An keinem Tag wird das Hohelied auf das Schweizer Milizsystems so laut gesungen wie am 1. August. Doch jenseits der Folklore hat der Stellenwert der gemeinnützigen Arbeit abgenommen. Gemeinden, Sportvereine oder die Feuerwehr haben zunehmend Mühe, genug Freiwillige zu finden. Der Zivilschutz und das Militär klagen ebenfalls über abnehmende Personalbestände.
Nun will eine Gruppe junger Leute Gegensteuer geben. Der Westschweizer Verein ServiceCitoyen.ch hat eine Volksinitiative für einen umfassenden Umbau der Dienstpflicht ausgearbeitet. Leisten heute lediglich Männer einen obligatorischen Dienst am Land, sollen dies künftig auch Frauen tun.
Neu gälte zudem Wahlfreiheit: Die Dienstpflichtigen könnten weitgehend frei entscheiden, wo sie sich engagieren wollen. Im Vergleich zum heutigen Zivildienst sollen die Tätigkeiten deutlich ausgeweitet werden. So soll auch ein Einsatz bei der Feuerwehr, in Vereinen oder in der Gemeindepolitik angerechnet werden können.
«Wir müssen die Dienstpflicht modernisieren, um das Schweizer Milizsystem in die Zukunft zu führen», sagt Co-Präsidentin Noémie Roten. Für sie und ihre Gefährten geht es um den Zusammenhalt des Landes. «Wenn sich jeder und jede eine Zeit lang für das Land engagiert, erhöht sich auch die Identifikation mit der Gemeinschaft», sagt Roten.
Die Idee des Bürgerdiensts hatte der Verein ServiceCitoyen.ch bereits im Mai in dieser Zeitung angekündigt, nun liegt der Initiativtext vor. Dieser lässt dem Parlament einen relativ grossen Spielraum, die Details zu regeln – auch mit dem Ziel, politische Angriffsfläche zu reduzieren.
So überlässt die Initiative dem Parlament die Entscheidung, ob auch Ausländerinnen und Ausländer einen Bürgerdienst leisten müssen. Auf jeden Fall ausgeschlossen sind sie vom Militär.
Ausführlich diskutierte der Verein auch die Gefahr, dass sich zu wenig Leute für das Militär entscheiden könnten. Nun heisst es im Text: «Der Bürgerdienst ist so auszugestalten, dass der Sollbestand der Armee garantiert ist.» Und: «Der Bund schafft die notwendigen Anreize dafür.»
Wie diese Anreize auszugestalten sind, überlässt die Initiative ebenfalls dem Parlament. Roten könnte sich als Anreiz eine kürzere Dienstpflicht, eine bessere Bezahlung oder Ausbildungsgutschriften für Armeeangehörige vorstellen. Sie sagt aber auch: «Durch die Ausweitung des Rekrutierungsreservoirs wird es wohl gar keine zusätzlichen Anreize brauchen, um genügend gute Leute für die Armee zu finden.»
Der Initiativtext liegt ab morgen in vier Sprachen auf einer Online-Plattform zur Debatte auf. Ziel ist es, eine Diskussion über den Wert des Milizsystems auslösen sowie Argumente für die Kampagne zu entwickeln. Der Initiativtext steht weitgehend fest, nachdem sich der Verein in Zusammenarbeit mit Staatsrechtlern über Monate ausgetauscht hat. Roten sagt: «Wenn jemand mit einer bahnbrechenden Idee kommt, verschliessen wir uns einer Änderung nicht. Aber grundsätzlich werden wir den vorliegenden Text für die Volksinitiative verwenden.»
Der Verein ServiceCitoyen.ch geht auch anderswo neue Wege. Drei Plätze im Initiativkomitee schreibt er öffentlich aus. Wer dabei sein will, kann sich auf der Webseite des Vereins bewerben. Einzureichen ist der Lebenslauf, zudem sind Fragen zur Motivation zu beantworten.
Im Initiativkomitee sitzen bereits Vertreter sämtlicher Parteien, die Erfahrungen aus Militär, Zivilschutz und Zivildienst haben. Alles sind zudem jünger als 40 Jahre. «Wir wollen damit zeigen, dass die junge Generation willens ist, sich für die Gesellschaft zu engagieren»,sagt Roten. Im ersten Halbjahr 2020 soll der Initiativtext bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Voraussichtlich in einem Jahr soll die Unterschriftensammlung beginnen. (aargauerzeitung.ch)