Es waren schwere Vorwürfe, welche die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg gegen einen deutschen Chauffeur erhob. Seine damalige Lebenspartnerin soll er unter anderem mehrfach sexuell genötigt, geschändet und vergewaltigt haben. Konkret soll er mit ihr den Geschlechtsverkehr unter Zwang vollzogen haben, indem er sie an den Handgelenken und Armen festhielt, sie aufs Bett drückte und sich auf sie legte.
Das Bezirksgericht Rheinfelden sprach im Februar 2021 den damals 59-Jährigen in allen Anklagepunkten - ausser dem der Schändung - für schuldig. Es verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 29 Monaten, einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 130 Franken sowie einer Busse über 400 Franken.
Berufung legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft ein. Letztere forderte vor dem Obergericht unter anderem eine Freiheitsstrafe von 50 Monaten und einen Landesverweis von zehn Jahren. Dies auch, weil der Angeklagte seine damalige Partnerin mehrfach geschändet haben soll, indem er sich an ihr verging, als sie schlief.
Der Angeklagte stritt - bis auf eine Tätlichkeit, bei der er seine damalige Partnerin umstiess und diese sich an Hand und im Gesicht verletzte - alles ab. Er sagte gegenüber dem Gericht:
Die Privatklägerin behauptete das Gegenteil. Immer, wenn sie die Beziehung mit ihm beenden wollte, habe er von ihr mit Gewalt Sex verlangt. Sie sagte: «Er hat sich den Sex einfach genommen, obwohl ich Nein sagte».
Problematisch war, dass die Angeklagte zwischenzeitlich einen Schlaganfall erlitten hat. Ihre Erinnerungen an das Geschehen waren daher getrübt. Sie wusste nicht mehr, wie oft sie zum Sex gezwungen wurde. Auch wie die sexuellen Übergriffe vonstattengingen, konnte sie dem Obergericht nicht beschreiben. Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass die mangelnden Erinnerungen der Privatkläger seinem Mandanten nicht zum Nachteil gemacht werden dürfen.
Diese Ansicht teilte auch das Obergericht. Letzterem war es nicht möglich, einen zuverlässigen Eindruck des Aussageverhaltens der Privatklägerin zu gewinnen, sie mit Ungereimtheiten zu konfrontieren und Unklarheiten zu klären. Das Obergericht befand in seinem Urteil:
So sprach denn auch das Obergericht den Beschuldigten «in dubio pro reo» hinsichtlich der meisten und schwerwiegendsten Vorwürfe frei.
Strafbar hingegen, so das Obergericht, habe sich der Beschuldigte der einfachen Körperverletzung, Drohung und Beschimpfung gemacht. Es verurteilte ihn deswegen zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 120 Franken und einer Busse von 2000 Franken. (aargauerzeitung.ch)
Frage: Das Opfer kann ja nichts dafür, dass sie Erinnerungslücken vom Schlaganfall davon trug. Gibt es gar keine Möglichkeit die Berufung anhand der Aufzeichnungen der Erstverhandlung durchzuführen? Wenn ich den Artikel richtig verstand, war der Schlaganfall ja danach.
Schuldig in der ersten Instanz für mehrfache sexuelle Nötigung und Vergewaltigung. 29 Monate Gefängnis sowie 60x130 Franken (7800 Franken) + 400 Franken Busse.
In der zweiten Instanz dann Freispruch fast auf der ganzen Linie mit Ausnahme der einfachen Körperverletzung, Drohung und Beschimpfung.
Dafür gibts dann 180x120 Franken (21600 Franken) + 2000 Franken Busse?
Ist das, weil das Gericht eigentlich von der Schuld überzeugt ist, aber ihm "leider" nichts bewiesen werden kann?