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F-35: Wie gross ist das Milliardengrab beim und wer trägt die Schuld?

HANDOUT - Un avion F/A-18 de l'Armee Suisse, gauche, et un F-35, droite en bas, et un Eurofighter, droite en haut, de l'Armee italienne, droite en bas, sont photographies lors de la journee  ...
Die Schweiz und die USA haben zum Preis von rund 6 Milliarden Franken für 36 F-35-Kampfjets eine Differenz. Denn die USA machen ein Missverständnis und zusätzliche 650 Millionen bis 1,3 Milliarden Dollar geltend, während die Schweiz von einem bereits ausgehandelten Festpreis ausgeht.Bild: keystone

Wie gross ist das Milliardengrab beim F-35 und wer trägt die Schuld?

Ein «Missverständnis» nennt die USA die Annahme der Schweiz, beim F-35 zahle sie einen Fixpreis von sechs Milliarden. Mehrkosten von bis zu 1,3 Milliarden Franken kommen auf die Schweiz zu - und das ist nicht die einzige Fehleinschätzung der Armee.
26.06.2025, 09:5426.06.2025, 14:03
Benjamin Rosch, Lea Hartmann / ch media
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Für Martin Pfister ist es ein happiger Einstieg in den Job als Verteidigungsminister. Erst drei Monate im Amt, muss er beichten, dass das neue Kampfflugzeug deutlich teurer wird als geplant. Er wolle «transparent sein und sagen, was Sache ist», kündigte Pfister an. Seine Botschaft: Die Lage rund um die Beschaffung des F-35 ist ernst. Die zwölf wichtigsten Fragen und Antworten:

Was verkündete Martin Pfister am Mittwoch vor den Medien?

Schon länger kursieren Gerüchte, der F-35 der US-Firma Lockheed Martin werde teurer als geplant. Nun zeigt sich: Es ist alles noch schlimmer. Einen Fixpreis gäbe es nicht, die Schweiz sei einem «Missverständnis» erlegen, sagen die Amerikaner. Aber nicht nur das: Auch die Aufrüstung der Schweizer Militärflugplätze wird teurer als angenommen. Statt 120 Millionen betragen die Baukosten für neue Hangars und Simulatoren neu 180 Millionen.

Urs Loher, Ruestungschef, rechts, spricht neben Bundesrat Martin Pfister, links, an einer Medienkonferenz ueber das Entlastungspaket 27 und Budget 2026, am Mittwoch, 25. Juni 2025, im Medienzentrum Bu ...
VBS-Vorsteher Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher informierten am Mittwoch zum Missverständnis mit den USA.Bild: keystone

Ist das alles?

Nein. Auch das Luftabwehrsystem Patriot, das die die Schweiz in einem Paket mit dem F-35 in den USA bestellte, wird möglicherweise teurer. Dies, weil die USA Patriot unter anderem mit einem neuen Radarsystem ausstattet. Die Kosten dieser Weiterentwicklung verteilen sie auf ihre Kunden. Wie hoch die Mehrkosten ausfallen, ist offen: Der Bundesrat will nun klären, was dies für die Schweiz bedeutet.

Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Die ehemalige Verteidigungsministerin Viola Amherd hat stets behauptet: Die Schweiz profitiere beim Kauf der neuen Kampfjets von einem Fixpreis. Im August 2024 gelangten nach Darstellung des Bundesrats erstmals jene Nationen, die den F-35 entwickeln, mit Andeutungen von Mehrkosten an die Schweiz. Im Februar diesen Jahres informierte das US-Verteidigungsdepartement dann den Bundesrat, dass es sich beim Fixpreis um ein Missverständnis handle. Was Amherd dem Gesamtbundesrat im März berichtete.

Die scheidende Bundesraetin Viola Amherd spricht kurz vor der Ersatzwahl in den Bundesrat durch die Vereinigte Bundesversammlung, am Mittwoch, 12. Maerz 2025 im Nationalratssaal in Bern. (KEYSTONE/Ant ...
Sprach von einem Fixpreis: die ehemalige Verteidigungsministerin Viola AmherdBild: KEYSTONE

Welche Mehrkosten kommen auf die Schweiz zu?

Die exakte Summe steht noch nicht fest. Aber demnächst gehen die ersten acht der 36 von der Schweiz bestellten Flieger in Produktion. Die Mehrkosten dafür dürften sich auf rund 650 Millionen Franken belaufen. Das Verteidigungsdepartement hat aufgrund dessen eine Schätzung für die gesamte Flotte getroffen. Diese beläuft sich auf 1,3 Milliarden Franken.

Wie begründen die Amerikaner die Mehrkosten?

Mit der Inflation, mit stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen im Nachgang der Covid-Pandemie. Dieses Mehrkosten müsse die Schweiz übernehmen.

Ist ausgeschlossen, dass der Flieger noch teurer wird?

Nein. Zwar stellten die Covid-Pandemie und die damit verbundenen Verwerfungen an den Rohstoff- und Energiemärkten eine ausserordentliche Situation dar. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es erneut zu einer Ausnahmesituation kommt. Zum Beispiel, wenn der Iran die Strasse von Hormuz schliesst und deshalb der Ölpreis durch die Decke schiesst.

Seit März heisst der Verteidigungsminister Martin Pfister. Wie geht er mit der Altlast seiner Vorgängerin um?

