Ein Biss und du bist tot.
Die Warnung ist klar, als wir die Insel betreten, auf der die sagenumwobenen Komododrachen leben. «Ein Freund von mir ist bereits gestorben, einem anderen konnten sie gerade noch rechtzeitig das Bein amputieren», erzählt uns der Guide, der uns auf dem Eiland von Rinca in Empfang nimmt.
Die Insel Rinca gehört zu Indonesien und befindet sich zwischen der Sawusse und der Floressee. Wohnen tun hier nur wenige. Das Gebiet ist ein Nationalpark. Zusammen mit der Nachbarinsel Komodo ist Rinca der einzige Ort auf der Welt, auf dem die Komododrachen leben.
Rund 3000 Exemplare des Drachens, der auch Komodowaran genannt wird, soll es hier noch geben. Doch die exakte Zahl weiss niemand so genau, womöglich auch, weil die Erforschung der Tiere schlicht zu gefährlich ist.
Im Unterkiefer des Komododrachens befindet sich ein Gift, das bei der Beute eine Blutgerinnung und einen Schock verursacht. Einmal gebissen, ist das Schicksal der Beute besiegelt, es wird sterben. Und manchmal dauert dies mehrere Tage, in denen dann der hungrige Komododrachen dem Opfer hinterherschleicht und auf dessen Tod wartet.
Der Komododrachen wiegt bis zu 70 Kilogramm und ist über zwei Meter lang. Die grösste lebende Echse der Welt. Auch wenn der Drachen ungemein hüftsteif wirkt, ist er pfeilschnell. Bis zu 20 Kilometer pro Stunde kann das Tier erreichen.
Trotzdem müssen wir zum Fototermin antraben. Und das nur rund fünf Meter hinter einem Mords-Exemplar von einem Drachen. Falls etwas passieren sollte, wäre da eigentlich unser Guide, der uns beschützen sollte. Doch daran glaube ich nicht wirklich. Denn ausgerüstet ist der junge Mann, der von der Nachbarinsel Flores stammt, lediglich mit einer Astgabel.
«Manchmal muss ich mit den Drachen kämpfen», erzählt er mir schelmisch grinsend. «Aber die Tiere sind stark, vielleicht musst du mir dann helfen.» Na, Danke!
Den Fototermin überleben wir dann trotz Nervenkitzel relativ locker. Als wir uns auf den Weg zum rund einstündigen Dschungel-Trek machen, frage ich, was es denn sonst noch für Tiere gäbe auf dieser Insel. Mehr Jurassic Park könnte die Antwort nicht sein: «Speikobras, Alligatoren und Wasserbüffel.»
Meine Knie wanken wie Donald Trump im Wahlkampf, als wir uns ins Abenteuerland aufmachen. Nach wenigen Schritten begegnen wir bereits wieder einem Drachen. Beziehungsweise einer Drächin. Sie bewacht gerade das Nest, in dem sich die Eier ihres Nachwuchs befinden.
«Was für eine fürsorgliche Mutter!», könnte man fast denken. Doch weit gefehlt. Denn kurz nachdem die Jungen geschlüpft sind, verzieht sich die ausgewachsene Drächin. Nur um drei Monate später wieder zurückzukehren und Schreckliches zu vollbringen: Sie will ihre Kinder verzehren. Komododrachen sind Kanibalen. Auch das noch!
Um dies zu verhindern, klettert der Nachwuchs gleich nach der Geburt auf die Bäume und ernährt sich vorerst von Insekten und dergleichen. Zum Trinken müssen die jungen Komododrachen jeweils aber wieder runter, wobei es zum schlimmsten Kinder-Eltern-Rencontre seit «Die Super Nanny» kommen kann.
Trotz dieser seltsamen Selbstzerstörung der eigenen Spezies gibt es den Komododrachen auf Rinca und Komodo seit etwa 900'000 Jahren. Zuvor entwickelte er sich auf Australien.
«Essen die eigentlich alles?», will ich wissen. «Ja, manchmal auch die Babys von den Inselbewohnern», antwortet der Guide halb im Spass. Und tatsächlich, etwas Recherche ergibt: 2007 und 2009 wurden ein Kind und ein Fischer zu Tode gebissen, danach gingen in Indonesien Gerüchte herum, die Tiere seien plötzlich aggressiv geworden.
Ein wenig später begegnen wir auf dem Pfad einem Kot-Hügel, der so gross ist wie eine durchschnittliche Schwarzwäldertorte. Zuerst erkenne ich ihn gar nicht als solchen, denn er ist weiss. Natürlich stammt er von einem Drachen. Weiss sei er darum, weil die Drachen ihre Beute ganz aufessen würden, erklärt mir der Guide. Das Knochenmehl verleiht dem Exkrement die aussergewöhnliche Farbe.
Nein, so möchte ich lieber nicht enden. Deswegen beschleunige ich meine Schritte nochmals, doch die Hitze drückt unerbittlich. Lange könnte ich in diesem Brutkasten, nur wenig südlich des Äquators, sowieso nicht rennen, wenn mich denn so ein Drachen angreifen würde.
Ich beginne mir schon zu sagen: «Du musst nicht schneller sein als der Drache, sondern nur schneller als der Letzte der Reisegruppe.» Da höre ich auf einmal ein Rascheln im Gebüsch. Voller Schreck blicke ich ins Dickicht und erwarte einen dreiköpfigen Tyrannosaurus rex oder so ähnlich.
Doch siehe da: Es ist nur ein Dschungelhuhn. Wahrscheinlich das ärmste Huhn der Welt.
Eine gute Taktik... 😂
Aber vermutlich war das zu wenig dramatisch für einen Artikel.