Schweiz

Tausende Bauarbeiter demonstrieren in Lausanne

Tausende Bauarbeiter demonstrieren in Lausanne den zweiten Tag in Folge

08.11.2022, 18:0608.11.2022, 18:06
Mehr «Schweiz»

Tausende Bauarbeiter in der Westschweiz haben am Dienstag den zweiten Tag in Folge die Arbeit niedergelegt. Rund 6000 bis 7000 von ihnen protestierten in Lausanne gegen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Die aus sechs Kantonen angereisten Bauarbeiter versammelten sich am Morgen in einem grossen Zelt im Hafen von Ouchy. Nach mehreren Ansprachen, darunter die des Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard, traten sie zur Generalversammlung zusammen. Am frühen Nachmittag brachen sie zu einem grossen Umzug durch die Waadtländer Hauptstadt auf.

Von Ouchy am Seeufer bis zur Place de la Riponne im Stadtzentrum demonstrierten nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA und den Gewerkschaften zwischen 6000 und 7000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während mehr als zwei Stunden. Der Verkehr wurde dadurch beeinträchtigt.

Plusieurs milliers d'ouvriers du batiment venu de toute la Suisse romande defilent dans les rues de la ville pour denoncer leurs conditions de travail, lors de la deuxieme journee de greve des ma ...
8. 11. 2022 in Lausanne.Bild: keystone

«Erhöht die Löhne, nicht die Arbeitszeit» oder «Nein zur Flexi-Prekarität» war auf breiten Transparenten zu lesen. Auf der Bessières-Brücke wurde eine Schweigeminute eingelegt, um der Kollegen zu gedenken, die bei der Ausübung ihres Berufs ihr Leben verloren haben.

Kurz zuvor hatten die Arbeiter in einer aufgeheizten Atmosphäre in Zelten mehrmals ihren bevorzugten Slogan «Patron t'es foutu, les maçons sont dans la rue» (Chef, du bist erledigt, die Maurer sind auf der Strasse) skandiert.

Vertragsloser Zustand droht

Hintergrund der Mobilisierung der Baubranche ist die Erneuerung des Landesmantelvertrags (LMV), der Ende des Jahres ausläuft. Trotz sechs Verhandlungsrunden haben sich die Sozialpartner noch immer nicht einigen können. Ein Scheitern würde zu einem vertragslosen Zustand führen.

«Die Forderungen der Arbeitgeber sind so falsch wie möglich, und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Maurer ist unerträglich und inakzeptabel», rief SGB-Präsident Maillard der Menge zu. Die Maurer prangern die Absicht der Arbeitgeber an, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren, mit verlängerten Tagen im Sommer und Zwangsferien in den Wintermonaten. Die Streikenden verstehen auch nicht, dass der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) sich trotz der aktuellen Wirtschaftslage weigert, die Löhne zu erhöhen.

«Maurer bauen Brücken, Häuser und Tunnel. Ihr Beruf ist hart und gefährlich. Sie verdienen einen besseren Schutz, korrekte Arbeitszeiten und eine anständige Lohnerhöhung», sagte Nico Lutz, der bei der Gewerkschaft Unia für das Baugewerbe zuständig ist.

Bereits am Montag waren tausende Bauarbeiter in der Romandie auf die Strasse gegangen, um ihrem Ärger Luft zu machen. In Lausanne waren es nach Angaben der Gewerkschaften 4000 Arbeiter, in Genf etwa 2000. Auch in Delsberg JU, Freiburg und La Chaux-de-Fonds NE fanden Demonstrationen statt. Die Protestwelle wird am Freitag in Zürich vor dem Sitz des Baumeisterverbandes fortgesetzt.

SBV bezeichnet Streik als illegal

Der Baumeisterverband ist der Ansicht, dass der Streik gegen die Friedenspflicht verstosse, da er zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem die siebte Verhandlungsrunde zwischen den Sozialpartnern noch aussteht. Die Frage wurde im Übrigen vor die Genfer Kammer für kollektive Arbeitsbeziehungen gebracht.

Der Genfer Richter trat jedoch nicht auf das Thema ein. Noch gibt sich der SBV aber nicht geschlagen. Der Baumeisterverband erwägt nun, eine Klage vor dem nationalen Schiedsgericht einzureichen, das im Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe vorgesehen ist.

(yam/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
4
    Herbert Bolliger ist tot – er führte die Migros in ein neues Zeitalter
    Wenige Chefs prägten die Migros so sehr wie Herbert Bolliger. Nun ist er im Alter von 71 Jahren gestorben. Bolliger war nicht nur Manager, sondern auch ein ausgesprochener Familienmensch – und mit seiner Bodenständigkeit für viele ein Vorbild.

    Als Herbert Bolliger unsere Zeitung Ende 2017 zum Interview empfing, um über seinen Rücktritt zu sprechen, fiel uns etwas auf. Sein Büro im 19. Stock des Migros-Hochhauses am Zürcher Limmatplatz sah immer noch gleich kahl aus wie gut zwölf Jahre vorher, als wir ihn zum Antrittsinterview getroffen hatten. Und beim ersten Interview stellten wir bereits fest: Bolliger hatte das Mobiliar unverändert von seinem Vorgänger Anton Scherrer übernommen. Als wir Bolliger darauf ansprachen, sagte er: «Ich habe nichts in mein Büro investiert, die Dinge müssen 50 Jahre halten.»

    Zur Story