Am Montag begann eine schwierige Etappe bei der Bergung des verunglückten Höhlenforschers aus der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden: Nach der Ruhepause am Biwak 4, das der Rettungstrupp am Sonntag erreicht hatte, mussten die Helfer den Verletzten in seiner Trage entlang glatter Steilwände an Seilzügen nach oben hieven.
Der Transport verlief schneller als erwartet: Das Rettungsteam erreichte bereits Biwak 3 in rund 700 Metern Tiefe, wie die Bergwacht Bayern am Montagvormittag mitteilte. Zuvor war die Bergwacht davon ausgegangen, dass diese bisher schwierigste Etappe der Bergung bis zu zwei Tage dauern könnte, denn die Gegebenheiten in diesem Teil der Höhle sind besonders schwierig: An der Wand des ersten Abschnitts, der sogenannten «Grossen Schräge», läuft ein 200 Meter langer Wasserfall herab.
In Biwak 3 soll der Verunfallte nun Zeit zur Erholung haben. Im Laufe des Tages werde ein weiterer Arzt bei ihm ankommen. Sein Zustand sei weiter stabil. Die Fortsetzung des Transports sei für den Nachmittag oder Abend geplant. Dutzende Helfer sichern inzwischen den Weg nach oben weiter ab, damit die Gruppe mit dem Verletzten besser vorankommt.
Das Rettungsteam steht unter der Leitung der bayrischen Bergwacht und vereint Rettungsteams aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz. Insgesamt sind etwa 100 Retter im Einsatz – darunter auch rund zwanzig Spezialisten der Schweizer Höhlenrettung.
Der erfahrene Höhlengänger, der am Institut für Angewandte Physik des Karlsruher Instituts für Technologie arbeitet, hatte am Sonntag vor einer Woche durch einen Steinschlag in 1000 Metern Tiefe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Die 1995 entdeckte Riesending-Schachthöhle ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Bisher wurden 19,2 Kilometer vermessen; die tiefste Stelle befindet sich 1148 Meter unter dem Einstieg im Untersberg in den Berchtesgadener Alpen. Direkt unter dem Eingang, der auf ca. 1843 Meter über Meer liegt, beginnt eine erste Serie von Schächten bis in eine Tiefe von rund 350 Metern, wo das erste Horizontalniveau der Höhle mit einem Canyon liegt. Daran schliesst sich ein weiteres Schachtsystem an, das rund 450 Meter weiter in die Tiefe führt. Dort beginnt ein ausgedehntes Horizontalniveau, von dem aus weitere Schächte in die Tiefe führen.
Die Höhle erhielt ihren Namen «Riesending» aufgrund eines erstaunten Ausrufs bei der Entdeckung. Seinem Namen macht das Höhlensystem alle Ehre; vermutlich ist es bedeutend länger und tiefer als derzeit durch Vermessungen belegt. Einige Teile der Höhle, deren Einstieg geheim gehalten wird, sind bei Unwettern oder bei der Schneeschmelze stark hochwassergefährdet.
Schachthöhlen, die aus schachtartigen, überwiegend senkrechten Gangpassagen bestehen, sind in den Alpen häufig. Sie kommen aber auch in anderen Karstlandschaften vor; zum Beispiel in Kroatien, wo das Lukina Jama–Trojama eine Tiefe von über 1400 Metern erreicht. (dhr/sda/dpa) Höhlensystem