Die Schweiz erlebte in den letzten Jahren einen Camping-Boom, die Coronapandemie verstärkte diesen zusätzlich. Auch jetzt sind Ferien auf Campingplätzen beliebt. So verbrachten Schweizer Gäste 2024 fast drei Millionen Übernachtungen auf heimischen Campingplätzen, das ist eine Steigerung von rund 15 Prozent gegenüber 2019 und gar 64 Prozent im Vergleich zu 2016. #vanlife wurde zum neuen Lebensgefühl und Camperbüssli schwemmten die Campingplätze.
Kurz: Ferien in der Schweiz – oder zumindest im nahen Ausland – erlebten nach der Coronapandemie einen Aufschwung.
Das spielte einem Trend in die Karten, der schon vor rund 20 Jahren zum Höhenflug ansetzte. Während die Bestände der Wohnmobile (dazu werden auch Camping-Büssli gezählt) in der Schweiz in den 1990er Jahren noch ziemlich konstant bei rund 20'000 pro Jahr lagen, gab es danach nur noch eine Richtung: nach oben.
Gemäss Angaben des BfS haben sich die Bestandeszahlen in den letzten 20 Jahren verfünffacht, alleine seit 2016 verdoppelt. 2024 waren schweizweit 103'823 Wohnmobile zum Verkehr zugelassen. Wie die Fahrzeugbestand-Liste 2024 des BfS zeigt, sind die VW California dabei mit rund 30'000 Fahrzeugen deutlich die grösste Gruppe.
Der Verein Wohnmobilland Schweiz gab kürzlich bekannt: Die Zahl der Stellplätze in der Schweiz vervierfachte sich in den letzten sechs Jahren. Im Vergleich zu Campingplätzen sind Stellplätze oft unbedient. Auch Wasseranschlüsse und Entsorgungsstationen gibt es nicht überall.
Aber Wohnwagen sind vielen Campern heute zu gross und zu wenig flexibel einsetzbar. Darum boomten seit einigen Jahren kleine Camper-Büssli. Insbesondere die California T5 und T6 von Volkswagen, die in ihren Ausstattungen Beach, Ocean und Coast einen regelrechten Hype erlebten, trugen zum Verkaufsboom der Wohnmobile bei.
Der Vorteil der Fahrzeuge: Sie bieten dank dem aufklappbaren Dach Schlafplatz für vier Personen, haben ein Vorzelt dabei, die Küche ist teilweise eingebaut, man kann das Fahrzeug mit diversen Extras wie zum Beispiel WC aufpeppen, dass es einem Wohnmobil kaum mehr nachsteht.
Und vor allem: Die Büssli lassen sich auch im Alltag nutzen und kommen in praktisch jede Tiefgarage. Darum sind diese Camper nicht nur an Ferienorten oder auf irgendwelchen Parkplätzen zu sehen, sondern auch im täglichen Verkehr. Das Fahrzeug wurde zu Hipstermobil – dazu später mehr.
Der Aufschwung der Wohnmobile ist zu einem grossen Teil auf die Camper-Büssli zurückzuführen. Diese gehören zwar längst zu Klassikern, aber der Boom auf Glamping und neue Modelle liessen die Zahlen steigen. In diesem Jahr feiert der «Bulli», zu welchem auch die California-Modelle gehören, sein 75-jähriges Jubiläum. 1988 gab es mit ebendiesem California erstmals einen Camper aus VW-Produktion.
VW lancierte 2015 die California-T6-Modelle Beach (ohne Küche und Schränke, dafür längere Sitzbank), Coast und Ocean (beide mit Küche). Die Verkaufszahlen in der Schweiz zogen danach merklich an. Doch an die Zahlen von 2019 kamen die Verkäufe bisher nicht mehr. Vier Jahre hielten sie sich hoch, 2024 folgte der Absturz – und auch 2025 wurden bisher in der Schweiz erst knapp 800 der Camper verkauft.
