Schweiz
Bundesrat

F-35-Debakel in der Schweiz: Jetzt könnten die Köpfe rollen

FILE - U.S. Air Force fighter aircraft F-35 performs on the fourth day of the Aero India 2023 at Yelahanka air base in Bengaluru, India, Thursday, Feb. 16, 2023. (AP Photo/Aijaz Rahi, File)
Ein F-35 während einer Übung in Indien.Bild: keystone

Martin Pfister verteidigt F-35-Entscheid – aber im VBS könnten Köpfe rollen

Im Skandal um die Mehrkosten für den neuen Kampfjet will der zuständige Bundesrat mit Transparenz das Vertrauen wiederherstellen. Den vom Volk beschlossenen Kostenrahmen gelte es zu respektieren, sagt Martin Pfister. Er prüft eine Reduktion der Flotte.
07.07.2025, 06:3307.07.2025, 06:49
Christoph Bernet / ch media
Mehr «Schweiz»

50,1 Prozent Ja-Stimmen, ein Vorsprung von gerade mal 8515 Stimmen: Im September 2020 wurde die Beschaffung neuer Kampfjets – die bislang teuerste Anschaffung der Armee – vom Volk hauchdünn angenommen. Für den Erwerb «sind höchstens 6 Milliarden Franken vorgesehen», schrieb der Bundesrat damals unmissverständlich im Abstimmungsbüchlein.

Im Juni 2021 entschied sich die Landesregierung für die Beschaffung von 36 Kampfjets vom Typ F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin. Dieser sei am wirksamsten und «mit Abstand am günstigsten», so die Begründung.

Über Jahre hinweg betonte die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte), man habe sich mit den USA auf einen «Fixpreis» geeinigt – ein Privileg, das die USA anderen Staaten bei Rüstungsgeschäften üblicherweise nicht einräumen. Das Kostendach von 6 Milliarden Franken werde eingehalten, so Amherd. Zweifelnde Stimmen, etwa von der Eidgenössischen Finanzkontrolle, wurden mithilfe von teuren Anwaltsgutachten beiseitegewischt.

Bundesrat Martin Pfister spricht an einer Medienkonferenz ueber das Thema "Air2030: Aktuelle Herausforderungen und weiteres Vorgehen", am Mittwoch, 25. Juni 2025, im Medienzentrum Bundeshaus ...
Bundesrat Martin Pfister informiert die Medien über die drohenden Mehrkosten beim F-35 in Bern am 25. Juni 2025.Bild: keystone

Diese Versprechen sind nun Makulatur. Amherds Nachfolger und Parteikollege Martin Pfister informierte die Öffentlichkeit vorletzten Mittwoch über eine schlechte Nachricht beim F-35: Es drohen Mehrkosten von bis zu 1,3 Milliarden Franken. Beim angeblichen Fixpreis handle es sich «aus Sicht der USA um ein Missverständnis».

«Amerikaner haben derzeit andere Prioritäten»

Nun hat sich Pfister in zwei Interviews mit «Le Matin Dimanche» und der «NZZ am Sonntag» erstmals ausführlich zum F-35-Kostendebakel geäussert. Er verteidigte darin den Typenentscheid des Bundesrats. Selbst mit den drohenden Mehrkosten sei der F-35 günstiger als die anderen geprüften Flugzeuge. Ausserdem sei er «technologisch weit überlegen».

VBS prüft Abbruch des Drohnenprojekts
2015 bewilligte das Parlament die Beschaffung von sechs unbewaffneten Aufklärungsdrohnen vom Typ Hermes-900. Diese hätten 250 Millionen Franken kosten und bis Ende 2019 einsatzbereit sein sollen. Zwar sind fünf der sechs bestellten Drohnen unterdessen in der Schweiz, aber zentrale Funktionen fehlen weiterhin.

Die Gesamtkosten dürften auf 300 Millionen steigen – das meiste Geld ist bereits geflossen. Der unbegleitete Einsatz der Drohnen dürfte erst 2029 möglich sein. Bei einem Treffen mit dem VBS Ende Juni kündigte die israelische Herstellerfirma Elbit weitere Verzögerungen an. Nun prüft Verteidigungsminister Martin Pfister einen Abbruch des Projekts: «Wir sind definitiv an einem Punkt angelangt, wo wir uns überlegen müssen, ob sie sich überhaupt noch realisieren lässt.» Ein Entscheid soll bis Ende Sommer fallen.

