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Basel

Das Geschäft mit Sex läuft in Basel gut

Valeria kehrt nach einer Woche wieder nach Spanien zurück.
Valeria kehrt nach einer Woche wieder nach Spanien zurück. bild: nicole nars-zimmer

Zuhause glauben sie, sie sei Flugbegleiterin – das Geschäft mit Sex läuft in Basel gut

So schnell wird das Basler Rotlicht nicht ausgehen. Erstmals seit einigen Jahren nimmt die Zahl der Etablissements sogar wieder zu. Für Puffs gibt’s immer Platz, legal oder auch nicht.
10.06.2019, 14:3011.06.2019, 13:32
Benjamin Rosch / ch media
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Bei Licht betrachtet verliert das Milieu seinen Nimbus einer Halbwelt. Zur Mittagszeit zumindest verbreitet der Edelweiss Club Basel maximal die Anrüchigkeit eines Klassenlagers. Rund ein Dutzend Frauen stiebt davon, als Puffbesitzer Diego sie – reichlich nervös – bittet, doch für ein Foto zu posieren. «Valeria*, möchtest Du nicht?» Die meisten haben keine Lust.

Die Frauen bereiten sich auf die Arbeit vor. Manche rauchen in der Küche Kette, einige schminken sich. Eine Dame macht grosse Augen, als sie mit Körper und Kopf im Tuch umschlungen aus der Dusche tritt. Die Zimmer sind bereits hergerichtet, die Betten sehen so jungfräulich aus, wie sie halt aussehen können. Als wäre es ein Hotel, hat jemand die Laken gefaltet.

Valeria gibt bereitwillig Auskunft, spanisch oder englisch. «Igual», egal. Foto aber bitte nur von hinten, sie sei noch nicht fertig geschminkt, entschuldigt sie sich. «Ich arbeite erst seit wenigen Monaten hier in Basel», sagt die vielleicht Vierzigjährige. Jeweils eine Woche im Monat bietet sie sich im Edelweiss an, für den Rest kehrt sie nach Spanien zurück. Zu ihrer Familie, die meint, sie arbeite als Flugbegleiterin.

Nach Zimmermiete – zwischen fünfzig und achtzig Franken verlangt Diego von «seinen Girls» – bleiben ihr 5000 Franken. Manchmal etwas mehr, «denn ich arbeite sehr, sehr hart». Die meisten Frauen erreichen nie einen solchen Lohn. Entsprechend zufrieden ist Valeria. «Die Arbeitsbedingungen hier sind gut.»

Puffbesitzer Diego arbeitet seit mehreren Jahren in der Branche. Basel kennt er als schwieriges Pflaster.
Puffbesitzer Diego arbeitet seit mehreren Jahren in der Branche. Basel kennt er als schwieriges Pflaster.bild: nicole nars-zimmer

Unter Druck

Diego kann sich aussuchen, an wen er seine Zimmer vergibt. Die Konkurrenz ist hoch, wer es nicht in einen Salon schafft, muss in der Toleranzzone anschaffen. «Dort geht es schlimm zu und her», sagt Diego, der selber ein Etablissement an der Webergasse führt. Den Captain Cook, eine Kontaktbar im klassischen Sinn: unten Champagner, oben Spass nach der Stechuhr.

«Ich würde heute nicht mehr einen Betrieb in der Toleranzzone übernehmen», sagt Diego. Zu viele «Asoziale, Drogendealer und Betrunkene». Der tägliche Kampf der dortigen Prostituierten ist hinlänglich bekannt: Ein krasser Konkurrenzdruck führt zu Dumpingpreisen, mit denen sich die schnell wechselnden Frauen über Wasser zu halten versuchen.

Die Frauen werben aggressiv um Freier. Im «Captain» stürzen sich die Prostituierten gleich haufenweise auf die wenigen Männer, verfolgen sie bis auf die Strasse. Jedes Nein ist ein Rückschlag in ihrem Laufrad nach ein bisschen Geld, von dem sie ihre Familien in der Ferne ernähren.

