Der bernische Grosse Rat hat am Dienstag darauf verzichtet, den Kanton zu gewissen räumlichen Mindeststandards in Asylunterkünften zu verpflichten. Das sei angesichts der zurzeit schwierigen Suche nach ausreichend Asylplätzen fehl am Platz, befand die Ratsmehrheit.
Der Entscheid fiel mit 72 zu 71 Stimmen äusserst knapp aus. Es gab zwei Enthaltungen im obsiegenden bürgerlichen Lager. Ausserdem fehlten insgesamt 14 Ratsmitglieder bei der Abstimmung, mehrheitlich aus dem knapp unterlegenen linken Lager (7 SP, 2 Grüne, 2 SVP, 2 FDP, 1 Mitte).
Hintergrund der Debatte war die Kostenstrategie im Asyl- und Flüchtlingsbereich für die Jahre 2024 bis 2027. Die Strategie beziffert die Beträge, welche die Bundespauschalen nicht zu decken vermögen. Der Regierungsrat geht von jährlichen Kosten zwischen knapp 36 und 103 Millionen Franken aus.
Die Strategie wurde mit 104 zu 26 Stimmen gutgeheissen. Die Gesundheits- und Sozialkommission (GSoK) hatte zusätzlich beantragt, gewisse räumliche Mindeststandards in Kollektivunterkünften festzulegen. So solle es Reservezimmer bei Krankheit und Rückzugsmöglichkeiten zum Lernen geben, aber auch Spielzimmer und Aussenräume für Kinder.
Andreas Michel (SVP/Schattenhalb) warnte davor, Standards zu setzen, die wegen der hohen Asylzahlen gar nicht realisierbar seien. Oberstes Ziel müsse sein, überhaupt genügend Plätze bereitzustellen, die «soweit realisierbar» oberirdisch seien.
Minimalstandards könnten den Kanton zwingen, gewisse verfügbare Unterkünfte abzulehnen, warnte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP). Der Platzmangel würde so weiter verschärft, und die Leidtragenden wären letztlich die Geflüchteten. Samantha Dunning (SP/Biel) hielt vergeblich entgegen, die Minimalanforderungen müssten ja nicht sofort umgesetzt werden.
Knapp angenommen wurde hingegen ein Antrag der vorberatenden Kommission, den Sprachunterricht von Menschen im Asylverfahren zu fördern.
(hah/sda)