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«Die Leere tut unendlich weh» – Abschied von den Opfern von Rupperswil

«Die Leere tut unendlich weh» – Abschied von den Opfern von Rupperswil

700 Trauergäste haben in Rupperswil Abschied von Carla Schauer und ihren Söhnen Dion (19) und Davin (13) genommen. Ein schwerer Gang nicht nur für Angehörige, sondern auch für Freunde und das ganze Dorf. 
08.01.2016, 16:0808.01.2016, 16:17
Mario Fuchs / Aargauer Zeitung
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Abschiednehmen von den Verstorbenen in Rupperswil
Abschiednehmen von den Verstorbenen in Rupperswil
Bild: KEYSTONE

Es regnet und ist kalt vor der reformierten Kirche in Rupperswil. Die Feuerwehr weist die die Autos ein, die zur Trauerfeier eintreffen.

Um halb zwei ist die Kirche schon fast voll besetzt. Viele Trauergäste stehen. Gemäss Frank Worbs, Sprecher der reformierten Landeskirche hat es in der Kirche 250 Sitzplätze und insgeamt Platz für zirka 300 Menschen. Vor dem Eingang zur Kirche sind Trauerkränze aufgestellt.

Allein 200 Freunde und Bekannte von Carla Schauer und ihren Söhnen haben sich für die Trauerfeier in der reformierten Kirche von Rupperswil angemeldet. Die Feier wird wegen des Grossaufmarsches ins Kirchgemeindehaus nebenan übertragen, die wiederum Platz für 200 Personen bietet. Und draussen vor der Kirche stehen noch mehr Leute. Worbs schätzt die Trauergemeinde in Rupperswil auf rund 700 Menschen.

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Die Kirchenglocken läuten. Es herrscht bedrückende Stille in der Kirche.

An der Trauerfeier nehmen auch mehrere Schulklassen aus dem Dorf sowie der Aargauer Justizdirektor Urs Hofmann teil.

Im Chor sitzen junge Menschen. Einige tragen rote T-Shirts mit Nummern und Namen. Der Name "Davin" ist zu sehen, der jüngere Sohn von Carla Schauer, eines der vier Opfer.

Die Abdankung beginnt mit Horn und Orgelmusik. Pfarrer Christian Bühler im Talar begrüsst die Trauergemeinde.

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Bild: KEYSTONE

Gemeindeammann Ruedi Hediger richtet sich an die Trauernden. Er beginnt seine Rede mit den Worten: «Schreckliches ist passiert, Unglaubliches ist passiert! Und das alles in Rupperswil, mitten unter uns!». Mit einer unbeschreiblichen Brutalität seien am 21. Dezember 2015 vier lieb gewonnene Mitmenschen, vier Nachbarsleute, vier Mitbürger umgebracht und «aus unserer Mitte gerissen worden». Dieses unfassbare Ereignis habe das Leben im Spitzbirrli – in Rupperswil – in der ganzen Schweiz mit einem Schlag verändert. «Wir alle sind erschüttert über die Gräueltat. Wir alle sind fassungslos, über das, was passiert ist.»  Hedigers ganze Rede finden Sie hier.

Pfarrer Bühler ergreift wieder das Wort. Er liest aus der Matthäus-Geschichte.

Es wird gesungen, das Lied «Von guten Mächten wunderbar geborgen...».

Die Schüler treten auf. Die Klasse von Davin (13) legt Herzen aus Stein nieder. Die Lehrerin spricht: «Seit nach den Ferien ist in unserem Klassenzimmer ein Platz leer. Und doch ist es manchmal so, als würden wir Davins Lachen hören.»

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Bild: KEYSTONE

Pfarrer Bühler liest Texte vor, die Bekannte über Carla Schauer geschrieben haben. Sei sei ein ausgesprochener Familienmensch gewesen, die immer nur das Beste für ihre Kinder gewollt habe. Es wird «Hello» von Adele ab CD gespielt. Es war Carla Schauers Lied.

Die Trauer ist bedrückend.

Pfarrer Bühler hält seine Trauerpredigt. Das Leben sei eine Geschichte, die aus vielen kleinen Geschichten bestehe. Er nimmt Gegebenheiten aus dem kurzen Leben von Dion auf, zitiert seine Grossmutter, wie er gefragt habe, ob er mit seiner Freundin Simona Ferien im Caravan machen dürfe.

Und dann sagt Bühler:

«Es gibt nichts Schwierigeres für uns, als wenn die Geschichte abbricht oder unterbrochen wird, wenn es eine Zeit gibt, ein Blatt im Buch, ein Stück, das leer bleibt. Die Vorstellung, dass es ein Stück Nichts gibt, ist unerträglich. Darum sind wir heute auch hier, weil uns allen ein Stück Geschichte vom Leben fehlt und wir können es nicht zusammensetzen. Zwei Stunden Nichts und Leere! Da ist die Geschichte zerbrochen von einer ganzen Familie und einer jungen Frau. Die Leere macht unendlich weh.»

Zum Ende seiner Predigt sucht Pfarrer Bühler nach Hoffnung.

«Sterne sind es gewesen auf der Erde und haben uns geleuchtet und glücklich gemacht. Das ist die wahre Geschichte und die hat nirgends auch nur die kleinste Lücke. Sie hat uns den Weg der Liebe geleuchtet hier auf Erden und es ist der Gleiche Weg, der uns eines Tages, am Ende der Zeit wieder zueinander führt. Und wenn ihr irgendwo vier Sterne seht, die ganz nahe beieinander leuchten, dann könnte es sein…»

Nach dem Lied «Stern vo Bethlehem» betet die Trauergemeinde für die Opfer. «Herr, wir strecken dir unsere leeren Hände entgegen und bitten dich, uns zu trösten.»

Orgelmusik und Hornklänge ertönen.

Alle werden aufgefordert sich zu umarmen.

«Gemeinsam sind wir stark.»

Der Trauergottesdienst geht zu Ende.

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