Pfister hält zunächst einmal an der Darstellung fest, dass es sich um einen Fixpreis handle. Aber vor einem Schiedsgericht einen Entscheid herbeiwirken kann er nicht: Die Schweiz beschafft den F-35 nicht beim Hersteller, sondern beim US-amerikanischen Staat über das sogenannte Foreign Military Sales «Program». Für diesen Deal gibt es keine Gerichtsbarkeit. Pfister muss deshalb auf diplomatischem Weg eine Einigung erzielen.

KEYPIX - Bundesrat Martin Pfister spricht an einer Medienkonferenz ueber das Thema "Air2030: Aktuelle Herausforderungen und weiteres Vorgehen", am Mittwoch, 25. Juni 2025, im Medienzentrum B ...
Martin Pfister an der Medienkonferenz zum F-35. Er hält zunächst an der Darstellung fest, dass es sich um einen Fixpreis handle.Bild: keystone

Kann die Schweiz den Vertrag nicht einfach kündigen?

Verteidigungsminister Pfister sagte vor den Medien zwar, als «ultima ratio» werde er auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Realistisch ist dies aber kaum. Die Schweiz steht mit dem Rücken zur Wand. Die aktuelle Flotte besteht aus F/A-18 und F-5 Tiger. Diese sind aber am Ende ihrer Nutzungszeit angelangt. Will die Schweiz nach 2032 noch über eine Luftwaffe verfügen, ist sie auf eine baldige Lieferung der F-35 angewiesen. Verteidigungsminister Pfister stellte am Mittwoch klar: Eine Alternative, beispielsweise aus Europa, könnte nicht in der gebotenen Zeit beschafft werden. Und würde vermutlich auch teurer als das vereinbarte Kostendach.

Welche Handlungsoptionen hat der Bundesrat sonst?

Aktuell regiert noch das Prinzip Hoffnung: dass der Bundesrat auf dem diplomatischen Weg eine Einigung mit den amerikanischen Behörden erzielt, womöglich sogar im Zuge der aktuellen Zoll-Diskussionen. «Wir glauben nach wie vor daran, eine Lösung zu finden. Die USA haben ein Interesse daran, als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen zu werden», sagte Martin Pfister. Beharrt die US-Administration aber auf ihrer Forderung, bleiben Pfister im Wesentlichen zwei Wege: Entweder er hält das vom Volk abgesegnete Kostendach von rund sechs Milliarden ein und kauft entsprechend weniger Flugzeuge. Oder er gelangt mit einem Nachtragskredit ans Parlament.

Wie viel hat die Schweiz schon bezahlt?

Bisher sind bereits 650 Millionen Franken an die USA geflossen, teilte das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) im Frühling auf Anfrage des «SonntagsBlick» mit. Bis Ende Jahr soll es bereits eine Milliarde Franken sein. Weitere 2,3 Milliarden Franken sollen laut Tamedia-Zeitungen in den nächsten zwei Jahren folgen - womit die Schweiz noch vor Auslieferung der ersten Jets 2028 über die Hälfte der 6 Milliarden Franken überwiesen haben wird.

Norwegian F-35 Lightning fighters during the Arctic Challenge Exercise (ACE) at Orlandet air station, Norway, Thursday, June 1 2023. Aircraft from Norway, Belgium, the Czech Republic, Italy, the Nethe ...
Bisher sind bereits 650 Millionen Franken an die USA geflossen.Bild: AP NTB

Was ist mit den Gegengeschäften, so genannte Offset-Deals zugunsten der Schweizer Wirtschaft?

Vor einem Jahr verkündete das Rüstungsunternehmen RUAG MRO: Das für die Zukunft des Betriebs wichtigste Offset-Geschäft sei «unter Dach und Fach.» Gemeint war das Projekt Rigi, das der Schweiz die Endmontage von vier F-35 ermöglichen soll. Dies scheint nun aber ernsthaft bedroht: Zurzeit werde geprüft, «wie das Projekt mit einem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis umgesetzt werden kann», teilt der Bundesrat dazu mit.

Wer ist verantwortlich für diese Fehleinschätzungen?

Nicht mehr viele, die den Kampfjet-Kauf der Schweiz eingefädelt haben, sind noch auf ihrem Posten. Verteidigungsministerin Viola Amherd nahm Anfang Jahr den Hut, der ehemalige Rüstungschef Martin Sonderegger ist pensioniert und der Kampfjet-Chef des Bundesamts für Rüstung, Darko Savic, hat in die Privatwirtschaft gewechselt. Dies sorge noch immer für Unruhe und eine mangelnde Resilienz, sagte der aktuelle Rüstungschef, Urs Loher. Zu sagen ist aber auch: Gestützt haben sich diese Personen auf eine Vielzahl Schweizer Rechtsgutachten, die sich im Nachhinein wohl als wertlos herausstellen.

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Die beliebtesten Kommentare
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Ruudi65
26.06.2025 11:41registriert Februar 2022
Ich bin überrascht mit welcher Leichtigkeit Watson hier die Politik aus der Verantwortung nimmt.

Es lag ein klarer Hinweis seitens Finanzkontrolle vor, der davor warnte, dass kein Fixpreis im Vertrag drinn ist.

Weder der damalige Finanzminister Maurer, noch die zuständigen Kommissionen im Nationalrat (unter der Leitung von Mauro Tuena) oder im Ständerat (Unter der Leitung von Werner Salzmann) haben ihren Job gemacht und sind dieser Warnung seriös nachgegangen,

Liegt das daran, dass alle SVP sind, oder warum wird diese Politikversagen hier immer ausgeblendet?
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karl_e
26.06.2025 11:54registriert Februar 2014
Ich bin klein, mein Herz ist rein; denn ich stimmte damals NEIN.
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