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Die Gripen-Kampagne ist am Ende, weil die Befürworter den Gripen gar nie wollten

Unbekannte Besucherin eines Pro-Gripen-Anlasses in der Mehrzweckhalle Ennetbuergen liebkost ein Gripen-Modell.
Unbekannte Besucherin eines Pro-Gripen-Anlasses in der Mehrzweckhalle Ennetbuergen liebkost ein Gripen-Modell.Bild: KEYSTONE
Analyse

Die Gripen-Kampagne ist am Ende, weil die Befürworter den Gripen gar nie wollten

Die Gripen-Befürworter sind gegroundet. Sie selbst haben daran so viel Anteil, dass man sich fragen muss, ob sie das nicht absichtlich gemacht haben. 
29.04.2014, 15:4415.07.2014, 16:13
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Eine einfache Faustregel im politischen Campaigning lautet: Es gibt während eines Abstimmungs- oder Wahlkampfes fünf matchentscheidende Events, die die Mehrheit auf die eine oder andere Seite kippen lassen können. Wer von drei dieser Events profitieren kann, der geht höchstwahrscheinlich als Sieger aus einer Abstimmung oder Wahl hervor. 

Die Kampagne für die Beschaffung des schwedischen Kampfflugzeuges Gripen als Ersatz für die veralteten Tiger hat bereits drei Wochen vor der Abstimmung am 18. Mai bei weit mehr als fünf Gelegenheiten so schlecht ausgesehen, dass angesichts der weit fortgeschrittenen Meinungsbildung und der gemäss jüngsten Umfragen knappen Mehrheitsverhältnisse mit einer Annahme der Vorlage eigentlich nicht mehr zu rechnen ist. 

In der Rückschau stellt sich dem geneigten Stimmbürger die Frage, ob eine dermassen katastrophale Kampagnenführung allein auf Unvermögen zurückzuführen ist. Oder ob sie den Befürwortern nicht doch ganz gelegen kommt, weil sie den Gripen gar nicht wollen:

1. Noch bevor das Geschäft überhaupt in die Räte gekommen ist, drangen aus dem Inneren des VBS die Details des Gripen-Evaluationsberichtes an die Öffentlichkeit. Sie sollten illustrieren: Der Gripen genügt bloss den finanziellen Rahmenvorgaben. Aber das Flugzeug ist schlecht

2. Während des Abstimmungskampfes warb Saab bei öffentlichen Anlässen für den Gripen, mischte sich so als fremdes Staatsunternehmen in einen Schweizerischen Abstimmungskampf ein und verteidigte diese Aktionen auch noch. In der Folge gab die CVP die Koordination der Abstimmungskampagne entnervt ab. 

3. Vor drei Wochen sagte Thomas Hurter, der ehemalige Militärpilot, SVP-Nationalrat und ehemalige Präsident der für die Jet-Evaluation zuständigen Subkommission des Nationalrates, sinngemäss folgenden Satz in ein Radiomikrofon: Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 18. Mai Nein sagen zur Vorlage, dann meinen sie damit nur den Finanzierungsfonds und nicht die Kampfflugzeugbeschaffung an sich. Man könne in diesem Fall das Geld über das ordentliche Armeebudget zurückstellen und gestaffelt neue Kampfflugzeuge kaufen. Sowohl das VBS als auch die sicherheitspolitische Komission des Ständerates pfiffen ihn zurück. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates konnte das nicht - weil Hurter diese präsidiert. 

4. Am Wochenende bezeichnete Verteidigungsminister Ueli Maurer auf Pro-Gripen-Veranstaltungen die zu ersetzenden Tiger-Kampfjets als Gebrauchtgegenstände und fragte die Zuhörer, was bei ihnen daheim nach 30 Jahren noch funktioniere. Bei ihm sei es nur noch die Frau, die den Haushalt schmeisst

5. Und heute gelangten die vor Selbstgefälligkeit strotzenden Berichte des schwedischen Botschafters über das Vote-Whipping (Stimmen-Akquise) in den zuständigen Parlamentskommissionen an die Öffentlichkeit. 

Von diesen fünf öffentlichkeitswirksamen Events, die dem Gripen massiv schaden, sind für mindestens zwei der Parlamentspilot Hurter und der Verteidigungsminister Maurer direkt verantwortlich. Die frühen Leaks über den schlechten Evaluationsbericht (den Hurter verantwortet hatte) kamen ebenfalls aus dem VBS oder der Luftwaffe. Und den Eingriff der schwedischen Saab in den eidgenössischen Abstimmungskampf hatten die gleichen Kreise zumindest nicht verhindert.

Es sind nur die Botschafter-Leaks, die nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass jene, die nun die grössten Befürworter des Gripen-Kaufs spielen, seine effizientesten Gegner sind und schon immer waren. 

Ob die PR-Sabotage-Akte geplant waren oder die Akteure Opfer von unbewussten Männerfantasien nach einem potenten Flieger wurden, ist einerlei. Den Gripen haben sie so gut wie erledigt.

Weil ihnen der Plan B besser gefällt. Weil sie lieber irgendwann den Eurofighter wollen als den Gripen jetzt.

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37 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kettcar #lina4weindoch
29.04.2014 17:52registriert April 2014
Man stelle sich vor: Die Bildungskommision um SP'ler Matthias Aebischer schlägt die Beschaffung neuer Lernmittel vor. Diese kommen aus Deutschland und kosten 40 Millionen. Die SVP, FDP und teile der CVP erklärt die Opposition dagegen. Also wählt man als Alternative ein Bildungsmittel aus der Schweiz aus, das wohl nicht wirklich taugt, aber ein bisschen günstiger ist und... aus der Schweiz. Die SVP und FDP sind immer noch der Meinung, die alten Bücher tun es noch und lehnen deren Beschaffung weiter ab. Die SP greift nun tief in die Rumpelkiste und beschuldigt die Bürgerlichen, dass sie nicht die Beschaffung der Bücher blockieren wollen, sondern die Schule an sich abschaffen wollen! Und wenn diese Bücher nicht gekauft werden, werde die Schweiz nicht mehr in der Lage sein, die Bildung für die Schüler sicher zu stellen, denn die bestehenden Lernmittel seien zu veraltet. Somit sei ein "Nein" zu den neuen Büchern ein "Nein" zu unserem Schulsystem und somit ein "Nein" zur Bildung unserer Kinder an sich. Leider lässt sich weder Volk noch Parlament dadurch beeindrucken. Immerhin der CEO des Schweizer Lehrmittelverlages konnte die CVP mit viel Effort schon überzeugen. Nun tritt Herr Eymann, Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) auf und erklärt am Fernseher, es wäre besser, wenn die Schweizer Eltern schonmal einen Notvorrat an Kreidetafeln und Schulbüchern anlege, für den Fall, dass das Schulsystem irgendwann in sich zusammenbreche. Dies sei zur Zeit auch in Niederzulukafien zu betrachten und auch da hätte niemand damit gerechnet.

Natürlich würde sich in so einem Szenario nicht nur die SP und die EDK mit ihrem Präsidenten lächerlich machen, sondern auch jeder, der deren Vorgehen auch noch in den Kommentarspalten verteidigt...

Nun liebe Gripen-Befürworter... merkt Ihr was?
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