Kaum eine andere Schweizerin hat das Elend eines Opfers von häuslicher Gewalt so bewegend, so analytisch, so selbstkritisch beschrieben wie die Luzernerin Louise Hill (50). Ihr Buch «Teufelskreis: Mein bitteres Leben mit dem Zuckerbäcker» hat seit seinem Erscheinen im Herbst 2013 manche Diskussion angeregt und viel zur Sensibilisierung im Bereich häusliche Gewalt beigetragen. Louise Hill las in der Aula der Berufsschule Aarau aus ihrem Werk und diskutierte mit Experten.
Die gebürtige Britin kam der Liebe wegen in die Schweiz. Sie war 20 Jahre lang mit einem gewalttätigen Geschäftsmann verheiratet. Mit ihm hat sie drei Kinder, die inzwischen 14 bis 22 Jahre alt sind. 2005 ging sie ein erstes Mal ins Frauenhaus, kehrte aber zum Mann zurück – weil er Besserung versprach. 2009 kam es zum definitiven Bruch. Kurz darauf nahm sich ihr Mann das Leben. Er war psychisch krank.
Heute lebt Louise Hill alleine und hat einen 100-Prozent-Job als Lehrerin (Englisch und Französisch).
In Aarau las sie Sätze vor wie: «Ich wusste nicht mehr, was tun, um seine Wutanfälle zu verhindern.» – «Er kam mir vor wie ein von Tollwut befallenes Tier.» – «Im Alltag funktionierte ich wie ein Roboter.» – «Mein eigenes Leben betrachtete ich als vorbei.» – «Zu oft hatte er gesagt: Wenn du gehst, mache ich dir das Leben zur Hölle.»
Weshalb blieb sie so lange? Es habe ihr die Kraft gefehlt: «Ich war jeden Tag so damit beschäftigt, zu überleben.»
Laut Susanne Nielen, Leiterin der Opferhilfe Aargau-Solothurn, gibt es für die Opfer jeweils gute Gründe zu bleiben. Es brauche unglaublich viel Mut, Hilfe zu holen. Und: «Die Gewalt hinterlässt Spuren: Man traut sich nichts mehr zu.»
Louise Hill fühlte sich als Verräterin, als sie sich – dank der Ermutigung einer neuen Freundin – um einen Termin bei der Opferhilfe bemühte.
David Schildhorn von der Anlaufstelle Häusliche Gewalt Aargau (AHG) betonte: «Häusliche Gewalt funktioniert – wenn keiner Hilfe holt.» Wenn die Polizei eingreifen muss, dauert es in der Regel zwei Tage, bis die AHG aktiv wird und den Mann anruft. Jeder vierte angerufene Mann kommt danach in die Beratungsstelle. «Die Erkenntnis ‹Ich schlage meine Frau› stürzt den Mann in eine totale Krise», erklärte David Schildhorn.
Die Experten waren sich einig, dass sich punkto Wahrnehmung der häuslichen Gewalt in den letzten Jahren extrem viel zum Guten entwickelt hat. Sie ist heute auf dem politischen Radar. (uhg) (aargauerzeitung.ch)