«Als ich im Emmental zur Schule ging, gab es bis zur 9. Klasse keinen einzigen Ausländer»
Die Monsterdebatte zur «Keine 10-Millionen-Schweiz»-Initiative der SVP ist in vollem Gange. 97 Nationalrätinnen und Nationalräte möchten sich heute zur Vorlage äussern.
Insgesamt haben sich von 200 Nationalratsmitgliedern deren 115 auf der Rednerliste eintragen lassen, davon 58 der SVP. Die ersten von ihnen sprachen am Montag zur «Nachhaltigkeitsinitiative», wie die Initiative der SVP offiziell heisst.
Die «Nachhaltigkeitsinitiative» will, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz zehn Millionen Menschen vor dem Jahr 2050 nicht überschreitet.
Sobald die Schweiz bei 9,5 Millionen Menschen angelangt ist, wäre der Bundesrat gezwungen, erste Massnahmen zu treffen, um das Wachstum zu bremsen. Als letztes Mittel müsste der Bund die Personenfreizügigkeit mit der EU kündigen.
Es ist davon auszugehen, dass die Meinungen bei Nationalrätinnen und Nationalräten längst gemacht sind. Ausser der SVP lehnen alle Parteien die Initiative ab. Dennoch melden sich heute 97 Parlamentsmitglieder zu Wort. Wir präsentieren euch die besten Aussagen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Christian Imark (SVP)
Christian Imark, SVP-Nationalrat aus dem Kanton Solothurn, interpretiert die Annahme der 13. AHV-Rente als Zeichen der Bevölkerung gegen die Politik.
Der Autobahnausbau wiederum sei abgelehnt worden, weil die Leute Angst hätten, dass noch mehr Zuwanderer in die Schweiz kämen, weil es auf den Strassen mehr Platz habe.
Imarkt betont: «Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Es ist höchste Zeit, aufzuwachen und dieses Problem zu lösen.»
Anna Rosenwasser (SP)
Die Zürcher SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser appelliert an die SVP:
Es gehe dabei jedoch nicht um Deutsche, Italiener, Portugiesen, die den grössten Ausländeranteil in der Schweiz ausmachen würden. Die «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP richte sich an Leute, «die anders sind als wir, die sollen raus». Rosenwasser führt aus:
Sandra Sollberger (SVP)
«Unser Wohlstand wird durch die masslose Zuwanderung aufgefressen», beginnt SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger ihr Votum. Die Schweiz wachse in die Breite, «da ist keine Tiefe, kein Fundament, wir werden fett und träge.» Sollberger betont:
Benjamin Fischer (SVP)
«Wenn ich den Initiativgegnern zuhöre, habe ich das Gefühl, ich bin im falschen Film», sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Benjamin Fischer. Er weist darauf hin, dass auch bei einer Annahme der Nachhaltigkeitsinitiative «sehr viele Menschen» in die Schweiz einwandern könnten.
Dann fährt Fischer mit einem persönlichen Erlebnis fort:
Fischer schliesst sein Votum mit der Aussage: «Begrenzen wir das grenzenlose Wachstum.»
Tamara Funiciello (SP)
Die Berner Nationalrätin Tamara Funiciello beginnt ihr Votum mit einem Zitat des deutschen Lyrikers Bertolt Brecht: «Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.» Deswegen melde sie sich heute trotz zahlreicher Vorredner zu Wort.
In Richtung SVP sagt Funiciello:
Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte)
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter kritisiert die in ihren Augen «starre Zahl» von 10 Millionen Menschen, welche die Schweiz gemäss SVP-Initiative vor 2050 nicht erreichen dürfe. Sie sagt:
Politik sei keine Mathematikaufgabe mit einer fixen Zahl im Resultatfeld. Eine fixe Obergrenze in der Verfassung raube der Schweiz Flexibilität in der Steuerung der Zuwanderung. «Die Schweiz ist nicht stark, weil sie Grenzen zieht. Sie ist stark, weil sie Lösungen findet.»
