Ronia, viele Kinder würden am liebsten nur Pasta essen – wie kann man als Eltern dafür sorgen, dass sie mehr Gemüse essen?
Gar nicht! Kinder sind von Natur aus intuitive Esser. Sie brauchen die Möglichkeit, ihre eigenen Essgewohnheiten zu entwickeln, und nehmen sich das, was sie brauchen. Viele Kinder machen Phasen durch, in denen sie ein bestimmtes Gericht bevorzugen. Gesunde Kinder vertragen das gut, sie haben keine Mangelerscheinungen und bekommen genug Energie. Ausserdem gehen die Phasen vorbei. Es gibt kaum Menschen, die auch im Erwachsenenalter nur Nüdeli mit Butter essen …
Hier findest du nur einen kleinen Auszug aus dem Interview mit Ronia Schiftan. Das ganze Interview kannst du im Swissmilk-Podcast nachhören:
Als Eltern sollte man Kinder also nicht zwingen, Essen zu probieren?
Genau! Als Eltern sollte man sich vielmehr fragen: Warum will ich, dass das Kind das Essen probiert? Oft stecken Ängste dahinter: Angst, dass das Kind «schnäderfräsig» wird, dass es ausgeschlossen wird oder nicht genügend Vitamine bekommt. Diese Ängste sind meist unbegründet. Als Erwachsene kontrollieren wir schon fast den gesamten Alltag der Kinder. Wir müssen nicht auch noch ihr Essen kontrollieren. Kinder wissen intuitiv, was sie brauchen.
Wenn ich etwas koche, möchte ich aber, dass es auch gegessen wird …
Verständlich! Als Eltern macht man sich einen grossen Gefallen, wenn man dem Kind nicht nur Neues anbietet, sondern immer auch etwas in petto hat, dass das Kind garantiert mag. Nüdeli mit Butter zum Beispiel. Oder ein Stück Brot mit Konfi.
Ein grosser Streitpunkt in Familien sind Süssigkeiten. Wie kann man das Thema entspannen?
Indem man Essen nicht wertet in «gut» und «schlecht». Essen sollte wertfrei sein. Oftmals sind solche Wertungen auch absurd: Ob wir Zucker in einer Banane oder in Schokolade aufnehmen, ist dem Körper egal. Er wird gleich verwertet. Süssigkeiten werden auch oft als Machtinstrument benutzt: Wenn du die Erbsli isst, gibts ein Guetzli. Wenn man das sagt, qualifiziert man die Erbsli automatisch als «minderwertig» ab – schliesslich muss ich sie essen, damit ich das «gute» Guetzli bekomme. Ausserdem wird das Guetzli vom reinen Nahrungsmittel zu einer Belohnung hochstilisiert.
Was keinen Sinn macht …
Genau! Ich rate Eltern: Stellt doch einfach mal die Süssigkeiten hin und schaut, was passiert. Wenn das Kind ein Riesenstück Schoggikuchen verlangt, darf man ihm das ruhig mal geben. Es wird selbst merken, wenn es zu viel war. Dann kann man das als Eltern einfach so aufnehmen, ohne grosse Diskussion. Für das Kind wird die Süssigkeit so gleich weniger attraktiv, als wenn Mami und Papi jedes Mal aufspringen, wenn es etwas davon nimmt. Und: Beim nächsten Mal weiss das Kind besser, wie viel es wirklich davon essen möchte.
Und wenn das Kind einfach nicht aufhört, Süssigkeiten zu essen?
Dann liegt das Problem bei der Körperwahrnehmung und nicht bei den Süssigkeiten. Dann gilt es da anzusetzen und der Frage nachzugehen: Wann hast du genug? Wie fühlt sich das an?
Viele Eltern haben hohe Ansprüche an ihr Essen – und ein schlechtes Gewissen, wenns mal Fertigpizza gibt. Zu Recht?
Wir befinden uns in einer Welt des ständigen Optimierens. Wir sehen auf Instagram Mamis, die ihren Kindern Rüebliherzli für ihre Znüniboxen ausstechen, die alles perfekt machen. Dass baut einen gewaltigen Druck auf. Da braucht es Mut, zu sagen: Heute machen wir mal eine Fertigpizza. Morgen gibts dann wieder etwas Selbstgemachtes. Denn am wichtigsten ist, dass die Atmosphäre beim Essen stimmt: In einer entspannten Stimmung kaut man besser, isst bewusster und auch weniger. Zu einer solchen Atmosphäre gehört auch, dass die Kinder vom Tisch gehen dürfen, wenn sie fertig sind. Das ist auch für die Eltern entspannender!