In ihrem aktuellen Jahresbericht hält die Beratungsstelle Aliena fest: «Spürbar waren vor allem in der Toleranzzone die grossen Rivalitäten und die Feindseligkeiten unter den Sexarbeiterinnen sowie der Kampf um die Freier um jeden Preis.

Die Rolle der Freier blieb die gleiche: Sie nutzten die schwierige Situation aus, zahlten weniger und verlangten ungeschützten Sex.» Gestiegen sind deshalb im vergangenen Jahr die psychosozialen Beratungen, die Begleitungen und die Zahl der aufsuchenden Sozialarbeit. Obwohl die Behörden im vergangenen Jahr deutlich weniger Sexarbeiterinnen gezählt haben.

Gegen den Strich

Angenehmer Geld verdienen liesse sich in den Quartierzonen der Stadt. Doch dort haben Bordelle einen schweren Stand. «Alleine mir wurden bereits drei Betriebe geschlossen», sagt Diego.

In seinen Augen verfolgt die Stadt einen harten Kurs gegen das Milieu. Immer wieder versuchen Puffbetreiber, sich illegal einzunisten. Manchmal bleiben sie lange unbemerkt, manchmal verzögert sich der Rechtsweg – zum Leiden lärmgeplagter Anwohner.

Jüngste bekannte Beispiele sind die Schillerstrasse und die Amerbachstrasse. Am einen Ort war der Protest erfolgreich, die «Golden Pussy’s» (sic!) sind aus der Schillerstrasse ausgezogen. Im Gundeli deutet nichts mehr darauf hin, dass hier noch bis vor kurzem ein Laufhaus stand. Es kann ganz schnell gehen: Öffentlicher Druck, Besitzer unter Zugzwang, Räumung. Aber kein Puff scheint je wirklich zu verschwinden.

Basel-Stadt zählt erstmals seit einigen Jahren wieder mehr Sexbetriebe.
Basel-Stadt zählt erstmals seit einigen Jahren wieder mehr Sexbetriebe.bild: nicole nars-zimmer

Die «Golden Pussy’s» fanden einen neuen Platz über der Schwulenbar «Elle et Lui». Diese soll neu als Kontaktbar dienen, seit eine im Milieu bekannte Puffbetreiberin den Laden übernommen hat, so wird in der Szene herumgeboten.

Davon ist auf einem Streifzug nichts zu spüren. Lediglich zwei junge Männer nuckeln teilnahmslos an ihrem Drink, aus den Boxen blubbert Latin-Sound. Nein, eine Kontaktbar sei das nicht, erklärt die Barfrau. Über das Milieu weiss sie mehr, als sie sagen will. «Aber wenn Ihr Spass wollt: Im vierten Stock ist ein Ladyboy, der macht Euch alles, was Ihr wollt.»

Dafür ist der zweite Hauseingang da, in dem es violett schummert und nach Wasserpfeife riecht. Beides notwendige Stilmittel, um die Illusion von ein bisschen Luxus aufrechtzuerhalten, wie es die Branche immer tut. Als sollte die nackte Wahrheit unter den roten Teppich gekehrt, hinter goldene Türen gesperrt und mit Namen wie «Elegance» oder «Villa Viktoria» notdürftig verschleiert werden.

Wenig sinnlich geht es an der Amerbachstrasse zu und her. Die Lage ist bestenfalls als unübersichtlich zu bezeichnen. Das FKK Basel verweigert sich den Behörden und macht sich die Bürokratie der Verwaltung zunutze, der Anwalt droht derweil mit einem Gang bis nach Strasbourg.

Rundum blüht das Geschäft im Graubereich. Salonprostitution ist in Basel praktisch in der ganzen Stadt möglich. Selbst in reinen Wohnzonen sind Salons legal, wenn die Prostituierten auch dort wohnen. Die Behörden haben kaum den Durchblick, und wenn doch, ziehen Betreiber und Prostituierten um.

Den Freiern ist egal, ob der Betrieb über eine Gewerbelizenz verfügt, und über Umzüge tauschen sie sich rasch auf einschlägigen Portalen aus. Im schlechtesten Fall beginnt dann halt das Spiel von vorne.

Wider Erwarten

«Vertreiben kann man uns nicht», sagt Diego. Das liest er auch aus den neuesten Erfassungen des Justiz- und Sicherheitsdepartements ab, welche die «Schweiz am Wochenende» ihm vorlegt. Erstmals seit einigen Jahren hat die offizielle Zahl der Etablissements wieder zugenommen.

Allen Unkenrufen zum Trotz, das Business sei keines mehr. Drei zusätzliche Clubs stehen im Grossbasel, die meisten im Kleinbasel. Geschlossen hat ein Betrieb in Riehen. «Hinter den Neueröffnungen stecken oft jene Betreiber, die während einer grossen Schliessungswelle in den Jahren zuvor dichtmachen mussten», sagt Diego. Und wer keine Bewilligung erhalte, versuche sich halt in der Illegalität. «Ist das dann besser?», fragt er lakonisch.

Ist es nicht, findet Viky Eberhard von der Beratungsstelle Aliena. «Illegale Salons bedeuten für uns eine grosse Gefahr: Diese Frauen sind oft schutzlos und schwer für uns zu erreichen.» Ist es nicht, findet auch Valeria: «Hier fühle ich mich sicher.»

*Name geändert

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Ein intimer Blick in die Bordellzimmer dieser Welt
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Ein intimer Blick in die Bordellzimmer dieser Welt
Die meisten fotografischen Arbeiten über Prostitution zeigen die Frauen und Männer selbst. Nicht so Yoshiko Kusanos Fotoessay «Bordelle» erschienen bei Scheidegger & Spiess, Zürich.

Alle Fotos: Yoshiko Kusano
quelle: yoshiko kusano / yoshiko kusano
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Grosi spritzt in Basel Prostituierte weg
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Name_nicht_relevant
10.06.2019 15:05registriert Mai 2019
Es wird immer Prostituirte geben, mir sind die Bordelle die Legalsind lieber. Man kann nur so die Ilegalen Prostiuierten stoppen. Da Hallenbad Sakura zum besispiel hat sogar die Auflage gehabt das de Frauen regelmässig zum Arzt mussten und nur Sex mit Gummi erlaubte. Schade werden solche Bordelle geschlossen, den nur so sind die Frauen und Männer geschützt. Findet einen Weg, denn es wird immer Menschen geben die Sex kaufen oder sich für Geld anbieten. Egal ob Legal oder Ilegal.
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Graviton
10.06.2019 15:50registriert Januar 2018
Heute wird Sex überall zelebriert und zur Schau gestellt. Die Gesellschaft ist so sexualisiert wie noch nie zuvor. Und trotzdem ist richtiger Sex noch immer ein Tabuthema. Das führt zur Stigmatisierung von allem, was mit Sex zu tun hat und damit auch von käuflichem Sex. Die Stigmatisierung wiederum führt dazu, dass Prostitution nicht geduldet wird und dass es zu den beschriebenen Arbeitsbedingungen kommt.

Eine Lösung, die auch viele freiwillige Sexarbeiter/innen unterstützen, wäre eine Anerkennung der Prostitution als normalen Beruf und die Einführung aller damit verbundenen Regulationen.
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Bongalicius
10.06.2019 16:54registriert Januar 2016
Dass das ganze aus dem Ruder läuft ist eindeutig und das französische oder schwedische Modell wo das ganze Milieu in die Illegalität verdrängt wird ist auch keine Lösung.
Meiner Ansicht muss hier der Staat für Einrichtungen und Sicherheit sorgen. So sind sowohl Damen als auch Herren geschützt, Bordelle dort wo sie keine Anwohner stören und der Staat hat eine regulierte Einnahmequelle. Eine Win-win-Win Situation
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