Ist die Gripen-Kampagne am Ende? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Für die Befürworter hagelte es zuletzt Bad News: Erst die sexistische Sprücheklopferei von Bundesrat Ueli Maurer, dann die geleakten Berichte des schwedischen Botschafters in Bern. Die unterlegene Konkurrenz und Piloten, die sich mit dem «Ikea-Flieger» nicht anfreunden können, tun alles, um den Gripen abzuschiessen. Und Maurer liefert dazu die Begleitmusik.
Die Zahlen verheissen ebenfalls nichts Gutes: Laut der ersten SRG-Trendumfrage lehnen 52 Prozent der Stimmberechtigten den Drei-Milliarden-Fonds für den Gripen ab, in einer «gewichteten» Umfrage von 20 Minuten sind es sogar 64 Prozent. Dem Schweden-Jet droht in der Abstimmung am 18. Mai eine Bruchlandung. Ueli Maurer aber gab sich in einem Interview zuversichtlich: «Ich bin sicher, dass wir gewinnen werden.»
Realitätsverweigerung? Zweckoptimismus?
Keineswegs, und das nicht nur, weil die Meinungsforschung in letzter Zeit öfters neben den Schuhen stand. Der Chef des Verteidigungsdepartements hat ein gutes Gespür für Volkes Stimmung. Der Zeitgeist setzt auf Abschottung und Sicherheit, auf den Rückzug in die Gemütlichkeit des Kleinstaats.
«Die Globalisierung hat die Schweiz wirtschaftlich, aber nicht mental geöffnet», konstatierte der Tages-Anzeiger. Die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen der letzten Jahre sowie eine starke Zuwanderung als Folge unserer Öffnung nach Europa verstärken nicht nur bei konservativen Eidgenossen das diffuse Gefühl, wir seien nicht mehr Herren unseres Schicksals.
In einem solchen Klima wächst die Bereitschaft, die Freiheit der Sicherheit zu opfern. Dafür spricht der Erfolg von rechtsstaatlich fragwürdigen Volksinitiativen an der Urne. Selbst die bilateralen Verträge mit der EU scheinen nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative nicht mehr unantastbar.
«Sicherheit zuerst!» lautet der Slogan der Gripen-Befürworter. Besser kann man die Befindlichkeit im Land nicht auf den Punkt bringen, und deshalb könnte der Gripen am 18. Mai allen Störmanövern zum Trotz durchstarten. Die Schweizer Armee hat an Bedeutung verloren, sie ist keine «Heilige Kuh» mehr, doch in Zeiten wie diesen verlässt man sich besser auf die eigenen Stärken, erst recht mit Blick auf den in der Ukraine neu entflammten Ost-West-Konflikt. Krim ist überall, betonen die Befürworter.
Dabei ist die Beschaffung der 22 Saab-Kampfflugzeuge eine unsinnige Idee. Ein militärischer Angriff auf unser Land ist trotz Ukraine-Krise weit und breit nicht in Sicht. Für den Luftpolizeidienst genügen die 32 F/A-18. Bis zu ihrer Ausmusterung in 15 bis 20 Jahren kann die Schweiz ein umfassendes Konzept für die künftige Luftverteidigung entwickeln, mit einem einheitlichen Kampfjet-Typ, einer verstärkten Fliegerabwehr und vielleicht mit Drohnen, wie sie Ueli Maurer in der Schweiz am Sonntag ins Spiel brachte.
Sogar die Integration des schweizerischen Luftraums in ein gesamteuropäisches Verteidigungs-Dispositiv müsste zum Thema werden. Geschehen wird es kaum, mit solchen Ideen begeht man heutzutage politisches Harakiri. Unabhängigkeit, Souveränität, Neutralität – die Kampfbegriffe, mit denen die SVP in den 1990er Jahren ihren politischen Siegeszug antrat, sie sind im Mainstream der Bevölkerung angekommen.
Für den Gripen wird es eng, das ist keine Frage. Die Opposition ist breit und vielschichtig. Vor allem Frauen und Welsche lehnen den Jet ab. Doch man darf die Mobilisierungskraft von Armeeverbänden und zugewandten Orten nie unterschätzen. Armeekritische Vorlagen schneiden in Umfragen regelmässig besser ab als an der Urne, zuletzt etwa die Waffen-Initiative.
Für jene, die jetzt schon das Ende des Gripen ausrufen, könnte es am 18. Mai heissen: Zu früh gefreut!