Schweiz
Abstimmungen 2024

Stopp Impfpflicht-Initiative: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Video: watson/Salome Woerlen, Michael Shepherd

«Recht auf körperliche Unversehrtheit» – das will die «Stopp Impfpflicht»-Initiative

03.06.2024, 10:3506.06.2024, 06:04
Lara Knuchel
Mehr «Schweiz»

Während des ersten Corona-Winters, im Dezember 2021, lancierte die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» (FBS) die «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit (Stopp-Impfpflicht-Initiative)». Wer hinter dieser Bewegung steckt, was die Initiative genau will und wie dafür sowie dagegen argumentiert wird, erfährst du hier – in Text oder Video:

Was ist die «Freiheitliche Bewegung Schweiz»?

Lanciert wurde die Initiative von der «Freiheitlichen Bewegung Schweiz» mit Sitz in Ostermundigen BE. Zum Komitee gehören neben FBS-Präsident Richard Koller unter anderen die frühere Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, der Komiker Marco Rima sowie der Impfkritiker Daniel Trappitsch.

Swiss Actor Marco Rima attends a protest against the Swiss government's measures to slow down the spread of the coronavirus disease (COVID-19), at the Turbinenplatz in Zurich, Switzerland, Saturd ...
Der Komiker Marco Rima. Bild: keystone

Trappitsch bekämpfte in der Vergangenheit etwa das Tierseuchen- und das Epidemiengesetz. Für ein Ja engagiert sich auch die massnahmenkritische Bewegung Mass-Voll.

Was will die «Stopp-Impfpflicht-Initiative»?

Die im Dezember 2021 während der Covid-19-Pandemie eingereichte Initiative fordert das Grundrecht, selbst über sich bestimmen zu können, ohne dass daraus berufliche oder soziale Nachteile entstehen oder eine Busse fällig wird.

Nicolas Rimoldi, Praesident "Mass Voll" gibt ein Interview, bei der Einreichung des Referendums gegen das Covid-Gesetz, am Donnerstag, 30. Maerz 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Für ein Ja engagiert sich auch die massnahmenkritische Bewegung Mass-Voll mit ihrem Präsident Nicolas Rimoldi.Bild: keystone

Artikel 10 der Bundesverfassung, der das Recht auf Leben und persönliche Freiheit regelt, soll ergänzt werden. Jeder Mensch soll insbesondere das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit haben. Eingriffe in die körperliche und geistige Unversehrtheit sollen ohne Zustimmung des oder der Betroffenen nicht vorgenommen werden dürfen. Umgesetzt werden muss die Ergänzung spätestens ein Jahr nach Annahme der Initiative.

Die Initiantinnen und Initianten wollen eine direkt oder indirekt durchsetzbare Impfpflicht verbieten, aber nicht nur. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit soll gelten für Impfstoffe, für Chips und für digitale Informationen im Körper.

Warum lancierte die FBS die Initiative?

Während der Covid-19-Pandemie galt zeitweise eine Zertifikatspflicht. Ohne Nachweis einer Impfung, eines negativen Tests oder einer Genesung von der Krankheit war der Zutritt zu Restaurants, Bars, Kinos und Theatern, öffentlichen Veranstaltungen und Fitnesscentern nicht erlaubt.

Das Epidemiengesetz sieht ein Impfobligatorium als Möglichkeit vor, aber nur für bestimmte Gruppen und unter der Voraussetzung, dass die Bevölkerung nicht mit milderen und anderen Massnahmen geschützt werden kann. Doch auch bei einem Impfobligatorium muss die betroffene Person der Impfung zustimmen.

Einschränkungen für Ungeimpfte sind möglich – etwa, um strengere Massnahmen wie Schliessungen und Veranstaltungsverbote zu vermeiden. Werden Grundrechte eingeschränkt, muss das verhältnismässig sein und es muss ein öffentliches Interesse daran bestehen.

Die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» erklärt

Video: watson/Salome Woerlen, Michael Shepherd

Die FBS findet: Die aktuellen Entwicklungen zu Impfschäden zeigten, dass man dem Bundesrat und der Politik nicht trauen könne. Eine Initiative sei der einzige Weg, die «pharmaorientierte Politik» zu stoppen. Was in den Körper gelange, also eine Impfung oder auch ein Chip, müsse jeder Mensch frei und ohne Angst entscheiden können. Weder Politik, Pharmaindustrie noch internationale Organisationen dürften darüber entscheiden können.

Wer spricht sich dagegen aus?

Der Bundesrat und die eidgenössischen Räte empfehlen die Initiative zur Ablehnung. Im Parlament erhielt das Begehren einzig aus der SVP-Fraktion Unterstützung. Stimmen aus der SVP forderten zudem im Nationalrat vergeblich einen Gegenvorschlag. In den Augen der Gegnerinnen und Gegner geht der Initiativtext aber weit über das Impfen hinaus. Auch das staatliche Gewaltmonopol werde tangiert.

