Martin Pfister verteidigt F-35-Entscheid – aber im VBS könnten Köpfe rollen
50,1 Prozent Ja-Stimmen, ein Vorsprung von gerade mal 8515 Stimmen: Im September 2020 wurde die Beschaffung neuer Kampfjets – die bislang teuerste Anschaffung der Armee – vom Volk hauchdünn angenommen. Für den Erwerb «sind höchstens 6 Milliarden Franken vorgesehen», schrieb der Bundesrat damals unmissverständlich im Abstimmungsbüchlein.
Im Juni 2021 entschied sich die Landesregierung für die Beschaffung von 36 Kampfjets vom Typ F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin. Dieser sei am wirksamsten und «mit Abstand am günstigsten», so die Begründung.
Über Jahre hinweg betonte die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte), man habe sich mit den USA auf einen «Fixpreis» geeinigt – ein Privileg, das die USA anderen Staaten bei Rüstungsgeschäften üblicherweise nicht einräumen. Das Kostendach von 6 Milliarden Franken werde eingehalten, so Amherd. Zweifelnde Stimmen, etwa von der Eidgenössischen Finanzkontrolle, wurden mithilfe von teuren Anwaltsgutachten beiseitegewischt.
Diese Versprechen sind nun Makulatur. Amherds Nachfolger und Parteikollege Martin Pfister informierte die Öffentlichkeit vorletzten Mittwoch über eine schlechte Nachricht beim F-35: Es drohen Mehrkosten von bis zu 1,3 Milliarden Franken. Beim angeblichen Fixpreis handle es sich «aus Sicht der USA um ein Missverständnis».
«Amerikaner haben derzeit andere Prioritäten»
Nun hat sich Pfister in zwei Interviews mit «Le Matin Dimanche» und der «NZZ am Sonntag» erstmals ausführlich zum F-35-Kostendebakel geäussert. Er verteidigte darin den Typenentscheid des Bundesrats. Selbst mit den drohenden Mehrkosten sei der F-35 günstiger als die anderen geprüften Flugzeuge. Ausserdem sei er «technologisch weit überlegen».
Die Gesamtkosten dürften auf 300 Millionen steigen – das meiste Geld ist bereits geflossen. Der unbegleitete Einsatz der Drohnen dürfte erst 2029 möglich sein. Bei einem Treffen mit dem VBS Ende Juni kündigte die israelische Herstellerfirma Elbit weitere Verzögerungen an. Nun prüft Verteidigungsminister Martin Pfister einen Abbruch des Projekts: «Wir sind definitiv an einem Punkt angelangt, wo wir uns überlegen müssen, ob sie sich überhaupt noch realisieren lässt.» Ein Entscheid soll bis Ende Sommer fallen.
Offiziell hält der Bundesrat an der Gültigkeit des Fixpreises fest und strebt eine diplomatische Lösung an. Verteidigungsminister Martin Pfister hofft weiterhin, dass sich die Schweiz und die USA «preislich finden können», wie er der «NZZ am Sonntag» sagte.
Er zeigte sich offen dafür, persönlich in die USA zu reisen, um entsprechende Gespräche zu führen: «Wir wollen rasch Klarheit schaffen. Das hängt jedoch von den Amerikanern ab, und die haben derzeit auch noch andere Prioritäten.»
Den vom Volk bewilligten Kostenrahmen von 6 Milliarden Franken werde er «selbstverständlich respektieren», sagte Pfister. Eine Möglichkeit sei es, weniger als die geplanten 36 Kampfflugzeuge zu beschaffen. Einen solchen Schritt halten auch Sicherheitspolitiker verschiedener Lager für einen gangbaren Ausweg. Gegenüber der «SonntagsZeitung» signalisierten etwa Josef Dittli (FDP/UR), Thomas Hurter (SVP/SH) oder Priska Seiler-Graf (SP/ZH) ihre Unterstützung.
Es könnten Köpfe rollen
Ein Teil der drohenden Mehrkosten könnte gemäss Verteidigungsminister Martin Pfister auch im Inland eingespart werden: «Eventuell müssen wir auch bei den Offsetgeschäften in der Schweiz Abstriche machen.» Denn diese verteuerten die Beschaffung zusätzlich. Allerdings: Die Aufträge für die heimische Industrie waren ebenfalls ein wichtiges Argument des Bundesrats im Abstimmungskampf, was zum hauchdünnen Ja beigetragen haben dürfte.
Er bedauere die ganze Entwicklung natürlich, sagte Martin Pfister in der «NZZ am Sonntag» zum Kostendebakel: «Mein Ziel ist es, mit Transparenz Vertrauen wiederherzustellen.» Er lasse derzeit alle Beschaffungsprojekte durchleuchten und werde anschliessend offen darüber informieren. Und er schliesst ein Köpferollen bei den Verantwortlichen nicht aus. «Es kann sein, dass sich dabei auch die Frage nach personellen Konsequenzen stellt».
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