanzen beginnt.

Magdalini & Cuareim Quartet - "Barcos" @ musig im pflegidach, Muri

Stewardess und Sonnenblumen

«Hello! How are you?» - wie eine Stewardess begrüsst Giannikou das reiselustige Publikum. Die Tour durch die Jahreszeiten beginnt im Sommer. Das erste Lied, bei dem die Zuschauer Giannikous Stimme hören können, handelt vom Juni. Mit einem französischen Chanson wird das Publikum mit wundervollen Klängen an einen Strand mit rosa Flamingos entführt. Die Stimme ist so mitreissend, dass manch einer das Gefühl hat, gerade in eine süsse Aprikose zu beissen oder an einer Sonnenblume zu riechen.

Bevor es mit dem verspielten Lied «Tentei» weitergeht, darf ein bisschen Komödie nicht fehlen. Die Sängerin fragt den Bratschisten: «How’s my make up?», worauf dieser lachend antwortet: «Better than mine.» Die Musiker sind dem Publikum dadurch nochmals sympathischer geworden. Mit ihrem authentischen Auftritt, ihrer spürbaren Freude an der Musik und ihrem strahlenden Lachen erhellen sie die Bühne – obwohl sie alle ganz in Schwarz gekleidet sind und sich damit kaum von den schwarzen Vorhängen abheben. Musiker ist eigentlich zu wenig gesagt – vielmehr scheint die Gruppe zu Reiseleitern geworden zu sein. Bei diesem Lied schaffen sie eine ganz besondere Atmosphäre – und dazu werden alle erdenklichen Mittel eingesetzt. Wer bis anhin dachte, Streichinstrumente lassen sich nur durch das Streichen über die Saiten mit einem Bogen bespielen, erfährt, dass das längst nicht alles ist: die Streicher zeigen vollen Einsatz und klopfen mit dem Bogen, trommeln auf den Cello-Korpus und nehmen sogar ein Plektrum in die Hand, um die Geige wie eine Gitarre zu spielen. Diese abwechslungsreichen Spieltechniken führen zu einer noch grösseren Anziehungskraft der Musik.

Das nächste Stück wurde nach einem traditionellen griechischen Kinderlied, das Giannikou schon in jungen Jahren sehr mochte, geschrieben. Zusammen mit den vier Herren nimmt sie die Reisenden mit einem kleinen Segelboot mit aufs Meer hinaus. Wer die Augen schliesst, hat schon bald das Gefühl einen salzigen Meerwassergeruch in der Nase wahrzunehmen.

Da aber auch der schönste Sommer irgendwann vorbei ist, folgt für den September ein melancholisches Stück. Die Musik ist sehr lyrisch und emotionsgeladen – dieses Stück lässt dem einen oder anderen sogar eine Träne über die Wange kullern.

Meerblick und Musikkarriere

Auch wenn der Sommer jetzt vorbei ist, das nächste Stück raubt dem Publikum fast den Atem: Giannikou singt auf Japanisch von den Ozeanen. Das Cuareim Quartet schafft es, Melodien zum Erklingen zu bringen, die Wellen so ähnlich sind, dass man das Gefühl hat, barfuss an einem Strand entlangzugehen und aufs weite Meer hinauszuschauen. Giannikou schreibt auf ihrer Website «Everything I create somehow leads back to my love for the ocean.» - genau diese Liebe ist in diesem Stück unglaublich stark spürbar.

Den November gibt das Cuareim Quartet ohne Unterstützung von Gesang zum Besten. Dieses Stück beweist nochmals die unglaubliche Vielfalt und das grosse Können des Quartetts und damit, dass es einmal mehr wirkliche Profis sind, die im Pflegidach spielen: Rodrigo Bauzá (vl), der das Quartett 2013 gegründet hat, wurde 1983 in Argentinien geboren. Schon früh hat er sein Leben der Musik gewidmet und ist unter anderem ein Mitglied des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und spielte schon mehrmals auf den berühmten Stradivari Instrumenten. Federico Nathan (vl), der 1986 in Uruguay zur Welt kam, ist einer der besten zeitgenössischen Geiger, der das Handwerk des Improvisierens und die Mischung verschiedenster Musikstile beherrscht wie kaum ein anderer. Der älteste des Quartetts ist Olivier Samouillan (va). Der gebürtige Franzose mit Jahrgang 1976 spielt mehrere Instrumente und ist ein begabter Filmmusik-Komponist. Auch Guillaume Latil (clo) ist in Frankreich geboren. Seit er drei ist, spielt er Cello. Und dies mit grosser Hingabe und Talent, das von traditioneller Musik bis zum Jazz reicht. Das Cuareim Quartet ist ein einzigartiges Streicherquartett, das mit dieser für Jazz ungewöhnlichen Instrumentebesetzung so manchen zum Staunen bringt. Vor wenigen Wochen ist ihr neues Album «A Jazz Story» herausgekommen.

Im Dezember kann Giannikou zeigen, dass sie nicht nur singt wie eine Nachtigall, sondern auch des Klavierspiels mächtig ist. Das Akkordeon hat die Griechin für diesen Auftritt zuhause gelassen, obwohl sie auch dieses sehr gut beherrscht. Ausserdem komponiert sie seit ihrem Jugendalter auch Filmmusik. Sie wurde 1981 in Athen geboren und begann ihre Karriere zuerst als Lehrerin, bevor sie sich auch beruflich der Musik widmete.

Frühlingsgefühl und Fernweh

Leider neigt sich das Konzert schon langsam dem Ende zu und die Sängerin kündigt an, dass die Monate Januar und Februar übersprungen werden «…because they are cold». Somit landen die Reisenden im Frühling. Der Bratschist beginnt mit einem Intro und dann startet das Lied in einen immer schneller werdenden Rhythmus und die Wärme der aufblühenden Melodie strömt durch die Herzen des Publikums. «Leleyo» ist ein richtiger Ohrwurm.

Abschliessend präsentiert das Quintet einen Song, der noch nicht veröffentlicht wurde. Giannikou, die das Lied mit einer brasilianischen Freundin geschrieben hat, gibt nochmals alles und die hellen, fröhlichen Klänge bringen das Pflegidach sanft zur Landung. Doch das Publikum lässt nicht locker und nach einer ersten Verbeugung, bringt die Gruppe noch eine Zugabe: jedoch müssen sich die abenteuerlustigen Zuschauer nun selber noch bemühen. Der glänzende Schlusspunkt wird nämlich von allen mitgetragen: Giannikou kniet barfuss auf den Boden, die Streicher setzten nochmals alle Energie ein und das Publikum singt (oder wohl besser: summt) gut gelaunt den Refrain mit.

Nach dem Konzert sind viele glückliche Gesichter zu sehen. Die Musiker mischen sich unter das Publikum und bevor das Pflegidach sich langsam leert, gibt es noch einige herzliche Umarmungen. Die Musiker haben sich den «Cheese Hang» mit einem guten Stück Gruyère nach dieser erfolgreichen Premiere mehr als verdient. Und die Konzertbesuchenden werden wohl noch lange Fernweh nach diesem Konzert haben.

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quelle: marin valentin wolf
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