Offiziell hält der Bundesrat an der Gültigkeit des Fixpreises fest und strebt eine diplomatische Lösung an. Verteidigungsminister Martin Pfister hofft weiterhin, dass sich die Schweiz und die USA «preislich finden können», wie er der «NZZ am Sonntag» sagte.

Er zeigte sich offen dafür, persönlich in die USA zu reisen, um entsprechende Gespräche zu führen: «Wir wollen rasch Klarheit schaffen. Das hängt jedoch von den Amerikanern ab, und die haben derzeit auch noch andere Prioritäten.»

Den vom Volk bewilligten Kostenrahmen von 6 Milliarden Franken werde er «selbstverständlich respektieren», sagte Pfister. Eine Möglichkeit sei es, weniger als die geplanten 36 Kampfflugzeuge zu beschaffen. Einen solchen Schritt halten auch Sicherheitspolitiker verschiedener Lager für einen gangbaren Ausweg. Gegenüber der «SonntagsZeitung» signalisierten etwa Josef Dittli (FDP/UR), Thomas Hurter (SVP/SH) oder Priska Seiler-Graf (SP/ZH) ihre Unterstützung.

Es könnten Köpfe rollen

Ein Teil der drohenden Mehrkosten könnte gemäss Verteidigungsminister Martin Pfister auch im Inland eingespart werden: «Eventuell müssen wir auch bei den Offsetgeschäften in der Schweiz Abstriche machen.» Denn diese verteuerten die Beschaffung zusätzlich. Allerdings: Die Aufträge für die heimische Industrie waren ebenfalls ein wichtiges Argument des Bundesrats im Abstimmungskampf, was zum hauchdünnen Ja beigetragen haben dürfte.

Er bedauere die ganze Entwicklung natürlich, sagte Martin Pfister in der «NZZ am Sonntag» zum Kostendebakel: «Mein Ziel ist es, mit Transparenz Vertrauen wiederherzustellen.» Er lasse derzeit alle Beschaffungsprojekte durchleuchten und werde anschliessend offen darüber informieren. Und er schliesst ein Köpferollen bei den Verantwortlichen nicht aus. «Es kann sein, dass sich dabei auch die Frage nach personellen Konsequenzen stellt».

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
92 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sportfan
07.07.2025 07:23registriert April 2020
Pfister wird noch aufwachen und merken, dass der F35 nicht finanzierbar ist. Aktuell rechnet man schon mit 10 Mrd. Beschaffungskosten (+ 4 Mrd.) und nicht mehr mit +1,3 Mrd. Wenn also der Kostenrahmen gemäss Pfister eingehalten werden muss, wird das nicht mal für 20 Jets reichen. Und mit "nur" 20 Jets kann man kaum die Ziele erfüllen.
Und es ist einfach auch falsch zu sagen, dass europäische Jets "teurer" kämen. Letzteres haben ihm wohl seine Betonköpfe im VBS eingeflüsstert, die versuchen ihre Haut zu retten.
8916
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lighthous
07.07.2025 07:29registriert Dezember 2023
Frau Amherd ist sicher nicht ohne Grund zurück getreten wie auch Herr Süssli nicht.
Zustände wie man nur in Länder wie Russland kennt.
Und wenn der Rest der Schweizerarmee gleich Inkompetenz ist dann gute Nacht.
Wenn bei Grossübungen ein Mobiltelefon verbot wäre enden die meisten in einem Desaster selber schon erlebt!
757
Melden
Zum Kommentar
avatar
benn
07.07.2025 06:50registriert September 2019
und Viola, wird seine Parteigenossin für die Lügen und den Betrug bestraft oder ist es wie immer das die eigentlich Verantwortlichen die das Desaster zu verantworten haben ungeschoren davon kommen, wie bei den Banken?
703
Melden
Zum Kommentar
92
17-jähriger Töfffahrer stürzt in Mühlrüti SG und verletzt sich tödlich
Ein junger Motorradfahrer ist am Samstagabend auf der Hulftegg-Passstrasse tödlich verunfallt. Der 17-Jährige stürzte in einer Linkskurve, als er von der Unteren Hulftegg SG Richtung Mosnang SG fuhr.
Zur Story