Gegen die Initiative hat sich ausserdem ein überparteiliches Nein-Komitee formiert. An der Spitze des Nein-Komitees stehen Nationalratsmitglieder der SP, FDP, Mitte, Grünen und GLP.

Wie argumentieren die Gegner?

Bei einem Ja zur Initiative könnte die Polizei zum Beispiel keine Verdächtigten mehr festnehmen ohne deren Zustimmung, schrieb der Bundesrat zur Initiative. Grosse Unsicherheiten gäbe es auch im Erwachsenenschutz, wurde im Nationalrat argumentiert. Gegen seinen Willen dürfe schon heute niemand geimpft werden, hielten die Gegnerinnen und Gegner im Parlament zudem fest.

Unnötig sei das Volksbegehren, weil in der Schweiz dessen Kernanliegen, die körperliche Unversehrtheit, schon lange ein verfassungsmässiges Grundrecht sei. Das schreibt auch das Nein-Komitee. Schon heute dürfe niemand ohne ihre oder seine Zustimmung geimpft werden.

Auch bei einem befristeten Impfobligatorium für bestimmte Personengruppen wäre ein solcher Impfzwang ausgeschlossen, hält das Nein-Komitee weiter fest. Ein Obligatorium wäre zwar gemäss Epidemiengesetz in absoluten Ausnahmesituationen möglich.

Vorübergehend könnte beispielsweise nicht geimpftes Personal in bestimmten Bereichen eines Spitals nicht arbeiten. Ein solches Obligatorium habe es aber noch nie gegeben. Die Gegner führen weiter aus, unabsehbare Folgen hätte die Initiative, weil sie schwammig formuliert sei. Das Wort «impfen» komme nicht vor. Stattdessen forderten die Initianten, dass Eingriffe in die körperliche und geistige Unversehrtheit ohne Zustimmung der Betroffenen nicht vorgenommen werden dürften.

(leo/lak mit Material der sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
273 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Revan
03.06.2024 10:42registriert Mai 2019
Anscheinend ist das jetzt das neue Normal, dass wir einmal pro Jahr über so eine Lila-Witz-Vorlage abstimmen dürfen...
38826
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tiere sind keine Menschen
03.06.2024 11:00registriert Dezember 2023
Das ist etwas, was man diesen pseudo Freiheitsdrychlern mal klar kommunizieren muss.

Wenn "die Scheisse den Ventilator trifft" dann kann es auch eine mit Exekutivgewalt durchgesetzte Impfpflicht geben. Es wäre ja absurd eine Krankheit wie z. B. die Masern oder Pest nicht zu verhindern, weil man auf die Gefühle von ein paar paranoiden Menschen Rücksicht nehmen muss.

Eine Gesellschaft in der individuelle Freiheit (Egoismus) wichtiger ist als das Wohl der Gesellschaft ist langfristig zum Scheitern verurteilt. In Extremsituationen heiligt der gesellschaftliche Zwecke eben die Mittel.
34436
Melden
Zum Kommentar
avatar
insert_brain_here
03.06.2024 10:56registriert Oktober 2019
Die Initiative ist so überflüssig wie ein zweiter Blinddarm. Es besteht bereits ein verfassungsmässig garantiertes Recht auf körperliche Unversehrtheit und zu keinem Zeitpunkt, auch nicht auf dem Höhepunkt der Coronaepidemie stand ein Impfzwang im Raum. Was die Initianten bewirken wollen ist eine Abkehr vom Prinzip der Interessensabwägung zwischen unterschiedlichen Rechtsgütern, im spezifischen Fall das Recht körperlicher Unversehrtheit des einen der eine bestimmte Impfung ablehnt und des ebenfalls garantierten Rechtes anderer Menschen nicht mutwillig mit einer Krankeit infiziert zu werden.
27627
Melden
Zum Kommentar
273
«Sugus-Haus»-Erbin kündigt 105 Mietparteien – und könnte auf Betrüger hereinfallen
Der aktuelle Fall der Sugus-Häuser in der Stadt Zürich macht wütend, ist aber komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Die Erbin könnte valide Gründe für die Kündigungen haben. Aber währenddessen auf einen Betrüger hereinfallen.

«Das ist ein schönes Geschenk auf Weihnachten», sagt Paul M., der anonym bleiben möchte. Er meint diesen Satz nicht ernst. Im Gegenteil. Diese Woche hat ihm der Pöstler einen eingeschriebenen Brief überbracht, der ihn erschütterte: die Wohnungskündigung.

Zur Story