Michael Töngi (Grüne)
Grünen-Nationalrat Michael Töngi bezieht sich in seinem Votum auf zahlreiche Aussagen seiner Vorredner aus dem Lager der SVP, wonach die Zuwanderung für die steigenden Mieten in der Schweiz verantwortlich sei.
Der Luzerner zählt mehrere Vorstösse seiner Ratskollegen auf, die der Mietproblematik Einhalt gebieten würden und jeweils von der SVP abgelehnt worden seien. Töngi schlussfolgert:
Es sei vollkommen heuchlerisch, dass die SVP die hohen Mietzinsen für ihre Initiative instrumentalisiere. «Ich bitte Sie, diese heuchlerische Initiative abzulehnen.»
Michael Graber (SVP)
In seinem Votum nimmt der Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber Bezug auf eine Aussage von SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Dieser sagte in einem Interview, dass 12 Millionen Menschen in der Schweiz machbar seien.
Graber vergleicht die Aussage Wermuths mit der Migrationspolitik von Angela Merkel und betont:
Asylminister Beat Jans wolle die Schweiz unter der Zuwanderung begraben.
Franziska Ryser (Grüne)
«Was Sie versuchen, ist, die verbleibende Menschlichkeit aus dem Migrationswesen zu verdrängen», sagt die St. Galler Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser zur SVP.
Die SVP wolle den Saisonnier-Status wieder einführen, der ohne Familiennachzug für viele papierlose Frauen und Kinder gesorgt habe, die in den prekärsten Lebens- und Arbeitsverhältnissen gelebt hätten, sagt Ryser. Sie betont:
Matthias Jauslin (GLP)
Als einer der ersten äusserte sich der Aargauer GLP-Nationalrat Matthias Jauslin. Nach seinen einleitenden Worten hätte man meinen können, er unterstütze die Initiative der SVP. Jauslin spricht sich aber klar dagegen aus. Die zentrale Frage sei, wie die Schweiz Wachstum und Integration nachhaltig gestalten würde. Er betont: «Wir wollen keine starre 10-Millionen-Grenze, sondern eine starke, aufgeschlossene Schweiz. Lehnen Sie diese unehrliche Initiative ab.»
Andreas Glarner (SVP)
Andreas Glarner, ehemaliger Asylchef der SVP und Aargauer Nationalrat, betont:
Martin Haab (SVP)
Der Zürcher SVP-Nationalrat warnt davor, zu glauben, dass eine Schrumpfung der Bevölkerung von selbst eintrete. «Erwachen Sie aus diesem Traum», sagt Haab. Er betont:
Wenn man die Tatsache des Bevölkerungswachstums verdränge, überlasse man den Entscheid den kommenden Generationen. «Stimmen Sie Ja zur Initiative», schliesst Haab sein Votum.
Fabian Molina (SP)
«Wollen wir ein armes, abgeschottetes Land, oder ein wohlhabendes, weltoffenes Land sein?», fragt Fabian Molina, Nationalrat der SP. Er gibt die Antwort gleich selbst: «Für eine weltoffene, wohlhabende und solidarische Schweiz: Nein zu dieser Kündigungsinitiative.»
Erich Hess (SVP)
Der Berner SVP-Nationalrat Erich Hess vergleicht die heutige Schweiz mit der seiner Kindheit. Mit lauter Stimme sagt er:
So könne keine Integration «in unser System» stattfinden, so Hess. Diese gehe nur mit einer «massiven Reduktion der Zuwanderung».
Balthasar Glättli (Grüne)
Der ehemalige Präsident der Grünen Schweiz richtet folgende Worte an die anwesenden Nationalrätinnen und Nationalräte:
Walter Gartmann (SVP)
Der St. Galler Nationalrat Walter Gartmann warnt die anwesenden Parlamentarier im Saal: