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Dating-Betrug – so nehmen Schweizer Firmen Singles aus

Hunderte ähnlich aufgebaute Dating- und Seitensprungportale entpuppen sich als Falle.
Hunderte ähnlich aufgebaute Dating- und Seitensprungportale entpuppen sich als Falle.bild: srf

Dating-Betrug – so nehmen Schweizer Firmen angeblich Singles aus

Eine Firmengruppe aus der Schweiz steht im Verdacht, europaweit Singles mit fragwürdigen Dating-Portalen zu betrügen. Eine internationale Recherche beleuchtet das Geschäftsmodell, das sich die Einsamkeit von Menschen zunutze macht.
18.07.2025, 13:2018.07.2025, 15:35
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Worum geht es?

Recherchen der Investigativredaktion des SRF, des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» und rund 20 weiterer internationaler Medien haben das undurchsichtige Geschäftsmodell einer Firmengruppe aus dem Kanton Zug aufgedeckt.

Die Firmen seien eng miteinander verknüpft und sollen ein Netzwerk bilden, das Hunderte von ähnlich aufgebauten Dating- und Seitensprungportalen betreibt. «Diese Unternehmen setzten Millionen um, während von Schweden bis Italien Hunderte Menschen über ihre Seiten reklamierten», schreibt das SRF. Die Eigentümer würden sich «hinter diskreten Schweizer Firmen, schweigsamen Verwaltungsräten und einem Treuhänder verstecken», schreibt der «Spiegel».

Die Veröffentlichung gewähre auch erstmals Einblicke in die Geschäfte des europäischen Finanzriesen Worldline, der seit 2014 «Transaktionen in Milliardenhöhe abgewickelt» habe, «die umstrittene Porno- und Datingseiten, Prostitution, Onlinekasinos und mutmasslich Geldwäsche ermöglichten», schreibt der «Spiegel».

Wie lauten die Vorwürfe?

Im Mittelpunkt der Recherche stehen fünf Schweizer Unternehmen: Paidwings, Dateyard, Dateblaster, Date4Friend und Qualidates. Sie sollen seit rund zehn Jahren Hunderte ähnlich aufgebaute Dating- und Seitensprungportale betreiben. Die Portale heissen beispielsweise 50plustreffs.ch, nurswinger.ch oder singletreffen.vip.

Die Vorwürfe, die von über 800 Nutzerinnen und Nutzern europaweit erhoben werden, ähneln sich: Kunden berichten von Fake-Profilen, und angeblich kostenlose Probemonate würden sich als Abo-Fallen entpuppen. Einmal abgeschlossene Abos würden sich automatisch verlängern.

User berichten, dass es keinen Kündigungs-Button auf der Website gebe, Kündigungen nicht akzeptiert würden und monatlich rund 60 Franken abgebucht würden. «Stattdessen trieben die Firmen Forderungen aggressiv über ein Inkassobüro ein, manchmal auch via eine deutsche Anwaltskanzlei», schreibt SRF Investigativ.

So können sich Betroffene wehren
Das SRF rät: «Senden Sie ein schriftliches Kündigungsschreiben an die Firma. Kontaktieren Sie Ihren Kreditkartenanbieter, um ein Chargeback-Verfahren einzuleiten. Damit können sie ungerechtfertigte Kreditkartenzahlungen zurückfordern und künftige Belastungen blockieren. Falls Sie weitere Rechnungen, Mahnungen oder Briefe einer Inkassofirma erhalten: keine Zahlungen tätigen.» Die Recherchen zeigten auch, dass die Abbuchungen stoppten, sobald sich ein Anwalt einschaltete.

Zahlreiche User berichten von einer grossen Anzahl an Fake-Profilen und automatisierten Nachrichten, die den Anschein erwecken sollen, die Plattformen seien voller aktiver und interessierter Singles.

Die Recherchen bestätigten dies. Als sich die Reporter auf Webseiten wie bleibnichtalleine.ch anmeldeten, füllte sich das Postfach rasch mit Nachrichten angeblich williger Singles.

Eine «Sarah, 31, aus Bern» möchte beispielsweise auf Telegram weiterschreiben, wo sie Sex für Geld anbietet.

Verdächtig: «Mehrere Frauen stellen sich mit der exakt gleichen Nachricht vor», schreibt das SRF. Um die User in die Falle zu locken, nutzen sie Fotos von Pornodarstellerinnen.

Fotos angeblicher Frauen auf den Dating- und Seitensprungportalen stammen von Pornodarstellerinnen.
Fotos angeblicher Frauen auf den Dating- und Seitensprungportalen stammen von Pornodarstellerinnen.bild: srf

Damit konfrontiert, antwortete «Sarah» nicht mehr.

Wer steckt hinter den Dating- und Seitensprung-Portalen?

Laut «Spiegel»-Recherchen soll die Firma Dateyard AG im Zentrum der Zuger-Firmengruppe stehen. Sie wurde 2014 von Tihomir Perković gegründet, einem gebürtigen Kroaten, der inzwischen deutscher Staatsbürger sei. Perković habe zuvor als Webdesigner und Softwareentwickler gearbeitet.

