Eisbaden ist beliebter Volkssport in Russland. Es soll auch die Seele reinigen. Zehntausende nutzten nun einen kirchlichen Feiertag für den Start in das nicht ungefährliche Wintervergnügen. In Badehose und Bikini stürzen sich bei sibirischem Frost hartgesottene Russen zu Tausenden in vereiste Seen und Flüsse oder künstlich angelegte Badestellen.
Einen offiziellen Start für den im Riesenreich zunehmend beliebten winterlichen Badespass gibt es zwar nicht. Aber wenn die russisch-orthodoxe Kirche, wie am Sonntag, die legendäre Taufe von Jesus Christus im Jordan feiert, ist das auch für viele Nicht-Gläubige Anlass für den Auftakt in die Saison. Das Eisbaden soll die Gesundheit stärken und die Seele reinigen. Allein in der russischen Hauptstadt stehen für das Massenvergnügen Hunderte Sicherheitskräfte bereit, darunter Sanitäter. Der Andrang am Platz der Revolution in Moskau ist gross.
Mit geistlichem Gesang weiht ein Priester im prunkvollem Ornat hier bei 17 Grad minus das Wasser - stilecht in einem Becken aus Eisblöcken, am Rand ein Kreuz aus Eis. Glockengeläut begleitet das Ritual. Einige springen mit Geschrei ins eisige Nass, tauchen dreimal unter, bekreuzigen sich und beten für sich und ihre Nächsten. In vielen Regionen gibt es sie, die Morschi - das ist das russische Wort für Walross. Die Männer und Frauen organisieren sich in Gruppen, um den nicht ungefährlichen Sport zu trainieren.
Wodka ist tabu. Zum Aufwärmen gibt es Tee. «Molodez! Molodez!» (Prachtkerl), rufen Zuschauer in dicken Mänteln am Rand. Erst wird einem eiskalt, dann heiss - so beschreiben die Badenden Gefühle der Freude und des grössten Schreckens zugleich. 54 Stellen sind in Moskau für das Blitzbad freigegeben. «Die Zahl der Badenden könnte allein am Sonntag auf 120'000 Menschen steigen», sagt Alexander Jelissiejew, Leiter des Moskauer Stabquartiers vom Zivilschutzministerium.
Landesweit bewachen dem Ministerium zufolge mehr als 30'000 Sicherheitskräfte rund 3000 Löcher im Eis. Viele Stellen haben die Form von Kreuzen. Das russische Staatsfernsehen schaltet zu den Wagemutigen in verschiedenen Teilen des Landes mit den neun Zeitzonen. Es ist eine eisige Vollmondnacht, dann ein Tag mit blauem Himmel und knackigem Winterfrost. «Es ziept auf der Haut, aber das Gefühl ist gut, wärmer als an der Luft, einfach herrlich! Es ist wie eine zweite Geburt», sagt Ljubow Kotelnikowa in Moskau. Weil es bisweilen auch Todesfälle gibt bei diesem heiklen Winterspass, warnen Behörden vor Risiken vor allem für Ältere und Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen. Oft würden auch Kinder der Gefahr ausgesetzt. Ob gläubig oder nicht - Ärzte sehen keinen Grund, der Gesundheit Wunder abzuverlangen. «Hören sie auf ihren Körper», mahnt die Ärztin Galina Cholmogorowa.
«Das kalte Wasser kann zu schweren Krämpfen der Körpergefässe führen, was wiederum zum Infarkt führen kann», warnt sie in der Boulevardzeitung «MK». Trotz der Gefahren und Warnungen sei das Eisbaden schwer in Mode - besonders zur Feier der Jesus-Taufe am 19. Januar. «Die Popularität wächst mit jedem Jahr», schreibt das Blatt. Und auch die Kirche warnt vor übertriebenen Mutproben oder unvorbereiteten Sprüngen in das Eisbad. Als Alternative empfehlen Geistliche, das geweihte Wasser einfach in Flaschen abzufüllen und zu Hause zu trinken. Es soll Wunder vollbringen und angeblich ein Jahr frisch bleiben. (sda dpa)