Die AMAG, Generalimporteur für alle VW-Fahrzeuge in der Schweiz, schreibt auf Anfrage: «Die allgemeine Nachfrage im Schweizer Wohnmobilmarkt ist zuletzt spürbar zurückgegangen – eine Entwicklung, die sich auch bei etablierten Modellen wie dem California bemerkbar macht.» Bis das neue Modell T7 (seit Ende 2024 erhältlich) sich auf dem Markt etabliere, dauere es erfahrungsgemäss einige Zeit.
Die AMAG ergänzt auf Nachfrage zu den Gründen: «Viele Personen, die sich in den vergangenen Jahren einen Camper anschaffen wollten, haben dies bereits getan – der Markt ist weitgehend gesättigt.» Dazu kommt die verhaltene Konsumentenstimmung in der aktuellen Zeit mit vielen Unsicherheiten. Trotzdem gilt noch immer: Wer einen Campingplatz besucht, kommt an diesen Büssli nicht vorbei.
Camping-Ferien treffen den Nerv der Zeit weiterhin. Aber gab es eine Sättigung für Büssli? Stefan Lieberherr, CEO von mycamper.ch, wo Private ihre Fahrzeuge zur Vermietung anbieten können, berichtet auf Anfrage: «Nach dem ausserordentlichen Wachstum während der Coronajahre 2020 und 2021 hat sich der Markt in eine reife Phase bewegt, bleibt jedoch auf hohem Niveau.»
Bei mycamper.ch sind aktuell rund 2200 Wohnmobile, Wohnwagen und Camper verfügbar – in etwa 900 mehr als noch 2020. 13 Prozent davon (knapp 300) sind VW-Camper (T2 bis T7).
Ist der Boom vorbei? Lieberherr sagt: «Das extreme Wachstumstempo hat sich normalisiert, dennoch rechnen wir für die kommenden Jahre gesamthaft mit einer jährlichen Steigerung im zweistelligen Prozentbereich.»
Übrigens: Die Elektromobilität steckt im Campersegment noch in den Anfängen. Von insgesamt 5800 gelisteten Fahrzeugen auf der Plattform ist derzeit keines vollelektrisch.
Spätestens mit der Coronapandemie wurden viele Campingbüssli neu erworben. Aber jetzt gehen die Neuverkäufe zurück. Wirkt sich das auch auf die Occasionen aus? Immer wieder hört man, dass die Büssli – vor ein paar Jahren noch problemlos zu verkaufen – nicht mehr ganz so schnell einen Abnehmer finden.
Tatsächlich finden sich auf Occasions-Plattformen fast endlos Camperbüssli zu kaufen. Es scheint, dass viele nach der Coronapandemie gemerkt haben: Ist doch nichts für mich.
Saskia Iten von der Swiss Marketplace Group AG, welche unter anderem AutoScout24 betreibt, schreibt im Hinblick auf das erste Halbjahr: «Der deutliche Anstieg der Inserate in diesem Jahr lässt sich auf die Markteinführung der neuen Modelle California und T7 California zurückführen.»
Der inserierte Preis für die Büssli nahm dabei seit 2022 jährlich jeweils im tiefen einstelligen Prozentbereich ab, nachdem er 2021 noch um fast fünf Prozentpunkte zugelegt hatte. Ein Blick auf die anderen Camping-Fahrzeuge zeigt: Da ist die Lage deutlich stabiler – seit 2022 mit einer jährlichen prozentualen Zunahme von Inseraten zwischen 10 und 20 Prozent.
Camping boomt also weiterhin. Auf vielen Campingplätzen sind Zelte immer mehr in der Unterzahl. Das zeigt sich noch immer bei Romantikern, welche die Anwesenheit der Minicamper als Plage bezeichnen.
Viele Campingplätze seien immer häufiger Wagenburgen aus Wohnmobilen oder ebendiesen – als Hipstermobil verschrienen – Büssli. Jetzt stocken die Verkaufszahlen, Occasionsplattformen werden mit Angeboten geschwemmt. Die Frage ist: Nur ein kleiner Dip oder wird ein neues Freiheitsgefühl angestrebt?
Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form 2020 während dem grossen Büssli-Boom.