Nach Dateyard entstanden die Unternehmen Paidwings, Date4Friend, Dateblaster und Qualidates. Die Gesellschaften behaupten, voneinander unabhängig zu sein. «Doch Recherchen von SRF Investigativ belegen eine enge Verbindung», schreibt das SRF. Demnach gehören sie, mit Ausnahme von Dateyard, der Muttergesellschaft Eins11 AG, die wiederum einem Treuhänder aus dem Kanton Zug gehöre. Zwischen ihm und Dateyard gebe es ebenfalls eine Verbindung.

«Die Schweizer Liebesfalle», so der «Spiegel», bestehe aus einem Geflecht aus Schweizer Dating-Unternehmen und deutschen Inkassofirmen sowie Anwaltskanzleien.

Gründer Perković sei «in einer luxuriösen Wohnanlage in Düsseldorf gemeldet» und «investiert in Immobilien».

Was hat der Finanzriese Worldline damit zu tun?

Um bei den Kunden abzukassieren, benötigen die Dating-Portale einen Zahlungsdienstleister.

Der französische Zahlungsdienstleister Worldline kommt in die Kritik, weil eine Tochterfirma die Zahlungsabwicklung für die fünf Dating-Firmen aus dem Kanton Zug übernommen haben soll.

Die Recherche «Dirty Payments», an der Journalisten aus ganz Europa beteiligt waren, belege dies, schreibt SRF Investigativ. «In den letzten zweieinhalb Jahren haben die fünf Betreiberinnen der Websites aus dem Kanton Zug mindestens 24 Millionen Euro abgerechnet», so das SRF. Als Zahlungsdienstleister erhalte Worldline einen Teil jedes Transaktionsbetrags.

Das französische Unternehmen habe sich zu den Vorwürfen nicht äussern wollen, teilte aber mit, «dass es sich zu hohen Compliance-Standards verpflichten würde, um Finanzkriminalität zu verhindern.»

Ist den Behörden das Problem bekannt?

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beschäftigt sich seit längerem mit den Zuger Firmen. Man sei der Meinung, «dass die Gesellschaften gegen das Gesetz verstossen».

Das Seco hat in den letzten Jahren Reklamationen von 331 Personen erhalten, die sich über die Dating-Plattformen und Abofallen beschwerten. Als Reaktion darauf habe man die Firmen Dateyard und Paidwings aufgefordert, ihre Geschäftspraktiken anzupassen. Die Abmahnungen blieben wirkungslos.

Bislang habe kein Gericht bei den Zuger Firmen illegale Praktiken festgestellt, schreibt das SRF. Da es an klaren Beweisen fehle, «sind uns die Hände gebunden», teilte das Seco mit.

Europaweit gingen in den vergangenen zehn Jahren über 800 Beschwerden gegen die Firmen ein.

Was sagen die betroffenen Firmen?

Die Firmen sagen, sie würden sich an alle gesetzlichen Vorgaben halten und jederzeit mit den Behörden kooperieren.

Perkovićs Anwalt sprach in diesem Zusammenhang gegenüber dem «Spiegel» von «unzutreffenden Verdächtigungen» und «unwahren Tatsachen».

(red)

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kerZHakov
18.07.2025 14:12registriert Dezember 2015
Ich war auf einigen ihrer Seiten angemeldet. Als ich ihre Masche durchschaut habe, habe ich einfach meine Kreditkarte sperren lassen und eine Neue beantragt. Seither bekomme ich zwar pünktlich alle 6 Monate Post oder Mails von Inkassobüros und deutschen Anwaltskanzleien mit Zahlungsaufforderungen. Das geht nun schon seit etwa 4 Jahren so. Sie drohen mit Betreibung etc. Da aber klar ist, wer im Recht ist, ignoriere ich ihre Schreiben einfach.

So habe ich mir mühsame Kündigungen und den noch mühsameren und teuren Rechtsweg erspart.
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insert_brain_here
18.07.2025 14:11registriert Oktober 2019
“Als Reaktion darauf habe man die Firmen Dateyard und Paidwings aufgefordert, ihre Geschäftspraktiken anzupassen. Die Abmahnungen blieben wirkungslos.”

Geil, wenn also der Verdacht besteht eine Firma verdiene mit einem illegalen Geschäftsmodell Millionen wird nicht etwa ermittelt um handfeste Beweise zu beschaffen, nein man schreibt einen netten Brief und hofft dass die dann aufhören und wenn nicht schaut man treudoof aus der Wäsche weil einem dummerweise die Hände gebunden sind.

So, liebe Wähler, sieht “Bürokratieabbau” und wirtschaftsfreundliche Politik in der Praxis aus 👍
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ch.vogel
18.07.2025 13:39registriert Mai 2014
Warum Worldline hier in Kritik kommt, weil sie indirekt die Abwicklung der Zahlungen übernommen hat, verstehe ich echt nicht.

Die Datingportal-Firmen sind in der Schweiz ansässig und akzeptieren offensichtlich keine Kündigungen? Das alleine sollte doch mehr als genug Handhabe bieten, um die Webseiten einstampfen zu lassen.

Was kommt als nächstes? Wird eine Webhosting-Firma verteufelt, weil die Dating-Portale auf ihren Servern laufen? Verantwortlich sind primär die Firmen selber, nicht deren Dienstleister. Vor allem, wenn die Firmen "greifbar" sind, und sich nicht im Ausland verstecken.
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