Schweiz
Aargau

Für Nazis Möbel von Juden transportiert: Schweizer Konzern Kühne+Nagel gerät ins Fadenkreuz der Kritik

Will sich nicht weiter zu den Vorwürfen äussern: Klaus-Michael Kühne.
Will sich nicht weiter zu den Vorwürfen äussern: Klaus-Michael Kühne.Bild: EPA/DPA

Für Nazis Möbel von Juden transportiert: Schweizer Konzern Kühne+Nagel gerät ins Fadenkreuz der Kritik

Der heute in der Schweiz beheimatete Konzern tut sich mit der Aufarbeitung seiner Rolle im Dritten Reich schwer. Kühne+Nagel soll ab 1942 für die Nazis den Transport von Mobiliar aus jüdischen Wohnungen nach Deutschland organisiert haben.
17.04.2015, 08:3217.04.2015, 13:58
Fabian Hock / aargauer zeitung
Mehr «Schweiz»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Wenn Klaus-Michael Kühne etwas zu feiern hat, sperrt man in Bremen schon mal schnell den Marktplatz ab. So geschehen Anfang des Jahres, als der Logistikkonzern Kühne+Nagel am Ort der Firmengründung sein 125-jähriges Bestehen zelebrierte. 

Mehrheitseigner Kühne, der Enkel des Firmengründers August Kühne, liess dafür einen weissblauen Riesen-Lastwagen anrollen, der Festakt fand in einem extra aufgebauten gläsernen Pavillon statt.

Für das Tamtam wurde der Konzern, wie auch Kühne selbst, kritisiert – doch das ist kein Vergleich zu dem, was über das in Schindellegi domizilierte Unternehmen derzeit in den deutschen Medien hereinbricht.

«Kühne und Nagel – Handlanger der Nazis?», fragte der Bayerische Rundfunk (BR) in der Sendung «Kontrovers» am Mittwoch. Auch die ARD-«Tagesthemen» berichteten. Die «Süddeutsche Zeitung» titelte am nächsten Tag: «126 Schränke, 32 Uhren und zwei Kinderwägen» – die Ladung eines Kühne+Nagel-Schiffes, das im Zweiten Weltkrieg mit geplündertem jüdischen Besitz nach Deutschland unterwegs war. Das belegt eine Liste, die der Zeitung vorliegt.

Der erfolgreiche Logistikkonzern soll an der sogenannten «Möbelaktion» der Nationalsozialisten beteiligt gewesen sein. 1942 begannen die Nazis, jüdische Wohnungen in den besetzten Teilen Westeuropas auszuräumen. Die Möbel wurden nach Deutschland gebracht – nachdem die jüdischen Bewohner in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden.

Konzern räumt Beteiligung ein

Der Konzern selbst räumt die Beteiligung an den Möbeltransporten ein. Man sei «im Auftrag der Reichsregierung mit den Transporten von beschlagnahmten Gütern politisch und rassisch Verfolgter» befasst gewesen. «Hierbei handelte es sich grösstenteils um Möbel», heisst es in einer Mitteilung vom März. Auf Anfrage wollte sich Kühne+Nagel nicht weiter dazu äussern. Die Erklärungen des Konzerns reichen einigen deutschen Medien nicht aus — sie werfen Kühne+Nagel mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung der damaligen Geschehnisse vor.

Jetzt auf

Die linksgerichtete Tageszeitung «taz» sieht in Klaus-Michael Kühne persönlich den Blockierer in der Aufarbeitung. Er halte die Firmengeschichte bewusst unter Verschluss, um die Nazi-Verstrickungen seiner eigenen Familie nicht vollständig öffentlich machen zu müssen.

Auch die Tragweite der Beteiligung an der Möbelaktion finde zu wenig Beachtung. Schliesslich habe Kühne+Nagel quasi das Monopol innegehabt. Und der Historiker Jaromir Balcar vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte sagt, es sei unwahrscheinlich, dass Speditionen zur Kooperation gezwungen wurden. Kühne+Nagel habe stattdessen prächtig daran verdient.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Lumpirr01
17.04.2015 13:10registriert März 2014
Und welche Schweizer Unternehmen in Deutschland hatten jüdische Zwangsarbeiter? Und steckt im 20 Fr. Goldvreneli mit Jahrgang 1949 tatsächlich umgeschmolzenes jüdisches Zahngold? Und die SBB, welche mit den Krokodilen täglich mehrere Züge der Achsenmächte durch den Gotthard führten? Und die Schweizer Stacheldrahthändler, welche französische Importe den Deutschen weiterverkauft haben, wo dann wiederum Französche Soldaten verbluteten?? Na dann, viel Spass bei einer seriösen Aufarbeitung der jüngeren ca. 70 jährigen Geschichte wenn ihrs nicht ruhen lassen wollt!!
412
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kronrod
17.04.2015 11:06registriert März 2015
Langsam wird's lächerlich. Was kommt als nächstes? "Haribo im Kreuzfeuer der Kritik wegen Versorgung des Nazi-Regimes mit Gummibärchen"?
4713
Melden
Zum Kommentar
avatar
⚡ ⚡ ⚡☢❗andre ☢ ⚡⚡
17.04.2015 11:01registriert Januar 2014
Kommt schon, lasst Kühne+Nagel in Ruhe, Hugo Boss hat die Uniformen erstellt, IBM, Siemens, Bayer und viele mehr haben dicksten an den Nazis verdient.....
http://www.cracked.com/article_15767_third-reich-to-fortune-500-five-popular-brands-nazis-gave-us.html
365
Melden
Zum Kommentar
6
Swissgrid sieht sich in guter Form vor Modernisierung des Netzes

Die Netzbetreiberin Swissgrid spricht in Bezug auf ihr Geschäftsjahr 2023 von einem «soliden Unternehmensergebnis». Es sei eine starke Basis für die Modernisierung des Übertragungsnetzes geschaffen worden. Beklagt wird das Fehlen eines Stromabkommens mit Europa.

Zur Story