Ihren Anfang nimmt die Geschichte am Samstag, als ein Spaziergänger in Pratteln BL bei seinem morgendlichen Rundgang einen Esel sieht, der mit dem Hinterteil in einem Schacht feststeckt, die Feuerwehr ruft, und ein Bild schiesst. «20 Minuten» spricht mit dem Mann, befragt die Polizei und schreibt die Meldung über den geglückten Rettungseinsatz des Tiers.
Zwei Tage darauf verschickt die Polizei Basel-Landschaft ein Bild, ein paar Stunden später ist der Esel aus dem Gulli von Pratteln weltberühmt – und Protagonist einer Geschichte, die bald eine andere ist als noch vergangenen Samstag.
So berichtet die britische Presse vom «Local Urs Meyer», der den armen Nilo im Gulli stecken sah. Meyer habe den Esel zunächst für ein Stofftier gehalten, weiss unter anderem das britische Portal Metro News. Zum Glück aber habe «Local Meyer» dann doch noch gesehen, dass sich Nilos Ohren bewegten und das arme Tier ziemlich lebendig gelitten habe.
Es sei Feuerwehrsprecher Markus Osterhagen gewesen, schreibt dann auch die Austrian Times, der den Befreiungseinsatz des Tiers mit den Worten «Er hat Glück gehabt, dass er nicht noch tiefer gerutscht ist» kommentiert habe. Und die Feuerwehrmänner, die den Esel befreit hätten, hätten ihn «Shrek» getauft, schreibt die Daily Mail, weil er aussehe wie die Figur aus dem Animationsfilm.
Es ist eine schöne Geschichte, die Geschichte mit Urs Meyer und dem Stofftier, das sich als Nilo der Esel herausstellte, den die Feuerwehr um Markus Osterhagen Shrek taufte. Aber Urs Meyer? Den gibt es nicht. Zumindest nicht in Pratteln. Genauso wenig wie Feuerwehrsprecher Markus Osterhagen. Und von einem Stofftier war nie die Rede.
«Als Urs Meyer zitiert? Warum Urs Meyer? Naja, egal, Hauptsache, sie haben das tolle Bild», sagt Meyer, der eigentlich Bruno Schneider – «ist doch viel schöner!» – heisst, den armen Esel im Schacht fand und umgehend die Polizei alarmierte, am Mittwoch gegenüber watson.
«Die einzigen Journalisten, mit denen ich gesprochen habe, waren die von ‹20 Minuten› und ‹Tele M1›», sagt Schneider. Ausländische Medien hätten sich nicht bei ihm gemeldet, woher sie die Details hätten, sei ihm nicht bekannt. «Ein Stofftier? Warum sollte ich Nilo – ja Nilo, nicht Shrek – für ein Stofftier halten? Ich habe ihn ja von weitem gehört», sagt der Pratteler. «Naja, egal, Hauptsache es geht ihm gut.»
Er habe den Esel gerade erst besucht. «Er ist mit einem blauen Hintern davongekommen! Was für ein Glückspilz.»
Auch bei Polizeisprecher Meinrad Stöcklin riefen keine internationalen Medien an. «Ah, doch! ‹Bild›, ‹Freizeitrevue› und ‹Webjournal› haben nachgefragt», sagt er auf Anfrage.
Der Vollständigkeit halber sucht er in der Personal-Datenbank nach einem Markus Osterhagen. «Wie? Wie ‹Oster› und ‹Hagen›? Nein, nichts». Damit sei wohl schon er gemeint, auch wenn er diese Aussagen so nicht gemacht habe. «Aber das macht nichts. Es ist eine tolle Jö-Geschichte», sagt Stöcklin.
Es ist eine tolle Jö-Geschichte, deren Eigenleben wohl nie restlos nachgezeichnet werden kann. Klingt Urs Meyer einfach sehr «swiss»? Oder schiessen Englands Revolverblätter damit noch einmal auf den Schweizer Ex-Schiedsrichter? Auf Anfrage antwortet nur der Redaktor der «Metro News». Die Zitate seien von der britischen Nachrichtenagentur SWNS übernommen worden. Er selbst habe weder mit Meyer noch mit dem Esel gesprochen.
@daria_wild Quotes are from SWNS news agency... sadly did not speak to the donkey or its finder myself
— Rob Waugh (@RobWaughMail) 5. November 2014