Seit 500 Jahren wisse man schon, dass heute Don Pedro, der Prinz von Aragon (André Meyer), mit seinem Gefolge in Messina eintreffen werde. Das verkündet der etwas zerzauste Gouverneur Leonato (Christian Beppo Peters), der diese Information aus einem zerknitterten Shakespeare-Exemplar von «Viel Lärm um nichts» herausliest.
Leonato wuselt herum, ist furchtbar nervös, will sein Haus in Schuss bringen, bevor Don Pedro eintrifft, während seine Nichte Beatrice (Sarah Viktoria Frick), die unbeugsame Feministin mit Schnauzbart, sich daran macht, ihrer puppenhaften Cousine Hero (Nadja Migdal) unflätige Gestiken beizubringen: Sie muss grunzen wie eine Sau und anstatt den Gästen zuzuwinken, soll sie ihnen den Stinkefinger zeigen.
Beatrice beginnt staubzusaugen, aber nicht ohne mit dem Rohr gewisse Dinge anzustellen und darauf hinzuweisen, dass sie nur das gängige Frauenbild entstaube.
Leonato schwitzt. Er droht vor lauter Überspanntheit in Ohnmacht zu fallen. Dann besinnt er sich aber eines Besseren und versucht seiner Ziehtochter den Bart vom Gesicht zu reissen. Ein Fall von klassischem Bartneid. Die anarchische Beatrice will ihn natürlich nicht hergeben: Mit einem kräftigen Ruck schafft der Gouverneur es letztlich, seine Position als Mann im Hause zurückzuerobern: «Der Bart gehört dem, der ... äh ... ihn sich nimmt!»
Der Schnauz bleibt ihr erhalten, bis endlich die erwarteten Gäste eintreffen. Benedict (Martin Vischer), den Beatrice krampfhaft und aus tiefster Seele zu verachten versucht, rupft ihr den haarigen Balken von der Oberlippe. Ihr Herz wird mit dem Grad ihres Bartschwundes stets ein bisschen garer bis sie sich schliesslich – nach etlichen spitzen Wortgefechten mit dem paduanischen Edelmann – seiner Liebe hingibt.
Natürlich bockt auch Benedict mindestens eine Stunde lang herum. In allergrösster Verzweiflung versucht er seine Junggesellen-Fassade vom Bröckeln zu bewahren. Er würde niemals heiraten, das käme ja quasi einer Kastration gleich: Man betrachte nur seinen florentinischen Grafenfreund Claudio (Robert Rozic), der sich in Nullkommanichts in Hero verliebt hat und ihr dann auch noch sofort seine Zuneigung gesteht. Dieses Zergehen im Schmelztiegel der Liebe, unerhört! Früher war Claudio ein Mann, ein Krieger, jetzt aber betrachtet er nur noch «das Fliessen seiner Beinkleider».
Was der isländische Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson hier inszeniert hat, ist ein einmalig verspieltes Schaustück. Eine Welt, in der Slapstick-Humor auf körperliches Theater trifft, während auch die (Halb-)Nacktheit nicht fehlt, nur ist diese ironisch gebrochen (Benedict ganz überrascht: «Ich habe ja gar keine Hosen an! Das fällt ja auf!») und gipfelt in einer vulkanartigen Ejakulation.
Selbst die Zuschauer werden mitsamt der zweiseitigen Tribüne ins sehr rote Bühnenbild und die Handlung integriert, sie werfen Rosen für die hohen Gäste oder spielen Apfelbäume im Märchenwald.
Trotz aller Regie-Freiheiten und dem Experimentieren auf mindestens tausend Meta-Ebenen könnte Arnarsson den Shakespeare-Stoff nicht trefflicher in unsere Zeit transferieren: Eine wonnige Komödie über die Geschlechter und ihre Rollen, die selbst ohne den klassischen Shakespeare-Bösewicht auskommt. Die Katastrophe tritt nämlich auch so ein, einfach weil sich die Figuren zuweilen zu blöd anstellen, obwohl sie es eigentlich alle gut miteinander meinen. Wie Menschen eben und vor allem wie die Menschen aus Shakespeare, deren Schwächen dieser Dramengott so vorzüglich zu beschreiben wusste.
Getragen wird das Stück vor allem von den zwei Schauspieler-Grössen Sarah Viktoria Frick und Martin Vischer. Und so wie sich Beatrice und Benedict ihrer Liebe zueinander letztlich machtlos ergeben, müssen Sie als Zuschauer zugeben, sich in mindestens eine dieser Figuren unbändig verliebt zu haben.