Lange gehörte es fast zum guten Ton, über «Glanz & Gloria» zu lästern. Zumindest im bildungsbürgerlichen Milieu. Die SRF-Vorabendsendung wurde als Musterbeispiel für ein seichtes Format bezeichnet, das mit Service Public nichts zu tun habe und wegfallen könnte. Ich konnte mit dieser hochnäsigen Mentalität nie viel anfangen.
Besonders interessiert hat mich «G&G» nicht, aber in der Sendung ging es um mehr als nur Cervelatpromis wie Irina Beller oder Hausi Leutenegger. Sie berichtete über kulturelle Events wie Premieren und Buchvernissagen und diente so dem Service Public. Nun aber ist für «G&G – Gesichter und Geschichten», wie das Format heute heisst, tatsächlich Schluss.
Nach 20 Jahren wird es im Sommer eingestellt, wie SRF am Mittwoch mitteilte. 20 Stellen werden weggespart. Unter den Betroffenen ist die Konsternation gewaltig, handelte es sich doch um eine vergleichsweise günstige Sendung mit stabilen Quoten. Jetzt kursiert die These, SRF müsse sparen, um den Eurovision Song Contest (ESC) in Basel zu stemmen.
Dessen Produktion bedarf grosser Ressourcen, doch das passt nur schon deshalb nicht, weil der Mega-Event im Mai stattfindet und «G&G» erst danach wegfällt. Und der ESC ist ein einmaliges Ereignis, während die SRG langfristig sparen will oder muss. Schon einen Tag danach kündigte SRF an, bis Ende 2026 acht Millionen Franken einsparen zu wollen.
Weitere populäre TV-Formate wie «SRF bi de Lüt – Live» werden gestrichen. Am Radio sollen längere Wortinhalte wegfallen – eine Entwicklung, die seit einiger Zeit im Gang ist, gerade bei Kultursendungen. Der frühere SRF-Kulturchef Iso Camartin diagnostiziert eine «allgegenwärtige» Angst, das Publikum zu langweilen, wie er der «NZZ am Sonntag» sagte.
Und das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht. Im letzten Herbst kündigte die neue SRG-Generaldirektorin Susanne Wille die «bislang grösste Transformation in der Geschichte des Unternehmens» an. Konkret sollen bis 2029 satte 270 Millionen Franken gespart werden. Dies entspricht rund 1000 Vollzeitstellen, berichtete der «Tages-Anzeiger».
Als Gründe wurden die von Bundesrat Albert Rösti angekündigte schrittweise Senkung der Radio- und TV-Abgabe bis 2029 von 335 auf 300 Franken, die schrumpfenden Einnahmen aus Werbung und Sponsoring, die Inflation sowie steigende Kosten für die «digitale Transformation» genannt. Besonders durchdacht wird allerdings nicht gespart.
Mit dem Wegfall beliebter Formate und der angekündigten Konzentration auf die Fernseh-Primetime ab 19 Uhr riskiert SRF, sein treustes Publikum zu vergraulen, das noch linear fernsieht. Und das sind primär ältere Menschen über 60. Für das Radio gilt das erst recht. Selbst der einstige «Störsender» SRF3 wird zunehmend zum Seniorenradio.
Doch auch beim reinen Online-Angebot wird gespart. So wurde «We, Myself & Why» – ein Videoformat für junge Frauen – eingestellt, ebenso der erfolgreiche Podcast «Zivadiliring». Als Grund wurden kommerzielle Aktivitäten der Protagonistinnen genannt – während Fernsehmoderatoren weiterhin lukrative Engagements annehmen dürfen.
Eine klare Linie ist nicht erkennbar. Man habe kaum den Durchblick bei den vielen parallel laufenden Sparprogrammen und Umstrukturierungen, heisst es gemäss dem «Tages-Anzeiger» von SRF-Angestellten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die von rechtsbürgerlichen Kreisen lancierte Volksinitiative für eine Halbierung der SRG-Gebühren.
Röstis 300-Franken-Gebühr gilt als eine Art informeller Gegenvorschlag, doch das genügt der zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Nationalrats nicht. Sie hat sich Mitte Januar knapp für einen indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen, der die Haushaltsabgabe senken und die Unternehmen ganz davon befreien will.
Ausserdem wird die SRG aufgefordert, vermehrt mit den privaten Medien zu kooperieren – insbesondere im Bereich der Sportrechte. Es ist ein heisses Eisen, denn gerade bei den Sportsendungen tut sich das öffentliche Fernsehen mit dem «Loslassen» schwer, obwohl die Preise für die Übertragungsrechte in den letzten Jahren stark angestiegen sind.
Das erstaunt nicht. Live-Sport ist neben Events wie dem ESC eines der letzten Gefässe, mit denen man ein grosses Publikum ins lineare Fernsehen – samt den darin enthaltenen Werbeblöcken – locken kann. Wenn die SRG «dranbleiben» will, muss sie bei Sendungen wie «G&G» sparen. Dabei wird oft auch der nationale Zusammenhalt erwähnt.
Die SRG muss ein Vollprogramm für die drei grossen Sprachregionen produzieren, plus Sendungen auf Rätoromanisch. Es ist ihr wichtigstes Argument im Kampf gegen Abbaupläne aus der Politik. Susanne Wille scheint in dieser Hinsicht ein besseres Gespür zu haben als ihr glückloser Vorgänger Gilles Marchand, heisst es in einem NZZ-Kommentar.
National- und Ständeräte kamen nach Auftritten Willes «jeweils gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus». Wer sie persönlich kennt, wundert sich nicht. Die ehemalige «10 vor 10»-Moderatorin und Kulturchefin versteht es blendend, Menschen für sich einzunehmen. Dieses Talent wird sie auch im schwierigen Dialog mit privaten Verlagen brauchen.
Mit der «Offensive» im Internet will sie ein jüngeres Publikum ansprechen, das sie über die «klassischen» Kanäle kaum noch erreicht. Dabei konkurrenziert sie die Privaten, die anders als die SRG online Geld verdienen müssen. Die SRG zu schwächen, mache die privaten Medienhäuser nicht stärker, lautet in solchen Fällen das Standardargument.
Am Interessenkonflikt ändert dies wenig, und es hilft den Privaten kaum etwas, wenn sie ab diesem Jahr von der SRG gratis Video-Rohmaterial bekommen, wie Susanne Wille in der «Sonntagszeitung» ankündigte. Natürlich ist es keine Lösung, der SRG einfach Sport und Unterhaltung verbieten zu wollen – denn auch das ist Teil des Service Public.
Die Sparübungen bei der SRG aber wirken planlos und konfus. Wenn sie ihr treues Publikum verärgert, ohne wirklich neue Segmente zu erschliessen (Zahlen zur Nutzung des Online-Angebots hält sie unter Verschluss), hilft sie nur ihren Gegnern. Und gibt damit der Halbierungsinitiative Auftrieb, über die wir vermutlich 2026 abstimmen werden.
Von dem Theater mit UKW Abschaltung ohne die Privaten möchte ich nicht mal anfangen (hier ist vermutlich mehr der Bund schuld).